Der Verteidiger des Betroffenen beantragte in der Hauptverhandlung die Inaugenscheinnahme der Messstelle. Das AG verurteilte den Betroffenen zu einer Geldbuße von 120 Euro und beschied den Beweisantrag erst nach der Urteilsverkündung. Das OLG Hamm erblickt hierin eine Gehörsverletzung. Durch das fehlende Auseinandersetzen des Gerichts mit dem Beweisantrag habe dieses dem Betroffenen die Möglichkeit genommen, sein Prozessverhalten auf die Ablehnung seines Beweisbegehrens durch das Gericht einzustellen. Mahnt der Verteidiger in seinem Schlussvortrag die Bescheidung des Beweisantrags nicht an, sei hierin nicht notwendig eine konkludente Rücknahme des Antrags zu sehen.

OLG Hamm, Beschluss vom 05.02.2019 – 4 RBs 37/19

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an das Amtsgericht Paderborn zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Gründe

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat in ihrer Antragsschrift vom 22.01.2019 Folgendes ausgeführt:

“I.

Das Amtsgericht Paderborn hat den Betroffenen durch Urteil vom 27.11.2018 (Bl. 57 ff. d.A.) wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 120,00 EUR verurteilt.

Gegen dieses in Anwesenheit des Verteidigers verkündete (Bl. 47 d.A.) und diesem am 07.12.2018 zugestellte (Bl. 61 d.A.) Urteil hat der Betroffene mit am 28.11.2018 bei dem Amtsgericht Paderborn eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde eingereicht (Bl. 53 d.A.), der mit am 07.01.2019 bei dem Amtsgericht Paderborn eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage begründet worden ist (Bl. 62 ff. d.A.).

II.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig gestellt und form- und fristgerecht begründet worden. Der Antrag erweist sich auch in der Sache als begründet.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, da der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt ist.

Der Betroffene hat die Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs zulässig in der Form des § 344 Abs. 2 StPO erhoben. Insbesondere hat der Betroffene auch dargelegt, welche weiteren Anträge und Stellungnahmen er in der Hauptverhandlung abgegeben hätte, soweit ein Beweisantrag in der prozessual erforderlichen Form vor Abschluss der Beweisaufnahme beschieden worden wäre.

Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch fehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags ist auch begründet. Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung vom 27.11.2018 (Bl. 47 ff. d.A.) hat das Amtsgericht den in der Hauptverhandlung durch den Verteidiger gestellten Beweisantrag auf Inaugenscheinnahme des Tatortes nicht vor dem Abschluss der Beweisaufnahme, sondern erst nach Verkündung des Urteils beschieden. Diese verspätete Entscheidung über einen unbedingt gestellten und nicht offensichtlich unzulässigen Beweisantrag verletzt das Verfahrensgrundrecht des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Da sich das Amtsgericht mit dem in dem Beweisantrag liegenden Verteidigungsvorbringen des Betroffenen nicht vor Abschluss der Beweisaufnahme auseinandergesetzt hat, hat das Gericht dem Betroffenen die Möglichkeit genommen, sein Prozessverhalten auf die Ablehnung seines Beweisbegehrens durch das Gericht einzustellen.

Es ist auch nicht auszuschließen, dass das Urteil auf der fehlerhaften Nichtbehandlung des Beweisantrages beruht, da nach dem Rügevorbringen der Betroffene im Falle der Zurückweisung des Beweisantrages in der Hauptverhandlung weiter vorgetragen und einen weiteren Beweisantrag auf Vernehmung des zweiten Messbeamten gestellt hätte.

Da nicht auszuschließen ist, dass bei Berücksichtigung des Vortrags des Betroffenen ergänzende Feststellungen getroffen werden, ist dem Senat eine eigene Entscheidung in der Sache gemäß § 79 Abs. 6 OWiG verwehrt.

Dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist daher stattzugeben und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Paderborn zurückzuverweisen.”

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und ergänzt, dass in dem Schlussantrag des Verteidigers, selbst wenn er in diesem die ausstehende Bescheidung des Beweisantrages nicht angemahnt hat, bei dem gegebenen Verfahrensgang keine hinreichend eindeutige konkludente Rücknahme des Beweisantrages (vgl. hierzu OLG Koblenz, Beschl. v. 15.11.1983 – 1 Ss 467/83 -juris LS) erblickt werden kann. Es ist ebenso gut möglich, dass die fehlende Bescheidung dem Verteidiger hier nicht mehr bewusst war oder sie ihm bewusst war, aber zur Schaffung eines Rechtsbeschwerdegrundes nicht an die Bescheidung erinnert hat.

Gründe für eine Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Paderborn, wie vom Betroffenen beantragt, sind nicht ersichtlich.