Die Klägerin verlangt Schadensersatz von der Beklagten, die das Fahrzeug Mercedes Benz ML 250 CDI BlueTec mit dem Motor OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) hergestellt hat, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw. Dazu führt sie an, dass das Fahrzeug über eine unzulässige Abschaltvorrichtung verfüge.

Auch das LG Stuttgart geht davon aus, dass in dem Fahrzeug mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verbaut sind. Dies gelte zunächst für das Thermofenster, welches die Rate der Abgasrückführung abhängig von der Ladeluft-/Außentemperatur regelt. Eine solche Konstruktion sei nur zulässig, wenn sie notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen, was nicht der Fall sei. Zudem existiere ein sog. SCR-System, bei dem es sich um eine Abgasnachbehandlung mittels Harnstofflösung (“AdBlue“) handele, durch welche Stickoxide reduziert würden. Insoweit habe die Beklagte gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden, dass beim Durchfahren des NEFZ-Prüfzyklus eine im Vergleich zum realen Fahrbetrieb erhöhte Menge an Harnstoff beigemischt wird sowie dass die Regeneration von SCR-Katalysatoren, die für die Effizienz der Abgasreinigung erforderlich ist, beinahe ausschließlich in den ersten 20 – 25 Minuten des Fahrzeugbetriebes erfolgt.

Durch den Erwerb des Fahrzeugs und das vorsätzlich sittenwidrige Verhalten bzw. Täuschung durch die Beklagten habe die Klägerin einen Schaden erlitten. Schließlich regt das LG bei den Parteien die Durchführung der Sprungrevision (§ 566 ZPO) an.

LG Stuttgart, Urteil vom 09.05.2018 – 23 O 220/18

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.254,37 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.01.2019 zu bezahlen, Zug- um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Daimler Typ Mercedes ML 250 Bluetec 4Matic FIN: …

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1.358,86 € freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 36 % und die Beklagte zu 64 %.

5. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Das Urteil ist für die Beklagte im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 39.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus Delikt aus einem PKW-Kaufvertrag im Zuge des sog. „Abgasskandals“.

Mit Kaufvertrag vom 11.12.2015 (Anl. K 1, Bl. 55 d.A) erwarb die Klägerin bei der Firma …, einer unabhängigen Händlerin, den streitgegenständlichen PKW Mercedes Benz ML 250 CDI BlueTec, FIN: …, der von der Beklagten entwickelt und hergestellt und mit einem Motor OM 651, der Schadstoffklasse EURO 6, ausgestattet ist, als Gebrauchtwagen zum Kaufpreis i.H.v. 39.000,00 €. Das Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der Übergabe eine Laufleistung von 93.000 km auf.

Die Kontrolle der Stickoxidemissionen erfolgt im streitgegenständlichen Fahrzeug über die sog. Abgasrückführung (AGR). Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Temperaturen zurückgefahren, wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außen-/Ladelufttemperaturen die Abgasrückführung reduziert wird (sog. “Thermofenster“).

Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt ferner über ein sog. SCR-System, also Abgaskatalysatoren, die Stickoxide reduzieren können. Bei diesem System wird dem Abgas eine wässrige Harnstofflösung (“AdBlue“) beigemischt. Diese Harnstofflösung reagiert chemisch mit den Abgasen, wodurch beide Arten von Gasen zu ungefährlichen Substanzen abgebaut werden. Die Verwendung von SCR-Katalysatoren funktioniert dabei nur, wenn dem Abgas eine passende Menge Harnstofflösung (“AdBlue“) beigemischt wird.

Das Fahrzeug ist von einem amtlichen Rückruf durch das Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) betroffen. Gegen den Bescheid hat die Beklagte Widerspruch eingelegt.

Mit Anwaltsschreiben vom 20.11.2018 (Anl. K 3, Bl. 57 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung binnen 2 Wochen zur Zahlung i.H.v. 34.294,00 € Zug um Zug gegen Übereignung des PKW auf.

Das Fahrzeug hat aktuell eine Laufleistung von 148.335 km.

Der Kläger behauptet, die Abgasreinigung sei nur bei Außentemperaturen zwischen 20° und 30° C, die während des Durchfahrens des „Neuen Europäischen Fahrzyklusses“ (NEFZ) bestehen, aktiv und werde außerhalb dieses „Thermofensters” ganz abgeschaltet, mit der Folge, dass die Stickoxidemission erheblich ansteige. Der Kläger ist der Ansicht, dies stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO EG 715/2007 dar.

Der Kläger behauptet ferner, das Fahrzeug enthalte neben dem „Thermofenster“ auch eine weitere Abschalteinrichtung in Form einer Steuerungssoftware, die dazu führe, dass das Fahrzeug das Durchfahren des NEFZ auf dem Prüfstand erkenne und abhängig davon, die Abgasaufbereitung dergestalt regele, dass der Ausstoß an Stickoxiden nur beim Durchfahren des NEFZ optimiert werde. So sei der Prüfmodus im streitgegenständlichen Fahrzeug so angepasst, dass hierbei die Schadstoffreduktion für die Dauer der Prüfung maximal erfolge, während dies außerhalb des Prüfzyklus nicht der Fall sei. Im streitgegenständlichen Fahrzeug sei dabei eine sog. Bit 13, Bit 14, Bit 15 und „Slipguard“ Softwarefunktion enthalten, deren Programmierungen und das Thermofenster so zusammenwirken, dass das Fahrzeug erkenne, wann es sich auf dem Prüfstand befinde und entsprechend die Emissionen positiv beeinflusse, was im Realbetrieb nicht der Fall sei. Die Funktion Bit 15 schalte dabei die Abgasreinigung nach 26 km ab und wechsele für die weitere Fahrt in einen „unsauberen“ Modus. Der Slipguard erkenne anhand von Geschwindigkeit und Beschleunigungswerten, ob sich das Fahrzeug in einer Prüfsituation befinde und schalte in den „sauberen“ Modus.

Ferner bestünde eine weitere Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug darin, dass sich der Wirkungsgrad der Abgasreinigung ohne erklärbaren Grund verschlechtere, sobald der Motor nach dem Start 17,6 Gramm Stickoxide ausgestoßen habe. Ferner wechsele die Motorsteuerung nach 1200 Sekunden in den „schmutzigen“ Modus.

Zudem würde während des Durchfahrens des NEFZ eine erhöhte Menge an benötigtem Harnstoff (AdBlue) im SCR-System beigemischt werden, während dies im realen Fahrbetrieb nicht der Fall sei. Auch beinhalte die konkrete Softwareprogrammierung, dass die Regeneration von SCR-Katalysatoren, die für die Effizienz der Abgasreinigung erforderlich sei, beinahe ausschließlich in den ersten 20 – 25 Minuten des Fahrzeugbetriebes, also der Zeit, die der übliche NEFZ-Zyklus brauche, erfolge.

Das Fahrzeug verfüge nicht über die Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung und habe einen erheblich höheren Schadstoffausstoß als von der Beklagten angegeben.

Die Klägerin behauptet ferner, der Vorstand der Beklagten hätte Kenntnis von dem Einsatz der unzulässigen Software gehabt und eine Schädigung der Käufer billigend in Kauf genommen, um sich selbst zu bereichern. Der Motor und die Motorsteuerung seien wesentliche Elemente im Rahmen der Entwicklung eines Kraftfahrzeugs, wobei hier auch ein besonderes Augenmerk auf das Abgasverhalten und damit den Schadstoffausstoß gelegt werde. Dass der Vorstand oder sonstige maßgebliche Organe in diesen Prozess nicht einbezogen worden wären, sei schwer vorstellbar. Zudem müsse es denknotwendig einen oder höchstwahrscheinlich sogar mehrere Mitarbeiter (Entwicklungsingenieure) bei der Beklagten gegeben haben, die von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hätten. Ihnen habe klar sein müssen, dass der von ihnen entwickelte Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe.

Ferner seien die Abschalteinrichtungen, insbesondere das Thermofenster, gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens nicht offengelegt worden.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39.000,00 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % -Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug- um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Daimler Typ Mercedes M-Klasse FIN: …

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1.698,13 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte behauptet, die Steuerung der Abgasrückführung erfolge im streitgegenständlichen Fahrzeug anhand der Ladelufttemperatur. Werte zur Außentemperatur seien daher nur ungefähr. So sei im Falle niedriger Temperaturen die Rate der Abgasrückführung betriebspunktabhängig geringer als bei höheren Temperaturen und werde erst ab einer Umgebungslufttemperatur von zweistelligen Minustemperaturen vollständig abgeschaltet. Die Rate der Abgasrückführung bleibe bis etwa 14° C konstant und sei erst ab 9° C um 40 % geringer und bleibe auf diesem Niveau. Dieses sog. „Thermofenster“ sei zum Bauteilschutz notwendig. Das System der Abgasrückführung könne bei kalten Temperaturen Schäden durch Ablagerungen (sog. „Versottung“) erleiden. Eine hohe Abgasrückführungsrate außerhalb des Thermofensters führe zu einer solchen Versottung und damit zu Motorschäden. Im Falle niedriger Umgebungslufttemperaturen sinke die Temperatur in den AGR-, Luft- und Abgaspfaden. Die Kondensatbildung nehme dadurch zu und die Verlackungs- und Versottungsgefahr steige. Als kritische Abgastemperatur nach dem AGR-Kühler könne der Temperaturbereich unterhalb von 110 bis 120° C angesehen werden. Eine pauschale Aussage, ab wann und zu welchem Grad von einem erhöhten Risiko der Kondensation des Wasserdampfes im Abgas ausgegangen werden könne, lasse sich nicht treffen. Eine Kondensation und Versottungsgefahr könne auch bei Außentemperaturen von 20° C auftreten. Die Versottungsgefahr könne durch andere technische Maßnahmen nicht verhindert werden, ohne anderweitig die Emissionskontrolle einzuschränken oder durch erhöhten Verbrauch die Emission zu erhöhen. Auch führe eine höhere AGR-Rate nicht immer zwingend zu geringeren Stickoxid-Emissionen. In den meisten Fahrzeugen seien die Risiken bei 10° C oder 20° C so minimal, dass deswegen keine geringeren AGR-Raten als bei 25° C oder 30° C Außentemperatur geboten seien.

Bei Außentemperaturen ab etwa 35 °C werde die Abgasrückführung ebenfalls abgesenkt, bis zu einer Temperatur von 45° C, bei der eine Abschaltung erfolge. Dies diene dem Motorschutz sowohl vor Ölverdünnung wegen zu hoher Partikelemissionen als auch vor Schäden durch Überhitzung des Saugrohres.

Gründe für den Rückruf durch das KBA seien Details der Steuerung des SCR-Systems gewesen.

Die Beklagte behauptet, sie habe die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung dem KBA im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens offengelegt (Anl. B1, Bl. 240 ff. d.A.). Sie ist zudem der Ansicht, eine Abschalteinrichtung müsse im Zulassungsverfahren schon gar nicht angegeben werden.

Der Vorstand der Beklagten habe zu dem Zeitpunkt, als das streitgegenständliche Fahrzeug ausgeliefert wurde nicht gewusst, dass die Programmierelemente, die das KBA im Zuge von nachträglichen Nebenbestimmungen nun rüge, derart ausgestaltet waren, dass sie das KBA zu einer Maßnahme veranlassen konnten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Hinweise im Beschluss vom 12.03.2019 (Bl. 288 ff. d.A.) sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 19.02.2019 (Bl. 244 ff. d.A.) und vom 11.04.2019 (Bl. 302 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I.

Die Klage ist im Klageantrag Ziff. 1 überwiegend begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB (dazu 1.), gemäß § 831 Abs. 1 S. 1 BGB (dazu 2.), wobei zwischen den Ansprüchen aus § 826 BGB und § 831 BGB die Möglichkeit der Wahlfeststellung besteht (dazu 3.), i.H.v. 25.254,37 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.01.2019 (dazu 4.).

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB (vgl. auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18; OLG Köln, 03.01.2019 – 18 U 70/18 zum sog. „VW-Abgasskandal“; LG Stuttgart, 17.01.2019 – 23 O 178/18 – juris; LG Stuttgart, 17.01.2019 – 172/18 – juris; LG Stuttgart 17.01.2019 – 23 O 180/18 – juris; LG Stuttgart, 27.11.2018 – 7 O 265/18; LG Stuttgart, 08.03.2019 – 23 O 154/18; LG Heilbronn, 01.04.2019 – 8 O 120/18 jeweils zum „Thermofenster“ gegen die Beklagte; LG Stuttgart, 14.08.2018 – 23 O 80/18 – juris; LG Stuttgart, 16.11.2017 – 19 O 34/17; LG Stuttgart, 05.04.2018 – 7 O 28/17, jeweils zum „VW-Abgasskandal“; vgl. auch LG Hanau, 07.06.2018 – 9 O 76/18; LG Itzehoe, 16.10.2018 – 7 O 133/18 gegen die Beklagte).

Das Fahrzeug verfügt über mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 (dazu a, aa) + bb). Die Klägerin hat deshalb einen Schaden erlitten (b), welcher durch ein Verhalten der Beklagten entstanden (c) und welches wegen Täuschung des KBA und der Verbraucher als sittenwidrig zu qualifizieren ist (d). Die Beklagte hat dabei vorsätzlich gehandelt (e). Aufgrund dessen hat die Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 25.254,37 € (f).

Die Beklagte hat das von der Klägerin erworbene Fahrzeug gebaut und eine EG-Typengenehmigung beantragt, die formal erteilt wurde, obwohl das Fahrzeug über mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verfügt, die der Zulassung entgegenstanden.

a. Nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 weist der Hersteller nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft im Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typengenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 rüstet der Hersteller das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen (vgl. Erwägungsgrund 12 der VO 715/2007/EG) und dass die zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte erforderliche erhebliche Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen (vgl. Erwägungsgrund 6 VO 715/2007/EG) erreicht wird. Folgerichtig sieht die Verordnung die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, strikt als unzulässig an (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG), sofern nicht die ausdrücklich normierten Ausnahmetatbestände (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG) greifen (so auch BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17 –, veröffentlicht in juris; LG Stuttgart, 17.01.2019 – 23 O 178/18 – juris; LG Stuttgart, 08.03.2019 – 23 O 154/18).

Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 definiert eine Abschalteinrichtung als ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlass, oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.

Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über mehrere solcher Abschalteinrichtungen i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007.

aa) Insbesondere stellt das sog. Thermofenster, also die Rate der Abgasrückführung abhängig von der Ladeluft-/Außentemperatur, eine solche Abschalteinrichtung dar.

i) So ist im streitgegenständlichen Fahrzeug eine Technologie zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) vorhanden. Dabei kommt die sog. Abgasrückführung zum Einsatz. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird dabei bei kühleren Temperaturen – unstreitig – zurückgefahren. Bei welchen konkreten Außentemperaturen letztendlich eine Reduktion der Abgasrückführung erfolgt, kann dahinstehen. So trägt die Beklagte selbst vor, im Falle niedriger Temperaturen sei die Rate der Abgasrückführung betriebspunktabhängig geringer als bei höheren Temperaturen. Die Rate der Abgasrückführung bleibe dabei im streitgegenständlichen Fahrzeug bis etwa 14° C konstant und sei erst ab 9° C um 40 % geringer und bleibe auf diesem Niveau.

ii) Es handelt sich hiernach um eine Einrichtung, die aufgrund gewisser Parameter (u.a. Lufttemperatur) die Abgasrückführung verändert, wodurch jedenfalls in Bezug auf den Stickoxidausstoß die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert wird. Die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems wird eben durch das entsprechende System an die Fahr- und Umweltbedingungen, die bei normalen Fahrbetrieb herrschen, angepasst. Unerheblich ist dabei, in welchem Maß eine Verringerung der Abgasrückführung erfolgt, da Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 eine solche Differenzierung nicht erlaubt und schlicht jede Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems als Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist, zumal eine Reduzierung um bis zu 40 % ohnehin als erheblich einzustufen wäre (vgl. auch Prof. Dr. Martin Führ, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode; derselbe in NVwZ 2017, 265; ferner auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18).

Die Beklagte führt zwar aus, eine höhere AGR-Rate führe nicht immer zwingend zu geringeren Stickoxid-Emissionen. Die Beklagte trägt hierbei jedoch – trotz Hinweises im Beschluss vom 12.03.2019 (Bl. 288 d.A.) und der ihr insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast nicht näher vor, welche konkreten Auswirkungen die Reduzierung der Abgasrückführung auf die Schadstoffemission (NOx-Ausstoß) hat. Die Beklagte stellt jedenfalls schon nicht in Abrede, dass dabei auch die Stickoxid-Grenzwerte nach Anhang I der VO 715/2007/EG unter Bedingungen außerhalb des NEFZ, die jedoch als „normale“ Betriebsbedingungen angesehen werden können (darunter Außentemperaturen, die in der überwiegenden Jahreszeit in Deutschland an der Tagesordnung sind) im durchschnittlichen Fahrbetrieb überschritten werden. Sie vertritt lediglich die Rechtsauffassung, dass die Grenzwerte wegen ihrer Ausrichtung auf den NEFZ für den realen Fahrbetrieb schon nicht maßgeblich seien, eine Rechtsauffassung, der indes nicht nur der Bundesgerichtshof in dem genannten Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 (BGH – VIII ZR 225/17) u.a. unter Hinweis auf Erwägungsgrund 12 der Verordnung, sondern auch das Gericht der Europäischen Union in seiner Entscheidung vom 13.12.2018 in den verbundenen Rechtssachen T-339/16, T-352/16 und T-391/16 (auf http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=fr&num=T-339/16# bislang u.a. in französischer Sprache veröffentlicht), eine Absage erteilt hat.

iii) Anders als die Beklagte meint, wird mit der „Auslegung der Abgasrückführung die innermotorische Emissionskontrolle für die jeweiligen Betriebszustände“ nicht erst „definiert“, weshalb es sich nach Ansicht der Beklagten um keine Abschalteinrichtung handele. Dieser Argumentationsversuch läuft darauf hinaus, den in der Verordnung nicht definierten Begriff des „Emissionskontrollsystems“ aus dem Kontext der Begriffsbestimmung der „Abschalteinrichtung“ herauszulösen und ihm einen eigenen, engeren Gehalt zuzuweisen. Für eine solche Sichtweise müsste es in der Verordnung besondere Anhaltspunkte geben. Daran fehlt es aber. Im Gegenteil: Die Unterscheidung „innermotorisch“ und „Emissionskontrolle“ widerspricht dem Wortlaut der Definition der „Abschalteinrichtung“, denn die in Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 aufgezählten Parameter umfassen alle technischen Vorgänge (darunter mit der „Motordrehzahl“ einen eindeutig innermotorischer Faktor), die auf Entstehen und Verminderung der Emissionen einwirken. Dafür spricht auch die Begriffsbestimmung in Art. 3 Nr. 11 EG (VO) 715/2007. Sie definiert „emissionsmindernde Einrichtung“ als „die Teile eines Fahrzeugs, die die Auspuff- und Verdunstungsemissionen eines Fahrzeugs regeln und/oder begrenzen.“ Steuerungsvorgänge, die innermotorisch wirken, tragen dazu bei, die Auspuffemissionen zu regeln, sie sind daher Teil des Emissionskontrollsystems. Die vorgetragene Differenzierung findet somit im Verordnungstext keine Stütze (so überzeugend Prof. Führ in: NVwZ 2017, 265 (266)).

iv) Auch die Auffassung der Beklagten, es gelte mit der AGR-Rate Stickoxid- und Partikelemissionen des Motors sowie von Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxid-Emissionen zu steuern, also für unterschiedliche Betriebszustände des Fahrzeugs gegeneinander auszubalancieren (sog. Trade-off), kann nicht dazu führen, dass schon dann keine Abschalteinrichtung im Sinne der VO 715/2007/EG vorliegt, wenn infolge der Reduzierung der Abgasrückführung zwar der Stickoxidausstoß in einem Maß erhöht wird, dass die Grenzwerte im realen Fahrbetrieb nicht mehr eingehalten werden, aber zugleich die Entstehung von anderen Emissionen (etwa von Partikeln) eingedämmt wird. Die Verordnung erhebt den Anspruch, dass die für verschiedene Emissionen vorgesehenen Grenzwerte kumulativ einzuhalten sind, und zwar grundsätzlich nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im realen Fahrbetrieb bzw. „unter normalen Betriebsbedingungen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007/EG. Der „Trade-off“ zwischen verschiedenen Emissionen ist in erster Linie Sache des EU-Gesetzgebers durch die Festlegung der Grenzwerte und die des einzelnen Fahrzeugherstellers oder Entwicklungsingenieurs nur in diesem vorgegebenen Rahmen.

v) Auch der Argumentation der Beklagten, die grundsätzliche Auslegung eines Emissionskontrollsystems am Verbot der Abschalteinrichtungen zu messen würde zum sinnwidrigen Ergebnis führen, dass der Hersteller, der bei mittleren Temperaturen wegen geringerer Versottungs- und Verrußungsrisiken die Abgasrückführung mit höherer Rate betreibe und damit Stickoxidemissionen wirksamer verhindere, rechtswidrig handeln würde, während derjenige, der bei mittleren Temperaturen auf eine volle Ausnutzung des Potenzials der Abgasrückführung von vornherein verzichte, dies nicht rechtfertigen müsse, wenn er mit dieser weniger ambitionierten Auslegung des Systems „nur“ die gesetzlichen Grenzwerte einhalten würde, kann nicht gefolgt werden. In der Tat wird man eine Steuerung der Abgasrückführung, die nicht zu einer Überschreitung der Grenzwerte, sondern im Gegenteil in manchen Betriebszuständen zu deren Unterschreitung führt, schwerlich als Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG ansehen können, durch die die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert wird. Die Beklagte behauptet aber schon nicht, dass sich beim streitgegenständlichen Fahrzeug der Stickoxidausstoß auch in den Betriebszuständen, in denen die Abgasrückführung reduziert wird, noch innerhalb der Grenzwerte bewegt.

vi) Eine solche Abschalteinrichtung in Form eines „Thermofenster“ ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen (Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Zwar wird im Abschlussbericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“ des BMVI ausgeführt, dass „unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht […]“.

(Bericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“, Stand April 2016, S. 123 unter D. I. 2.).

Eine solche Auslegung der gesetzlichen Vorgaben hat jedoch keine rechtliche Grundlage (so überzeugend und mit erheblicher Kritik am Abschlussbericht der Untersuchungskommission des BMVI: Klinger, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 24).

Im Einzelnen:

(1) Die VO 715/2007/EG wurde ausweislich des Erwägungsgrunds 1 erlassen, um die technischen Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen zu harmonisieren. Ziel ist die Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus auf europäischer Ebene. Zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte war nach Auffassung des EU-Gesetzgebers insbesondere eine erhebliche Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen erforderlich. Um die Ziele der EU für die Luftqualität zu erreichen, sind nach seiner Einschätzung fortwährende Bemühungen zur Senkung von Kraftfahrzeugemissionen erforderlich, weshalb die Industrie klare Informationen über die künftigen Emissionsgrenzwerte erhalten soll.

Bereits die Verordnung selbst (und nicht erst künftige „weitere“ Anstrengungen und Durchführungsakte) verfolgt dabei auch das Ziel, dass sich die Grenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen (Erwägungsgrund 12) und dass die bei der Typgenehmigungsprüfung gemessenen Emissionen denen im praktischen Fahrbetrieb entsprechen (Erwägungsgrund 15). Diesem Zweck dient das Verbot von Abschalteinrichtungen in Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG, was zu der Auslegung führt, dass die Ausnahmenregelung des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG eng auszulegen ist (ebenso BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, Rn. 11 u. 13). Wer als Fahrzeughersteller von dem Verbot abweichen will, muss dies besonders rechtfertigen. Eine Notwendigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 liegt insbesondere auch dann nicht vor, wenn sich die Abschalteinrichtung durch Konzeption, Konstruktion oder Werkstoffwahl vermeiden lässt. Es ist demnach nicht schon ausreichend, dass überhaupt individuell technische Situationen auftreten, in denen die Abschalteinrichtung zum Motorschutz oder zum sicheren Betrieb erforderlich ist, sondern darüber hinaus ist unter Einbeziehung der zu dieser technischen Situation führenden Gründe erforderlich, dass auch diese notwendigerweise vorliegen, also generell unvermeidbar sind (diese Auslegung befürwortend auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 14 f.).

(2) Der Verordnungsgeber ist bei dem Begriff der „Notwendigkeit“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bewusst über die entsprechende Regelung in Ziffer 2.1.6 Satz 2 der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Emissionsgrundverordnung geltenden Fassung der UN/ECE-Regelung Nr. 83 hinausgegangen, in der zum Verneinen einer verbotenen Abschalteinrichtung bereits als ausreichend angesehen wurde, wenn „die Notwendigkeit der Nutzung der Einrichtung mit dem Schutz des Motors vor Beschädigungen oder Unfällen und der Betriebssicherheit des Fahrzeugs begründet wird“. Im Vergleich zu diesem allein auf eine vorgenommene Begründung abstellenden Wortlaut der Regelung Nr. 83 hat der Verordnungsgeber bei der Emissionsgrundverordnung mit dem Begriff der „Notwendigkeit“ einen strengeren, objektivierbaren Maßstab gewählt (so auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 13).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Verweis der Beklagten auf die englische und französische Sprachfassung der Regelung: „Need“ (englisch) lässt sich ebenso mit „Notwendigkeit“ übersetzen wie „besoin“ (französisch) und jedenfalls nicht mit „Zweckdienlichkeit“, wie die Beklagte meint. Gerade die reflexive Formulierung der französischen Sprachfassung „le besoin du dispositif se justifie […]´“ spricht zudem gegen eine Auslegung, wonach es schon reicht, wenn die Autohersteller die Notwendigkeit der Abschalteinrichtung mit Motorschutzgründen begründen. Vielmehr muss die Notwendigkeit auch tatsächlich objektiv (aus sich heraus) vorliegen.

(3) Unzweifelhaft nicht notwendig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorschutzgesichtspunkten ununterbrochen arbeitetet und damit den Zielsetzungen der Verordnung hinsichtlich einer eindämmenden Kontrolle der Emissionswerte im Straßenbetrieb und einem grundsätzlichen Verbot von Abschalteinrichtungen komplett zuwiderläuft. Dem entsprechend sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das Eingreifen einer Abschalteinrichtung grundsätzlich nicht auf die Privilegierung von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 gestützt werden kann, wenn sie unter Bedingungen eingreift, die zu den üblichen, alltäglichen Nutzungsbedingungen eines betreffenden Kraftfahrzeugs im Sinne eines Normalgebrauchs zu zählen sind. Zwar definiert Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG „Abschalteinrichtung“ gerade als solche, durch die die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter „Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind“, verringert wird. Gleichwohl muss das Regel-Ausnahme-Verhältnis gewahrt bleiben.

(4) Eine Privilegierung einer Abschalteinrichtung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 kommt – wie gezeigt – zudem dann grundsätzlich nicht in Betracht, wenn aufgrund andersartiger Konstruktion oder durch den Einsatz zusätzlicher Bauteile das Abschalten des Emissionskontrollsystems unter Motorschutzgesichtspunkten entbehrlich würde. Für eine solche technische Entbehrlichkeit einer Abschalteinrichtung ließe sich in praxi etwa anführen, wenn nach dem Stand der Technik Konstruktionen bekannt und möglich sind, die das Abschalten des Emissionskontrollsystems entbehrlich machen, wofür namentlich sprechen kann, dass vergleichbare Motoren anderer Hersteller ohne entsprechend agierende Abschalteinrichtung auskommen, ohne dass der Motor Schaden nimmt. Auch die Möglichkeit des Einsatzes anderer oder weiterer technischer Varianten von Emissionskontrollsystemen spräche dafür, bei Verzicht auf dieselben seitens des Herstellers mangels Notwendigkeit keine Privilegierung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 greifen zu lassen (vgl. die überzeugende Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 15 f). Für das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des Artikel 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) VO 715/2007/EG trifft die Beklagte die volle primäre Darlegungs- und Beweislast, wobei sich das nach allgemeinen dogmatischen Grundsätzen damit begründen lässt, dass derjenige, der sich auf eine Ausnahme beruft, deren Vorliegen beweisen muss. Wenn die Beklagte, die sich selbst als Technologieführerin sieht, hiernach mit Nichtwissen bestreitet, dass im Zeitpunkt der Fahrzeugentwicklung nach dem Stand der Technik Konstruktionen möglich waren, die das Abschalten des Emissionskontrollsystems entbehrlich machen, ist dieses pauschale Bestreiten nach § 138 Abs. 4 ZPO unbeachtlich.

vii) Gemessen daran, ist die streitgegenständliche Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters nach Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 unzulässig.

(1) Das System der Abgasrückführung wird – wie die Beklagte vorträgt – bereits bei Ladeluft/-Außentemperaturen von 14° C und darunter um bis zu 40 % zurückgefahren. Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur z.B. in Stuttgart von 10 °C oder beispielsweise in den in der EU liegenden Städten Helsinki von 4,8° C und Tallin von 4,5 °C handelt es sich bei der Veränderung des Emissionskontrollsystems im streitgegenständlichen Fahrzeug durch Reduzierung der Abgasrückführung bei Außentemperaturen von unter 14° C schon (fast) um einen Regelbetrieb. Dass eine solche Abschalteinrichtung für den EU-Gesetzgeber erkennbar nicht als legal gelten sollte, liegt auf der Hand.

(2) Die Beklagte behauptet zwar, das streitgegenständliche Thermofenster sei zum Bauteilschutz notwendig. Begründet wird dies mit einer sog. Versottungsgefahr. Damit kann die Beklagte aus den oben genannten Gründen nicht gehört werden. Die Beklagte trägt selbst vor, dass die Frage, ab wann und zu welchem Grad von einem erhöhten Kondensations- und damit Versottungsrisiko ausgegangen werden könne, stark vom einzelnen Fahrzeugtyp abhänge. Die Unterschiede zwischen den Fahrzeugtypen könnten eine Vielzahl von Gründen haben, die durch Material und Aufbau des Fahrzeugs bedingt seien. Dann stellt sich aber die Frage, ob sich nicht auch durch Material und Aufbau des Fahrzeugs oder eine andere Auslegung der Abgasrückführung oder eine gezielte Steuerung der AGR-Kühlung die Versottungsgefahr mindern lässt, ohne dass dies zwingend dazu führen muss, dass die Abgasrückführung insgesamt nur in einem geringeren Umfang eingesetzt werden kann.

Soweit die Beklagte weiter vorträgt, dass die Versottungsgefahr durch andere technische Maßnahmen beim zum Zeitpunkt der Fahrzeugentwicklung maßgeblichen Stand der Technik nicht habe verhindert werden können, „ohne anderweitig die Emissionskontrolle einzuschränken oder durch erhöhten Verbrauch die Emissionen zu erhöhen“, stellt sie letztlich nicht in Abrede, dass der Versottungsgefahr durch andere technische Maßnahmen begegnet werden könnte, wenngleich um den Preis eines erhöhten Verbrauchs und damit CO2-Ausstoßes. Der „Trade-off“ zwischen Stickoxidemissionen und sonstigen Emissionen sowie Verbrauch und CO2-Ausstoß ist allerdings unter den Ausnahmetatbeständen des Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO 715/2007/EG nicht aufgeführt. Vielmehr ist es, wie schon weiter oben dargelegt, Sache des EU-Gesetzgebers selbst, durch die Festlegung der Grenzwerte diesen Trade-off zu vollziehen. Gleiches gilt für den „Trade-off“ zwischen Kosten und Nutzen, insbesondere zwischen Kosten der Innovation und dem Risiko, dass die Flottenerneuerung verlangsamt wird, weil die Fahrzeuge zu teuer werden oder sich die Nachfrage von Dieselfahrzeugen zu Benzinfahrzeugen verlagert. All diese Abwägungen sind vom EU-Gesetzgeber und nicht vom einzelnen Hersteller im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG anzustellen.

Schließlich hat die Beklagte im Rahmen ihrer – für die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007 bestehenden – Darlegungs- und Beweislast und trotz ausdrücklichem Hinweis im Beschluss vom 12.03.2019 (Bl. 288 ff. d.A.) schon nicht vorgetragen, ob es mildere Mittel gibt, im streitgegenständlichen Fahrzeug die AGR-Rate um weniger als 40 % bei 9° C bzw. erstmals bei 14 ° C zu reduzieren. Eine Abschalteinrichtung kann allenfalls in dem Maß zulässig sein, wie sie auch tatsächlich erforderlich ist, den Motor vor Beschädigung zu schützen. Die Beklagte konnte – trotz Hinweises – jedoch nicht näher vortragen, warum die AGR-Rate ab 9° C bis zu zweistelligen Minusgraden konstant bleibe, obwohl nach dem eigenen Vortrag der Beklagten die Versottungsgefahr steige, je tiefer die Temperatur sei. Dann müsste konsequenterweise die AGR-Rate je tiefer die Ladeluft-/Außentemperatur ist, auch weiter sinken und nicht konstant bleiben. Jedenfalls hat die Beklagte – trotz Hinweises im Beschluss vom 12.03.2019 (Bl. 288 ff. d.A.) – schon nicht vorgetragen, ob der Versottungsgefahr bei Außentemperaturen von 14° C auch durch eine geringere Reduzierung der AGR-Rate begegnet werden könnte, zumal in anderen Fahrzeugen der Beklagten gerichtsbekannt eine Reduzierung der Abgasrückführung z.B. erst ab 7° C erfolgt und es damit offenkundig – entgegen des Vortrags der Beklagten – selbst bei der Beklagten andere technische Möglichkeiten gibt, die Abgasrückführung erst bei niedrigeren Temperaturen zu reduzieren.

bb) Ferner besteht im vorliegenden Fall eine weitere Abschalteinrichtung hinsichtlich des SCR-Systems. Eine solche gilt von der Beklagten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

i) Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt neben der Abgasrückführung auch über eine Abgasnachbehandlung, dem sog. SCR-System, also Abgaskatalysatoren, die Stickoxide reduzieren können. Bei diesem System wird dem Abgas eine wässrige Harnstofflösung (“AdBlue“) beigemischt. Diese Harnstofflösung reagiert chemisch mit den Abgasen, wodurch beide Arten von Gasen zu ungefährlichen Substanzen abgebaut werden. Die Verwendung von SCR-Katalysatoren funktioniert dabei nur, wenn dem Abgas eine passende Menge Harnstofflösung (AdBlue) beigemischt wird.

ii) Die Klägerin trägt hinsichtlich des SCR-Systems u.a. vor, dass das streitgegenständliche Fahrzeug auch insoweit über eine (weitere) unzulässige Abschalteinrichtung verfüge. Die Klägerin behauptet, während des Durchfahrens des NEFZ würde eine erhöhte Menge an benötigtem Harnstoff (AdBlue) im SCR-System beigemischt werden, während dies im realen Fahrbetrieb nicht der Fall sei. Auch beinhalte die konkrete Softwareprogrammierung, dass die Regeneration von SCR-Katalysatoren, die für die Effizienz der Abgasreinigung erforderlich sei, beinahe ausschließlich in den ersten 20 – 25 Minuten des Fahrzeugbetriebes erfolge, also der Zeit, die der übliche NEFZ-Zyklus brauche.

Auch insoweit kommt der Beklagten eine sekundäre Darlegungslast zu. Die Klagepartei vermag in ihrer Eigenschaft als Verbraucherin bzw. nicht-fachkundiger Kunde hier die Einzelheiten des „SCR-Systems“ und der Motorsteuerung unter dem Gesichtspunkt der Emissionskontrolle nicht dezidiert erläutern. Zu den hierzu notwendigen Informationen – und entsprechenden Softwaredateien – hat sie naturgemäß – auch bei Einschaltung eines Privatgutachters – keinen Zugang. Umgekehrt ist es der Beklagten als Entwicklerin und Herstellerin des Motors ohne jedwede Schwierigkeiten möglich, die Einzelheiten der Abgasrückführung zu erläutern und im Besonderen die Frage nach einer Abschalteinrichtung zu beantworten (vgl. auch die Verfügung der 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 03.04.2019 – 20 O 349/18).

Der Beklagten oblag es daher, zum Vortrag einer Abschalteinrichtung betreffend das SCR-System näher vorzutragen. Dies gilt umso mehr als das KBA für das streitgegenständliche Fahrzeug einen Rückruf angeordnet und das KBA dabei nach Angaben der Beklagten „Details der Steuerung des SCR-Systems“ beanstandet hat.

Das Gericht hat die Beklagte mit Beschluss vom 12.03.2019 (Bl. 288 ff. d.A.) darauf hingewiesen, näher zu den Gründen des Rückrufs vorzutragen. Dem kam die Beklagte mit dem bloßen Vortrag im Schriftsatz vom 09.04.2018 (Bl. 300 ff. d.A.), Gründe für den Rückruf durch das KBA seien „Details der Steuerung des SCR-Systems“ gewesen, ersichtlich nicht nach, weshalb auch die entsprechende Behauptung der Klägerin, das Fahrzeug verfüge bezüglich des SCR-Systems über eine weitere Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG, als zugestanden gilt.

b. Die Klägerin hat durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Schaden erlitten (vgl. nur OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18; OLG Köln, 03.01.2019 – 18 U 70/18; LG Stuttgart, 17.01.2019 – 23 O 172/18 – juris; LG Stuttgart, 21.08.2018 – 23 O 92/18; LG Bochum, 29.12.2017 – I-6 O 96/17; LG Köln, 18.07.2017 – 22 O 59/17; LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16; LG Stuttgart, 05.04.2018 – 7 O 28/17).

aa) Der eingetretene Schaden im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten liegt bereits in dem Abschluss des Vertrages, der jedenfalls zu den damaligen Bedingungen von der Klägerin nach Überzeugung des Gerichts so in der Form bei Kenntnis aller Umstände nicht abgeschlossen worden wäre (so im Ergebnis auch LG Stuttgart, 26.09.2018 – 23 O 95/18; LG Hildesheim, 17.01.2017 – 3 O 139/16; LG Paderborn, 07.04.2017 – 2 O 118/16; LG Kleve, 31.03.2017 – 3 O 252/16; LG Bochum, 13.07.2017 – 8 O 366/16, jeweils zum „VW-Abgasskandal“).

bb) Ein Schaden aufgrund einer sittenwidrigen Schädigung ist grundsätzlich im Rahmen der Differenzhypothese zu ermitteln, das heißt durch ein Gegenüberstellen der jetzigen Vermögenslage des Geschädigten und derjenige, die ohne eine Schädigung bestehen würde. Es kann jedoch ein Schaden auch dann vorliegen, wenn eigentlich eine objektive Werthaltigkeit der vertraglichen Gegenleistung vorliegt. Die Differenzhypothese muss nämlich stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Der Schadensersatz dient aber dazu, den konkreten subjektiven Vermögensnachteil des Geschädigten auszugleichen.

Insoweit genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit und zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene eine Entscheidung zu Lasten seines Vermögens trifft. Dabei ist auch eine subjektbezogene Betrachtung heranzuziehen. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Rechtsgeschäftes, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt oder nicht bzw. ob nachfolgend ein Ausgleich erfolgt.

Ein Schaden kann deshalb auch darin gesehen werden, dass jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist (BGH NJW-RR 2005, 611, 612). Es ist daher anerkannt, dass der Schaden auch darin liegen kann, dass ein – wäre eine Täuschung nicht erfolgt – ungewollter Vertrag abgeschlossen wird.

cc) Hier hat die Klägerin ein Fahrzeug erworben, welches nicht ihren Vorstellungen entsprach und welches sie, wenn sie die tatsächlichen Hintergründe gekannt hätte, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses so nicht erworben hätte. Der diesbezügliche Vermögensschaden der Klägerin liegt darin, dass sie in Unkenntnis des nicht gesetzeskonformen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit den sich daraus ergebenden Folgen – u.a. Sachmangel im Sinne des Gewährleistungsrechts – den streitgegenständlichen PKW erworben und damit einen ihr wirtschaftlich nachteiligen Vertrag geschlossen hat.

Insoweit ist auch davon auszugehen, dass dann, wenn die Klägerin die Hintergründe gekannt hätte, als verständiger Kunde kein Fahrzeug mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung und mit einem entsprechenden kaufrechtlichen Sachmangel erworben hätte. Wenn ihr vor dem Verkauf bekannt gewesen oder sie von der Beklagten allgemein darauf hingewiesen worden wäre, dass allein durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung die diesbezügliche Typengenehmigung erlangt werden konnte und tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters sowie eine weitere Abschaltvorrichtung betreffend das SCR-System vorliegt, weshalb der Emissionsausstoß während nahezu des gesamten Jahreszeitraums (jedenfalls unstreitig ab 14° C Außentemperatur) deutlich höher ist als angegeben und dies – wie gezeigt – rechtlich unzulässig ist, hätte die Klägerin von einem Kaufvertrag Abstand genommen.

dd) Die Klägerin hat also aufgrund des hier abgeschlossenen Kaufvertrages nicht das bekommen, was ihr aufgrund des Kaufvertrages an sich zugestanden hätte, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen vollständig entsprechendes Fahrzeug. Die Schädigung besteht zudem darin, dass durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung das tatsächlich von dem Kläger erworbene und ihm übergebene Fahrzeug nach den kaufrechtlichen Regelungen ursprünglich mangelhaft war.

Da jedoch ein Käufer stillschweigend davon ausgeht, dass ein erworbenes Fahrzeug mangelfrei ist und den gesetzlichen Vorschriften und Vorgaben entspricht, war die diesbezügliche Vorstellung bei der Klägerin falsch, da die Typengenehmigung durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht hätte erteilt werden dürfen und die gesetzlich vorgegebenen Werte nur bei ganz bestimmten Umweltbedingungen erreicht werden, die Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb bei üblichen Umweltbedingungen (durchschnittliche Außentemperaturen) hingegen um ein Vielfaches überschritten werden, so dass im Ergebnis die Klägerin mit dem Erwerb und der Übergabe eines solchen Fahrzeuges gegen Zahlung des Kaufpreises einen Schaden erlitten hat.

c. Die Klägerin hat diesen Schaden aufgrund einer Täuschungshandlung der Beklagten erlitten.

Erforderlich ist insoweit ein adäquat kausaler Zusammenhang unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm (BGH, 03.03.2008 – II ZR 310/06 –, Rn. 15, juris; MünchKommBGB/Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 45 ff.). So liegt der Fall hier.

aa) Schädigungshandlung ist das Inverkehrbringen des mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs (OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, das heißt über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, das nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typgenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen KBA erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht. Auch dies bestätigt der Hersteller zumindest konkludent mit der Inverkehrgabe (OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

bb) Denn bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu absolvieren. Insbesondere ist die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das KBA als zuständige Behörde (§ 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; im Folgenden: EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Stellt das KBA nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge zum einen – wie hier – gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen (vgl. Führ, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag vom 19.11.2016, S. 24 <4.3.3>; VG Magdeburg, Beschluss vom 02.07.2018 – 1 B 268/18, juris Rn. 11 f.; noch weitergehend für den Fall der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung: Klinger, ZUR 2017, S. 131 <135 f.>: Erlöschen der Typgenehmigung kraft Gesetzes). Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge allerdings nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen (so ausdrücklich OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

cc) Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann vor diesem Hintergrund nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist der Inverkehrgabe des Fahrzeugs der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung vorlagen (ähnlich OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 – 27 U 10/18, juris Rn. 4 f.; Beschluss vom 03.01.2019 – 18 U 70/18).

dd) Weil der Inverkehrgabe der dargestellte positive Erklärungswert zukommt, wird mit der Anknüpfung an das Inverkehrbringen auch nicht etwa auf eine Täuschung durch Unterlassen – Nichtaufklären über die eingesetzte Software – abgestellt, welches die Verletzung einer Offenbarungspflicht voraussetzte. Das Fahrzeug verfügte entgegen dem konkludenten Erklärungswert der Inverkehrgabe vorliegend gerade nicht über eine dauerhaft ungefährdete Betriebserlaubnis, weil die installierte Motorsteuerungssoftware eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 enthielt, weshalb die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht gegeben waren (OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss v. 5.3.2019 – 13 U 142/18).

Mithin hat die Beklagte die Klägerin getäuscht.

d. Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, 28.06.2016 – VI ZR 536/15 –, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler, BGB [2014], § 826, Rn. 31).

Vorliegend ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Handelns aus dem nach Ausmaß und Vorgehen besonders verwerflichen Charakter der Täuschung von Kunden (dazu aa), unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine öffentliche Institution, nämlich das KBA, welches von der Beklagten ebenfalls durch nicht Offenlegung der unzulässigen Abschalteinrichtung getäuscht wurde (dazu bb) und unter Inkaufnahme nicht nur der Schädigung der Käufer (dazu cc), sondern auch der Umwelt (dazu dd), wobei auch die vorsätzliche Täuschung die Sittenwidrigkeit begründet (dazu ee) (vgl. OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18 zum „VW-Abgasskandal“).

aa) Bereits das Ausmaß der Täuschung, nämlich der Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verbaut wurde, mit der Folge einer entsprechend hohen Zahl getäuschter Käufer rechtfertigt das besondere Unwerturteil.

bb) Überdies ist auch die Art und Weise der Täuschung als verwerflich anzusehen: Durch die dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorangegangene Täuschung der Typgenehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte bei Verkauf der Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht.

Die Beklagte hat das KBA im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens über das Vorliegen der unzulässigen Abschalteinrichtung getäuscht.

i) Die Beklagte trägt zwar pauschal und mit einer geschwärzten Anlage vor, sie habe die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung dem KBA gegenüber im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens offengelegt (Anl. B 1, Bl. 240 ff. d.A.). Allein damit genügt sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht. Das Gericht hat deshalb mit den Klägervortrag davon auszugehen, dass die Reduzierung der AGR-Rate bei einer Außentemperatur von 14 ° C bzw. bei 9° C um 40 % gegenüber dem KBA nicht angezeigt wurde.

ii) Die Beklagte verweist darauf, sie habe im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens Angaben zur temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung getätigt und genieße Vertrauensschutz, dass das KBA seine Rechtsauffassung nicht ändere. Allerdings lässt sich dem von der Beklagten vorgelegten nahezu durchgängig geschwärzten Auszug des Beschreibungsbogens (Anlage B 1, Bl. 240 ff. d.A.) lediglich die Angabe entnehmen, dass die AGR-Rate u.a. durch den Parameter „Lufttemperatur“ gesteuert werde. Die Formulierung „Lufttemperatur“ lässt dabei schon vom Wortlaut her nicht zwingend auf die Umgebungstemperatur schließen, sondern kann auch so ausgelegt werden, dass die Temperatur im Verbrennungsraum gemeint ist. Die Beklagte behauptet jedenfalls nicht einmal, dass sie gegenüber dem KBA im Rahmen der Beantragung der Typgenehmigung auch weitere Einzelheiten angegeben hat, etwa, dass beim streitgegenständlichen Fahrzeugtyp die Rate der Abgasrückführung schon bei bzw. unter 14 °C sowie bei 9° C betriebspunktabhängig um bis zu 40 % niedriger ist als bei höheren Temperaturen und welche Auswirkungen dies auf den NOx-Ausstoß hat. Dabei ordnete schon seinerzeit Art. 3 Abs. 9 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 692/2008 an, dass die Hersteller bei der Beantragung der Typgenehmigung der Genehmigungsbehörde nicht nur belegen müssen, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei –7 °C innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht, sondern darüber hinaus auch Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems (AGR) machen müssen, „einschließlich ihres Funktionierens bei niedrigen Temperaturen“, wobei diese Angaben „auch eine Beschreibung etwaiger Auswirkungen auf die Emissionen“ umfassen müssen. Dass die Beklagte diesen Erfordernissen im Typgenehmigungsverfahren nachgekommen ist, hat sie weder dargetan noch belegt, so dass auch nicht ersichtlich ist, dass das KBA in die Lage versetzt wurde, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug umfassend zu prüfen.

iii) Dies gilt umso mehr als das Gericht im Rahmen der Erörterung des Sach- und Streitstands während der ersten mündlichen Verhandlung vom 19.02.2019 auch noch erläutert hat, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit hinsichtlich der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters wohl dann entfalle, wenn dieses dem KBA gegenüber im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens vollständig, d.h. unter Nennung sämtlicher Details und Parameter, offengelegt worden wäre. Trotz dieser Erläuterung und trotz diesbezüglichen Hinweises im Beschluss vom 12.03.2019 (Bl. 288 ff. d.A.) hat die Beklagte hierzu nicht näher vorgetragen, was den Schluss nahelegt, dass die Reduzierung der AGR-Rate ab einer Ladeluft-/Außentemperatur von 14° C dem KBA gegenüber im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens gerade nicht angezeigt wurde, was überdies – wie gezeigt – auch von der Beklagten nicht behauptetet wird.

cc) Die Verwerflichkeit des Handelns ergibt sich des Weiteren aus den resultierenden Folgen: Hier droht zum einen den Käufern erheblicher Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs oder durch Anordnung nachträglicher Nebenbestimmungen (§ 25 Abs. 2 und 3 EG-FGV). Eine solche nachträgliche Nebenbestimmung wurde vom KBA gegenüber der Beklagten – wenn auch bislang nicht rechtskräftig – angeordnet. Auch ein von der Beklagten angebotenes Software-Update stellt allein ein Angebot der Schadenswiedergutmachung dar und ist für die jeweiligen Käufer einerseits mit erheblichen Unannehmlichkeiten sowie Unsicherheiten über die Auswirkungen eines entsprechenden Software-Updates verbunden.

dd) Überdies hat die Beklagte durch die Ausstattung einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen mit dieser Abschalteinrichtung eine erhebliche Beeinträchtigung der Umwelt über die zugelassenen Emissionen hinaus in Kauf genommen (OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

ee) Schließlich liegt im vorliegenden Fall eine vorsätzliche Täuschung vor (hierzu unten), mit dem Ziel, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung der Kunden hohe Absatzzahlen zu erreichen. Allein dieser Umstand rechtfertigte es schon, Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB zu bejahen (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 17).

e. Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte sind zu bejahen (vgl. OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss v. 5.3.2019 – 13 U 142/18 zum sog. VW-Abgasskandal). Die Beklagte hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten, deren Wissen als zugestanden anzusehen ist, zurechnen lassen.

aa) In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten sittenwidrig erscheinen lassen, voraus.

i) Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Er enthält ein Wissens- und Wollenselement: Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Dabei setzt § 826 BGB keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus. Es genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei dieser nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Schaden im Sinne des § 826 BGB nicht nur in der Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter liegt, sondern vielmehr jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage genügt, einschließlich der sittenwidrigen Belastung fremden Vermögens mit einem Verlustrisiko (st. Rspr., BGH, Urteil vom 13.09.2004 – II ZR 276/02, juris Rn. 38; Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 402/02, juris Rn. 47).

Im Rahmen des § 826 BGB kann sich im Einzelfall aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Dies kann insbesondere dann naheliegen, wenn der Schädiger sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des Rechtsguts durchgeführt hat und es dem Zufall überlässt, ob sich die erkannte Gefahr verwirklicht. Stets ist aber eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände erforderlich (BGH, Urteil vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11, juris Rn. 33; Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 309/10, juris Rn. 11).

Für den getrennt davon erforderlichen subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (BGH, Urteil vom 13.09.2004 – II ZR 276/02, juris Rn. 36).

ii) Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus weit auszulegen: „Verfassungsmäßig berufene Vertreter“ sind danach auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (sogenannte Repräsentantenhaftung, st. Rspr. BGH, Urteil vom 05.03.1998 – III ZR 183/96, juris Rn. 18; Urteil vom 30.10.1967 – VII ZR 82/65, juris Rn. 11; auch in der neueren Rechtsprechung zu § 826 BGB verweist der Bundesgerichtshof ausdrücklich unter Bezugnahme auf das Urteil vom 30.10.1967 auf die weite Auslegung des Begriffs „verfassungsmäßig berufener Vertreter“, vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 541/15, juris Rn. 14; Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 13; OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

bb) Bei der Beklagten haben die dargestellten subjektiven Voraussetzungen für eine Haftung nach § 826 BGB vorgelegen. Die Beklagte hat mit Schädigungsvorsatz gehandelt und kannte die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände.

Aufgrund des maßgeblichen Sach- und Streitstands ist davon auszugehen, dass die Installation der Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware mit Wissen und Wollen eines oder mehrerer Mitglieder des Vorstands der Beklagten oder eines oder mehrerer Repräsentanten erfolgte und somit der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen ist. Ebenfalls ist davon auszugehen, dass diese Mitglieder des Vorstands oder der oder die Repräsentanten auch in der Vorstellung handelten, dass die so ausgestatteten Motoren in Fahrzeugen der Beklagten eingebaut und für diese unter Täuschung der zuständigen Behörde die EG-Typgenehmigung beantragt würde, obwohl die materiellen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, und die Fahrzeuge sodann veräußert werden würden.

Zwar hat insoweit grundsätzlich der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der Haftungsnorm. Hier trifft die Beklagte allerdings nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hinsichtlich der unternehmensinternen Entscheidungsprozesse eine sekundäre Darlegungslast.

i) Eine sekundäre Darlegungslast besteht nämlich dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner zumutbar nähere Angaben machen kann (vgl. BGH, 07.12.1998 – II ZR 266/97; BGH, 24.10.2014 – V ZR 45/13; vgl. auch OLG Karlsruhe, 05.03.2019 – 13 U 142/18 zum „VW-Abgasskandal“).

ii) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger kann nicht näher dazu vortragen, in welcher Organisationseinheit der Beklagten die unzulässige Abschalteinrichtung entwickelt, verwendet, verbaut worden ist, wer die Entscheidung dazu getroffen und wie die Entscheidung wann und an wen kommuniziert worden ist.

Unstreitig hingegen haben Mitarbeiter der Beklagten die streitgegenständliche Software in Kenntnis deren Funktionsweise in die Motorsteuerung der streitgegenständlichen Motorenreihe, die in Dieselfahrzeugen zum Einsatz kommen sollten, integriert. Die Funktionsweise widersprach jedoch dem Zweck des Verbots der Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007.

Angesichts der Tragweite der Entscheidung über die riskante Gestaltung der Motorsteuerungssoftware, welche flächendeckend in vielen hunderttausend (oder Millionen) Fahrzeugen eingesetzt werden sollte, erscheint es fernliegend, dass die Entscheidung für eine greifbar rechtswidrige Software ohne Einbindung des Vorstands erfolgt und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte. Es handelt sich der Sache nach um eine Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den gesamten Konzern und auch massiven persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen, dem bei den untergeordneten Konstrukteuren kein in Anbetracht der arbeits- und strafrechtlichen Risiken annähernd adäquater wirtschaftlicher Vorteil gegenübersteht (vgl. OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18 zum „VW-Abgasskandal“).

Wer die Zustimmung zur Entwicklung und zum Einsatz einer Software in der Motorsteuerung für Millionen von Neufahrzeugen erteilt, muss eine wichtige Funktion in einem Unternehmen haben und mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet sein. Soweit es sich dabei nicht um einen Vorstand handelt, spricht im Hinblick auf das Gewicht der Entscheidung zumindest eine starke tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um einen Repräsentanten nach § 31 BGB i.S.d. höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt, weil er Entscheidungen trifft, die üblicherweise der Unternehmensführung vorbehalten sind.

iii) Folge der sekundären Darlegungslast ist zum einen, dass der Anspruchsgegner sich nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen kann, sondern die tatsächliche Vermutung in zumutbarem Umfang durch substantiierten Gegenvortrag erschüttern muss. Genügt er dem nicht, gilt der Vortrag der Klagepartei als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Zum anderen reduzieren sich bereits die Anforderungen an die Substantiierung der primären Darlegungen des Anspruchstellers auf die allgemeine Behauptung der maßgebenden Tatbestandsmerkmale. Würde man hingegen wie die Beklagte eine präzise Benennung der handelnden Personen fordern, liefen die Grundsätze der sekundären Darlegungslast regelmäßig leer. Denn zur sekundären Darlegungslast kann man nur gelangen, wenn der Anspruchsteller in der Lage ist, der ihn treffenden primären Darlegungslast zu genügen. Nach der Rechtsprechung finden die Grundsätze der sekundären Darlegungslast allerdings gerade dann Anwendung, wenn der Anspruchsteller außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und er die entscheidungserheblichen Tatsachen deshalb gerade nicht kennen kann (OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss, 05.03.2019 – 13 U 142/18, m.w.N.)

iv) Die Klägerseite hat nach diesem Maßstab hinreichend substantiiert vorgetragen (1), die Beklagte aber nicht wirksam sekundär vorgetragen (2).

(1) Die Klägerin hat schlüssig vorgetragen, dass der Vorstand oder jedenfalls Teile des Vorstands der Beklagten oder Repräsentanten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung, die zu gesetzwidrigen EG-Bescheinigungen geführt hat, gehabt haben. Die Klägerin führt aus, der Motor und die Motorsteuerung seien wesentliche Elemente im Rahmen der Entwicklung eines Kraftfahrzeugs, wobei hier auch ein besonderes Augenmerk auf das Abgasverhalten und damit den Schadstoffausstoß gelegt werde. Dass der Vorstand oder sonstige maßgebliche Organe in diesen Prozess nicht einbezogen worden wären, sei schwer vorstellbar. Zudem müsse es denknotwendig einen oder höchstwahrscheinlich sogar mehrere Mitarbeiter (Entwicklungsingenieure) bei der Beklagten gegeben haben, die von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hätten. Ihnen habe klar sein müssen, dass der von ihnen entwickelte Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe.

Dieser Vortrag erfolgt auch nicht ohne greifbare Anhaltspunkte ins Blaue hinein, sondern ist angesichts der feststehenden Umstände durch eine tatsächliche Vermutung gedeckt.

(2) Die Beklagte ist der sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen, weshalb der Vortrag der Klägerseite als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO.

Vorliegend ist schon zweifelhaft, ob die Beklagte überhaupt bestreitet, dass der Vorstand der Beklagten Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung hatte, eine entsprechende Schädigung der Kunden billigend in Kauf nahm und die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände kannte.

Die Beklagte behauptet nämlich lediglich schlicht, der Vorstand der Beklagten habe zu dem Zeitpunkt, als das streitgegenständliche Fahrzeug ausgeliefert worden sei, nicht gewusst, dass die Programmierelemente, die das KBA im Zuge von nachträglichen Nebenbestimmungen nun rüge, derart ausgestaltet waren, dass sie das KBA zu einer Maßnahme veranlassen konnten. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten hat das KBA jedoch nicht eine Abschalteinrichtung in Form des oben dargelegten Thermofensters beanstandet, sondern Details des SCR-Systems. Dass der Vorstand demnach keine Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters hatte, bestreitet die Beklagte demnach schon nicht ausdrücklich. Das Gericht hat zugunsten der Beklagten gerade noch angenommen, dass der entsprechende Tatsachenvortrag der Klägerin zumindest den Umständen nach bestritten sein könnte und entsprechende Tatsachenbehauptung der Klägerin noch als streitig angesehen.

Die Beklagte ist jedoch und jedenfalls der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.

Danach hat die Beklagte durch konkreten Tatsachenvortrag Umstände darzulegen, welche die für die Kenntnis des Vorstands sprechende tatsächliche Vermutung zu erschüttern vermögen. Dies umfasst vorliegend konkret die Benennung der Personen im Unternehmen, welche die Entwicklung der streitgegenständlichen Softwarefunktion beauftragt bzw. welche diese bei einem Zulieferer bestellt haben, sowie die Darstellung der üblichen Abläufe bei einer solchen Beauftragung sowie der Organisation von Entscheidungen solcher Tragweite. Soweit die Beklagte sich sodann auf einen Handlungsexzess eines untergeordneten Mitarbeiters berufen wollte, wären Umstände vorzutragen, die geeignet sind, einen solchen Ablauf ohne Kenntnis weiterer Mitarbeiter hinreichend wahrscheinlich erscheinen zu lassen, insbesondere auch im Hinblick auf die erforderlichen Entwicklungsarbeiten, um eine derartige Software so zu kalibrieren, dass sie der Typgenehmigungsbehörde nicht auffällt – was ersichtlich zunächst gelungen ist (OLG Karlsruhe, 05.03.2019 – 13 U 142/18).

Im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast obliegt es der Beklagten auch, in zumutbarem Umfang Nachforschungen anzustellen. Sollte es ihr nicht möglich oder zumutbar sein, eine abschließende Klärung herbeizuführen, genügt es nicht, über das Scheitern zu informieren, sondern sie hat vielmehr konkret mitzuteilen, welche Kenntnisse sie dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Dabei ist die Beklagte allein aus Compliance-Gesichtspunkten auch dazu verpflichtet, solche entsprechenden internen Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen. Indem sie etwaige bisherige interne Ermittlungsergebnisse unter Verschluss hält, verstößt die Beklagte gegen ihre sekundäre Darlegungslast, so dass das Gericht davon ausgeht, dass mindestens ein Mitglied des Vorstands bzw. ein verfassungsmäßig berufener Repräsentant i.S.d. § 31 BGB der Beklagten Kenntnis von der Entscheidung des serienmäßigen Einbaus der unzulässigen Abschalteinrichtung gehabt und dies gebilligt hat (ebenso: LG Köln, 18.07.2017 – 22 O 59/17; LG Hildesheim, 17.01.2017 – 3 O 139/16; LG Kleve, 31.03.2017 – 3 O 252/16; vgl. auch LG Stuttgart, 05.04.2018 – 7 O 28/17; LG Stuttgart, 30.10.2018 – 23 O 108/18, jeweils zum “VW-Abgasskandal”).

cc) Für einen etwaigen den Vorsatz ausschließenden Rechtsirrtum ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BGH, Urteil v. 16.06.1977 – III ZR 179/75 –, BGHZ 69, 128, Rn. 55 bei juris). Hierbei trägt die Beklagte weder vor, ob (was für einen Weltkonzern vom Format der Beklagten mehr als naheliegt) und ggf. wie und mit welchen Ergebnissen sie seinerzeit die Rechtslage geprüft hat, ob hierbei unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten erwogen, rechtliche Risiken gesehen oder rechtliche Zweifelsfragen abgeklärt wurden, ob von Mitarbeitern oder Dritten gegenüber der Beklagten Bedenken geäußert wurden, und was sie zu der Annahme veranlasst haben will, dass die konkrete Steuerung und Ausgestaltung der Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp keine typengenehmigungsrechtlichen Probleme aufwerfe. Allein der Umstand, dass die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung von allen Herstellern angewandt worden sein soll und das KBA sich offenbar (entgegen Art. 3 Abs. 9 VO 692/2008/EG) mit der bloßen Angabe, dass die AGR-Rate durch den Parameter Lufttemperatur gesteuert werde, zufriedengab, begründet für das Gericht längst nicht die Überzeugung, dass die Beklagte seinerzeit sowohl auf die Rechtmäßigkeit der (im Einzelnen gegenüber dem KBA nicht einmal offengelegten) Abschalteinrichtung vertraute als auch darauf, dass die von ihr im hiesigen Rechtsstreit vertretene Rechtsauffassung von behördlicher Seite – und auch von Seiten der Europäischen Kommission, die ggf. Mittel und Wege gehabt hätte, die Behörden der Mitgliedstaten zum Handeln zu veranlassen (vgl. insbesondere Art. 3 Abs. 9 Satz 6 VO 692/2008/EG, wonach die Genehmigungsbehörde auf Verlangen der Kommission Angaben zur Leistung der NOx-Nachbehandlungseinrichtungen und des AGR-Systems bei niedrigen Temperaturen vorlegt) – geteilt würde.

f. Gemäß §§ 826, 249 BGB kann die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. 25.254,37 € verlangen.

Die Klägerin ist nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Aufgrund der genannten Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass die EG-Typgenehmigung unter Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung erteilt wurde und daher die Stilllegung im Falle eines Widerrufs der Zulassung drohte. Hierfür spricht die allgemeine Lebenserfahrung, dass niemand unnötig derartig erhebliche Risiken eingeht, wenn ihr auf dem Markt vergleichbare Produkte ohne entsprechende Risiken angeboten werden.

Die Klägerin kann daher den von ihr zum Erwerb des Fahrzeugs gezahlten Kaufpreis i.H.v. 39.000,00 € von der Beklagten verlangen. Im Wege des Vorteilsausgleichs hat sie allerdings das erworbene Fahrzeug und die gezogenen Nutzungen herauszugeben (vgl. nur LG Stuttgart, 05.04.2018 – 7 O 28/17, LG Bochum, 29.12.2017 – I-6 O 96/17, LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16, LG Stuttgart, 30.10.2018 – 23 O 80/18, jeweils zum „VW-Abgasskandal“).

Unstreitig hat die Kläger das Fahrzeug als Gebrauchtwagen mit einer Kilometerlaufleistung von 93.000 km erworben. Die Kilometerlaufleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlung betrug unstreitig 148.335 km.

Der Nutzungsvorteil errechnet sich aus dem Bruttokaufpreis von 39.000,00 € (Anl. K 1, Bl. 55 d.A.) multipliziert mit der seit Vertragsschluss gefahrenen Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung von 55.335 km (148.335 km – 93.000 km) geteilt durch die vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung einschlägiger Vergleichswerte (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3574) geschätzte Restlaufleistung. Das Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO, dass ein Dieselfahrzeug des streitgegenständlichen Typs eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km hat, sodass eine Restlaufleistung von 157.000 km besteht. Dies bedeutet, dass die Klägerin insgesamt einen Nutzungsvorteil i.H.v. 13.745,63 € gezogen hat, der in Abzug zu bringen ist, sodass ein Anspruch i.H.v. 25.254,37 € besteht.

Da die Klägerin einen Anspruch i.H.v. 39.000,00 € geltend macht, war die Klage insoweit im Übrigen abzuweisen.

2. Der Klägerin steht überdies auch ein Anspruch aus §§ 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB zu (vgl. auch OLG Karlsruhe, 05.03.2019 – 13 U 142/18; LG Stuttgart, 17.01.2019 – 23 O 172/18 – juris; LG Stuttgart, 17.01.2019 – 23 O 178/18 – juris).

a. Selbst wenn man entgegen dem Vorstehenden davon ausgehen würde, dass weder ein Vorstand noch ein sonstiger Repräsentant i.S.v. § 31 BGB bei der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung im hier maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis hatte, dann würde die Beklagte dem Kläger gleichwohl in der vorgenannten Weise auf Schadensersatz haften. Denn die Entwicklung und Freigabe des Motors samt der unzulässigen Abschalteinrichtung für die Serienproduktion erfolgte bei der Beklagten letztlich auf der Arbeitsebene unterhalb der Repräsentanten. Es muss hier denknotwendig einen oder höchstwahrscheinlich sogar mehrere Mitarbeiter (Entwicklungsingenieure) bei der Beklagten gegeben haben, die von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung (“Thermofenster”) Kenntnis hatten. Diese Mitarbeiter sind Verrichtungsgehilfen der Beklagten i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB.

b. Sie haben die Klägerin gem. § 826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt (vgl. oben II. 1.), denn ihnen musste klar sein, dass der von ihnen entwickelte Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprach. Hierfür bedurfte es keiner komplizierten rechtlichen Prüfungen. Auch einem rechtlichen nicht weiter Vorgebildeten leuchtet unmittelbar ein, dass eine Abschalteinrichtung, die bei üblichen Umweltbedingungen (insbesondere bei regelmäßig auftretende Außentemperaturen, die nahezu das gesamte Jahr über in der EU herrschen) eingreift und zu einer deutlichen Reduktion der Abgasrückführung führt und weit über die gesetzlichen Grenzwerte hinausgehende Abgasemissionen bedingt, der gesetzlichen Regelung der EG-VO 715/2007 zuwiderläuft.

c. Den Entwicklungsingenieuren war auch klar, dass der Motor samt der unzulässigen Abschalteinrichtung mit Beginn der Serienfertigung in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung Verwendung finden würde. Damit nahmen sie auch eine Schädigung der jeweiligen Fahrzeugerwerber billigend in Kauf, da ihnen klar war, dass bei Aufdeckung der Manipulation mit behördlichen Maßnahmen zu rechnen war. Dies genügt für den erforderlichen Schädigungsvorsatz (vgl. nur Palandt/Sprau, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 11). Das Handeln der Entwicklungsingenieure als bewusstes Täuschungsverhalten (Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung) genügt schon an sich für das Vorliegen der Sittenwidrigkeit (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 20; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. 2017, Rn. 1898d). Vorliegend treten jedoch, wie oben bereits ausgeführt noch weitere Umstände hinzu, die bei einer Gesamtwürdigung in jedem Fall zur Sittenwidrigkeit führen.

d. Den nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB zulässigen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt.

e. Nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB steht damit der Klägerin (ebenfalls) der zuerkannte Schadensersatzanspruch zu.

3. Letztlich wäre hinsichtlich der Frage, wer wann Kenntnis von der Entwicklung und dem Vertrieb des streitgegenständlichen Motors mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung hatte, sogar eine Wahlfeststellung möglich und auch im Zivilrecht zulässig (BGH, Urteil vom 23. Juni 1987 – VI ZR 188/86, juris, Rn. 12; OLG Karlsruhe, 05.03.2019 – 13 U 142/18): Zumindest entweder Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, sonstige Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB oder einfache Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB hatten die Kenntnis und damit letztlich den Schädigungsvorsatz gem. § 826 BGB. Die Beklagte würde daher in jedem Fall auf Schadensersatz haften, wobei offen bleiben könnte, bei wem genau die Kenntnis vorlag. Für den vorliegenden Fall kommt es darauf allerdings nicht an, da wie dargelegt die Kenntnis der Vorstände als zugestanden gilt und außerdem auch von einer Kenntnis von Verrichtungsgehilfen auszugehen ist.

4. Der Zinsausspruch im Klageantrag Ziff. 1 folgt aus §§ 288, 291 BGB.

II.

Der Klageantrag Ziff. 2 ist teilweise begründet und war im Übrigen abzuweisen.

Der Kläger hat gemäß § 826 bzw. § 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.358,86 €.

Der Schadensersatzanspruch nach § 826 bzw. 831 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB erfasst auch die erforderlichen Kosten einer Rechtsverfolgung. Hierbei hat das Gericht einen Gegenstandswert in Höhe der zugesprochenen Klageforderung (25.254,37 €) zugrunde gelegt und eine 1,3-fache Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer angesetzt.

Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen auf beiden Seiten ganz überwiegend um Textbausteine handelt, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt. Die Sach- und Rechtslage ist weder umfangreich noch schwierig i.S.d. Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG.

III.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 03.05.2019 (Bl. 314 ff. d.A.) gab keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 1, 2 ZPO.

V.

Den Parteien, insbesondere der Beklagten, wird anheimgestellt, zur raschen höchstrichterlichen Klärung eine Sprungrevision gem. § 566 ZPO beim BGH zu beantragen.

Beide Parteien haben – wie auch üblicherweise sämtliche Instanzgerichte – nach eigenem und wiederholten Bekunden ein hohes Interesse an einer sehr schnellen höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfragen, unter anderem Voraussetzungen und Auslegung von Art. 5 Abs. 2 VO EG 715/2007 (Abschalteinrichtung), zu § 826 BGB und zur sekundären Darlegungslast in den sog. „Abgasfällen“. Das Gericht geht davon aus, dass das in sämtlichen „Abgasfällen“ von den Parteien, insbesondere von den beklagten Automobilunternehmen, meist mündlich vorgetragene Interesse an einer raschen höchstrichterlichen Klärung nicht nur leichtfertig vorgegeben wird.

An einer Zulassung der Sprungrevision gem. § 566 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 ZPO dürften keine Zweifel bestehen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und zudem die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch das Revisionsgericht erfordert, nachdem gerichtsbekannt Zehntausende Rechtsstreite in sog. „Abgasfällen“ gegen verschiedene Automobilkonzerne rechtshängig sind.