Die Klägerin trug vor, das bei einem Unfall beschädigte Fahrzeug stehe in ihrem Eigentum und sei zum Unfallzeitpunkt durch einen Zeugen gefahren worden, während die Beklagten die Eigentümerstellung der Klägerin bestritten. Das OLG München stellt dazu fest, dass die Klägerin sich zum Unfallzeitpunkt nicht im unmittelbaren Besitz des Fahrzeugs gewesen ist. Die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB gelte bei mehrstufigem Besitz für den höchststufigen mittelbaren Besitzer. Allerdings müsse der mittelbare Besitz an der Sache bewiesen werden, insbesondere als das Bestehen eines Besitzmittlungsverhältnisses. Hierzu sei substantiiert vorzutragen; die bloße Behauptung eines solchen Verhältnisses genüge nicht.

OLG München, Urteil vom 21.09.2018 – 10 U 1502/18

1. Die Berufung der Klägerin vom 02.05.2018 gegen das Endurteil des LG München I vom 05.04.2018 (Az.: 19 O 2320/17) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Ansprüche auf Ersatz von materiellen Schäden aus einem Verkehrsunfall vom 04.08.2016 auf der W. Landstraße in M. auf Höhe der Hausnummer 255 von insgesamt 19.667,84 € (Reparaturkosten netto 10.859,16 €, Wertminderung 5.000,– €, SV-Kosten 1.508,68 €, Nutzungsausfallentschädigung für 13 Tage je 175,00 € = 2.275,00 €, Unkostenpauschale 25,– €) geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 05.04.2018 (Bl. 78/82 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO). Das LG München I hat nach Beweisaufnahme die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen.

Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses der Klägerin am 10.04.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem beim Oberlandesgericht München am 04.05.2018 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 97/98 d.A.) und diese mit einem beim Oberlandesgericht München am 17.05.2018 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 104/108 d.A.) begründet.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 30.06.2018 (Bl. 116/119 d. A.), auf die weiteren Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 21.09.2018 (Bl. 126/131 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Schadenersatz aus §§ 7 I, 17 StVG, 823 BGB i. Verb. m. § 115 I 1 Nr. 1 VVG aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis vom 04.08.2016 in München verneint. Das Erstgericht hat zu Recht die Aktivlegitimation der Klägerin verneint, da auch nach Überzeugung des Senats weder das Eigentum noch der mittelbare Besitz der Klägerin an dem streitgegenständlichen Pkw feststehen. Die Ansprüche, welche die Klägerin geltend macht, setzen ihre Rechtsstellung als Eigentümerin voraus (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 823 Rd. 13).

1. Die Klägerin hat das behauptete Eigentum nicht durch Urkunden nachgewiesen. Bereits in seinem Hinweis vom 07.06.2018 (vgl. Bl. 111 f. d.A.) hat der Senat auf die Ungereimtheiten in Zusammenhang mit dem Besitz- und Eigentumserwerb hingewiesen. Bei der Anlage K 6 handelt es sich um eine auf einen Herrn I. (und nicht auf eine Frau I.) adressierte unvollständige Gebrauchtwagenrechnung. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die beiden vorgelegten Kopien mit S. 2 und S. 3 bezeichnet sind und ersichtlich die S. 1 fehlt. Im Übrigen liegt dies schon deswegen auf der Hand, weil die beiden Seiten keinerlei konkrete Fahrzeugbezeichnung enthalten. Auch die Anlage K 7 ist unvollständig kopiert worden, und wurde ungeachtet des Hinweises des Senates auch nicht während des Berufungsverfahrens beigebracht. Trotz des Hinweises des Senats auf die Gerichtssprache nach § 184 GVG wurde auch eine Übersetzung in Deutsch nicht vorgelegt. Gleiches gilt auch für die in der Berufung vorgelegte Anlage K 10. Bezüglich der Anlage K 8 ist die Identität des Fahrzeugs schon im Hinblick auf die Farbe des Fahrzeugs völlig unklar. Es stehen letztlich mehrere Farben des Pkws zu Diskussion. Die vom Ersturteil hierzu vorgenommenen ausführlichen Erwägungen (vgl. EU S. 4 = Bl. 81 d.A.) werden vom Senat vollumfänglich geteilt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu auf das Ersturteil Bezug genommen. Im Schriftsatz vom 22.05.2018 (vgl. Bl. 108 d.A.) kündigte die Klägerin daraufhin an, die relevanten Unterlagen, vor allem Fahrzeugschein, Fahrzeugbrief und Kaufvertrag im Original vorzulegen. Die von der Klägerin im Termin vom 21.09.2018 vor dem Senat übergebenen Unterlagen können hierzu nicht herangezogen werden, da auf Nachfrage des Senats der Klägervertreter erklärte, dass die heute übergebenen Unterlagen keinen neuen Sachvortrag der Klägerin darstellen (vgl. Protokoll S. 3 = Bl. 128 d.A.). Es handelte sich weder um Originale noch waren diese übersetzt, so dass hierin eine Eigentümerstellung der Klägerin nicht abgeleitet werden kann.

2. Zugunsten der Klägerin greift auch die Eigentumsvermutung des § 1006 I 1, III BGB nicht ein.

Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin wurde das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht von ihr selbst, sondern vom Zeugen G. gefahren. Damit war die Klägerin unstreitig zum Unfallzeitpunkt nicht im unmittelbaren Besitz des Pkws.

Bei mehrstufigem Besitz gilt die Eigentumsvermutung nach § 1006 I 1, III BGB nur für den höchststufigen mittelbaren Besitzer (vgl. BGH WM 1977, 1090,1091). Allerdings muss derjenige, welcher die Vermutung für sich in Anspruch nimmt, die Vermutungsbasis, d.h. den mittelbaren Besitz an der Sache, beweisen. Insbesondere obliegt dem mittelbaren Besitzer der Beweis, dass zu dem unmittelbaren Besitzer, d.h. vorliegend zum Zeugen G., ein Besitzmittlungsverhältnis besteht, wobei die bloße Behauptung eines solchen Verhältnisses nicht genügt (vgl. Münch-Komm, BGB, 7. Aufl., § 1006, Rz. 21; Staudinger/Gursky (2012), BGB, § 1006 Rz. 22; Baumgärtl/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., § 1006 Rz. 41). Diesen Beweis hat die Klägerin nicht geführt.

a) Auf das Bestreiten der Aktivlegitimation hat die Klägerin in der Replik vom 23.05.2017 (Bl. 22 d.A.) lediglich ausgeführt:

„Die Klägerin ist Eigentümerin und Halterin des Fahrzeugs mit dem zum Unfallzeitpunkt amtlichen Kennzeichen … Das Fahrzeug ist zwischenzeitlich in Rumänien zugelassen. Kurz vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis wurde das Fahrzeug bei BMW erworben und war zum Unfallzeitpunkt noch auf die BMW AG zugelassen.“

Zum Beweis hierfür bot die Klägerin ihre Einvernahme als Partei an. Außerdem verwies sie auf die vorgelegten Anlagen K 6 (Kaufvertrag), K 7 (Kfz-Schein aus Rumänien) sowie Anlage K 8 (Fahrzeugbrief).

Es fehlt daher jeglicher substantiierte Vortrag zur Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses (die Unterlagen sind aus den oben genannten Gründen nicht verwertbar). In ihrer Rüge zur unterbliebenen Parteieinvernahme seitens des Erstgerichts trägt die Klägerin im Berufungsverfahren lediglich vor:

„Insoweit hätte bei zutreffender Vorgehensweise des Erstgerichts die Klägerin als Partei einvernehmen müssen bzw. informatorisch anhören müssen und ihr damit Gelegenheit geben müssen, zu den Einzelheiten des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorzutragen. Die Klägerin hätte in diesem Zusammenhang die Möglichkeit gehabt, vorzutragen, wie es zum Erwerb des Fahrzeugs gekommen ist, warum sie hiermit den Zeugen G. beauftragt hat, welchen Geldbetrag sie ihm ausgehändigt hat.“

Die Klägerin übersieht, dass es sich hierbei um einen unzulässigen Beweisermittlungsantrag handelt, weil dieser nur neue Informationen oder Beweise ausforschen soll (vgl. BVerfG NJW 2003, 2976; BGH NJW 2001, 2328; BGH NJW 2008, 2994). Zudem wird nach § 129 ZPO die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet. Es wäre daher an der Klägerin gelegen, die in der Berufungsbegründung genannten Umstände gerade zu dem Besitzmittlungsverhältnis schriftsätzlich vorzutragen, anstatt darauf zu verweisen, dass der Klägerin die Möglichkeit einzuräumen gewesen wäre, diese bislang noch nicht näher dargelegten Umstände im Rahmen einer Parteieinvernahme vorzutragen. Der Senat hat in seinem Terminhinweis vom 07.06.2018 die Klägerin hierauf hingewiesen, ohne dass eine Ergänzung des bisherigen Vorbringens erfolgt wäre.

Ein Verfahrensfehler des Landgerichts durch die unterbliebene Parteianhörung liegt deshalb nicht vor. Eine Parteieinvernahme der Klägerin nach § 448 ZPO kommt ebenso nicht in Betracht, da eine Zustimmung der Beklagten nicht vorliegt und im Übrigen die Voraussetzungen des § 448 ZPO nicht vorliegen. Diese setzt nämlich voraus, dass für die Darstellung der Partei eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (BGH VersR 76, 587, 588 mwN.; 80, 229), dass insoweit schon ein gewisser “Anbeweis” geliefert ist, sei es auch ohne Beweisaufnahme aufgrund der Lebenserfahrung. Nur dann kann sich der Tatrichter im Rahmen der vorab anzustellenden Prognose über die Glaubwürdigkeit der Partei und die Glaubhaftigkeit ihrer erwarteten Aussage einen Überzeugungswert von der Parteivernehmung versprechen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 448 Rz. 4 mwN). Ein derartiger Anbeweis liegt hier gerade nicht vor. In keiner Weise hat die Klägerin, weder erstinstanzlich noch im Berufungsverfahren, die notwendigen Details zu dem Besitzmittlungsverhältnis mit dem Zeugen G. vorgetragen.

b) Vor dem Erstgericht hat der einvernommene Zeuge G. ergänzende Angaben zum Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemacht (vgl. S. 3 des Protokoll vom 13.07.2018 = Bl. 52 d.A.). Daraufhin hat die Beklagte zu 2) in ihrer Stellungnahme zur Beweisaufnahme hierzu Stellung genommen und erneut substantiiert die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten (vgl. Bl. 61 – 62 d.A.).

Die Ausführungen des Zeugen G. hielt das Erstgericht für nicht glaubhaft (vgl. S. 4 des Ersturteils). Der Senat ist aber nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen wurden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche, vgl. BGH VersR 2005, 945; Senat, Urt. v. 9.10.2009 – 10 U 2965/09 [juris] und v. 21.6.2013 – 10 U 1206/13). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]; Senat, a.a.O. ); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, a.a.O. ; Senat, a.a.O. ). Ein solcher konkreter Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung ist von der Berufung nicht aufgezeigt worden. Das Erstgericht hat zutreffend das Beweismaß des § 286 I 1 ZPO zugrunde gelegt und die insoweit geltenden Regeln beachtet. Nach § 286 I 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine – ohnehin nicht erreichbare (vgl. BGH NJW 1998, 2969 [2971]; Senat NZV 2006, 261; NJW 2011, 396 [397]; KG NJW-RR 2010, 1113) – absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (grdl. BGHZ 53, 245 [256], VersR 2014, 632 f.; OLG Frankfurt a. M. zfs 2008, 264 [265]; Senat VersR 2004, 124; NZV 2006, 261; NJW 2011, 396 [397]; SP 2012, 111). Die Klägerin hat in ihrer Berufungsbegründung im Wesentlichen die nachvollziehbaren Ausführungen des Erstgerichts, wonach der Ankauf des Fahrzeugs nur als zweifelhaft bezeichnet werden kann (vgl. S. 4 des Ersturteils), nicht entkräftet. Jedenfalls lässt der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt nicht zu, ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen ihr und dem Zeugen G. anzunehmen.

c) Wie bereits im Hinweis des Senats vom 07.06.2018 ausgeführt, war bei dieser Sachlage entgegen der Ansicht der Klägerin in der Berufungsbegründung kein weiterer Hinweis des Erstgerichts nach § 139 I ZPO angezeigt. Im Übrigen hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung gerade nicht substantiiert darlegt, was sie nach einem erfolgten Hinweis vorgetragen hätte. Damit hat die Klägerin nicht die Voraussetzungen dargelegt, unter denen die Rechtsvermutungen nach § 1006 I 1, III BGB eingreifen, da sie bereits für die Vermutungsbasis, d.h. für das notwendige Besitzmittlungsverhältnis, beweisfällig geblieben ist.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.