Das KG hatte über die Wirksamkeit der Beschränkung einer Berufung “auf das Strafmaß” zu befinden. Eine solche Erklärung sei so zu verstehen, dass die Sperrfrist gemäß § 69a StGB als Maßregel der Besserung und Sicherung von der Beschränkung umfasst ist, da sie keine Strafe im Rechtssinne darstelle. Dies sei nicht ausgeschlossen, setze aber voraus, dass die Gründe der Sperrfristanordnung nicht in untrennbarem inneren Zusammenhang mit der Hauptstrafe stehen. Dieser Zusammenhang liege bei den angenommenen charakterlichen Mängeln nahe; zudem habe das Amtsgericht in der Begründung von Anordnung und Dauer der Sperrfrist Bezug genommen auf Feststellungen zur Tat und den Strafzumessungserwägungen, so dass auf Grund des Zusammenhangs die Sperrfristanordnung nicht von der Berufung ausgenommen werden konnte.

KG, Beschluss vom 15.08.2018 – (3) 121 Ss 123/18 (18/18)

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. April 2018 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten, der noch nie über eine Fahrerlaubnis verfügte, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von 12 Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Auf die dagegen eingelegte, auf „das Strafmaß“ beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht das Urteil im Rechtsfolgenausspruch wie folgt abgeändert: „Der Angeklagte wird wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.“ Von der vom Amtsgericht festgesetzten Sperre hat das Berufungsgericht ausdrücklich abgesehen. Die Bewährungszeit hat es auf vier Jahre festgesetzt und den Angeklagten der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die unbeschränkt eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, welche die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat (vorläufig) Erfolg.

1. Zur Überprüfung steht der gesamte Rechtsfolgenausspruch. Die Entscheidung des Amtsgerichts über die Sperrfrist ist nicht rechtskräftig geworden, denn der Angeklagte konnte sie nicht wirksam von seiner Berufung ausnehmen.

a) Zwar hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger erklärt, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil auf „das Strafmaß“ zu beschränken. Die Sperrfrist ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung und keine Strafe im Rechtssinne, so dass bereits rechtstechnisch im Raum steht, dass der Verteidiger die Sperrfrist von der Berufung ausgenommen wissen wollte (vgl. Senat, Urteil vom 26. März 2018 – (3) 161 Ss 32/18 (1/18) -; OLG Jena OLGSt StPO § 327 Nr. 2). Dass der Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung gleichwohl einen Antrag zur Sperrfrist gestellt hat, würde eine zuvor wirksam erfolgte Beschränkung der Berufung nachträglich nicht beseitigen können.

b) Jedoch war der Angeklagte aus Rechtsgründen an einer solchen Beschränkung des Rechtsmittels gehindert. Zwar ist eine Beschränkung der Berufung auf den Strafausspruch unter Aufrechterhaltung der Sperrfrist nicht schlechterdings ausgeschlossen (vgl. BGH NStZ 1992, 586; Senat, Urteil vom 26. März 2018 a.a.O. sowie Beschluss vom 19. Oktober 2015 – 3 Ss 107/15 -; Paul in Karlsruher Kommentar, StPO 7. Aufl., § 318 Rn. 8a m.w.N.). Eine wirksame Beschränkung setzt aber voraus, dass die Gründe der Sperrfristanordnung selbstständig beurteilt werden können und nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit der Hauptstrafe stehen (vgl. BGH NJW 2001, 3134; Senat NZV 2002, 240 sowie Urteil vom 28. März 2018 und Beschluss vom 19. Oktober 2015 jeweils a.a.O.). Grundlage für die Beurteilung, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist grundsätzlich das angefochtene Urteil; andere, im Urteil nicht erwähnte Umstände bleiben bei der Beurteilung ohne Berücksichtigung (vgl. Senat, Urteil vom 28. März 2018 und Beschluss vom 19. Oktober 2015 jeweils a.a.O.; OLG Dresden NStZ-RR 2012, 289 zu § 47 Abs. 1 StGB).

c) Abgesehen davon, dass ein solcher Zusammenhang bei den hier ersichtlich angenommenen charakterlichen Mängeln naheliegt (und eine Beschränkung der Berufung nur auf das Strafmaß damit nach verbreiteter Ansicht schon deshalb ausscheidet [Streitstand vom OLG Frankfurt instruktiv dargestellt in NZV 2002, 382)), hat das Amtsgericht in seinem Urteil in der Begründung zur Sperrfristanordnung Bezug auf seine Feststellungen zur Tat und in der Begründung zur festgesetzten Sperrfristdauer Bezug auf seine Strafzumessungserwägungen genommen, so dass hier jedenfalls deshalb zwischen den Gründen der Sperrfristanordnung und der Festsetzung der Hauptstrafe ein untrennbarer Zusammenhang besteht.

2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung begründet hat, halten revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand.

a) Die Frage, ob zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB), hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller dafür bedeutsamen Umstände im Sinne einer Gesamtwürdigung zu entscheiden. Bei dieser Prognose steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. KG, Urteile vom 17. Januar 2018 – (5) 161 Ss 139/17 (66/17) -, 20. Januar 2017 – (5) 161 Ss 195/16 (55/16) – und 13. Dezember 2006 (5) 1 Ss 305/06 (49/06) – [juris]; Hubrach in Leipziger Kommentar, StGB 12. Aufl., § 56 Rn. 17 ff., 30 jeweils m.w.N.). Die Prognoseentscheidung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht grundsätzlich bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen und allein daraufhin zu prüfen, ob der Tatrichter Rechtsbegriffe verkannt oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, d. h. unzutreffende Maßstäbe angewandt, nahe liegende Umstände übersehen oder festgestellte Umstände falsch gewichtet hat (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2015 – (3) 161 Ss 195/15 (107/15) – [juris]; KG, Urteile vom 17. Januar 2018, 20. Januar 2017 und 13. Dezember 2006 jeweils a.a.O.; OLG Bamberg, Urteil vom 12. November 2013 – 3 Ss 106/13 – [juris]).

Der Tatrichter ist jedoch nach § 267 Abs. 3 Satz 4 1. Alt. StPO gehalten, die Bewilligung der Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil unter Darlegung der dafür maßgeblichen Erwägungen in einer den Anforderungen des sachlichen Rechts genügenden Weise zu begründen (vgl. Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 267 Rn. 107). Er hat darzulegen, dass er bei der Entscheidung über die Strafaussetzung die erforderliche Gesamtwürdigung vorgenommen und dabei alle wesentlichen – Rückschlüsse auf die künftige Straffreiheit des Angeklagten ohne eine Einwirkung des Strafvollzugs zulassenden – Umstände des Falls einbezogen hat (vgl. KG, Urteile vom 17. Januar 2018 und 20. Januar 2017 jeweils a.a.O., 13. April 2016 – (4) 161 Ss 31/16 (41/16) – sowie 13. Dezember 2006 a.a.O.; BayObLG, Urteil vom 25. Mai 2000 – 5 St RR 100/00 – [juris]). Eine Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ist nicht nur dann rechtsfehlerhaft, wenn das Tatgericht nicht alle von ihm festgestellten relevanten Umstände in die gebotene Gesamtwürdigung mit einbezogen hat, sondern bereits dann, wenn die Urteilsgründe lückenhaft sind, weil sie sich zu für die zukünftige Lebensgestaltung des Angeklagten maßgeblichen Prognosegesichtspunkten nicht verhalten (vgl. KG, Urteile vom 17. Januar 2018 und 20. Januar 2017 jeweils a.a.O. jeweils m.w.N. sowie 6. Januar 2016 – (4) 161 Ss 207/15 (178/15) -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. Januar 2008 – 1 Ss 19/07 – [juris]).

Bei einem schon mehrfach und dabei – wie vorliegend – auch wiederholt wegen einschlägiger Delikte vorbestraften Täter, der schon frühere Bewährungsfristen nicht bestanden oder die neue Tat während laufender Bewährung begangen hat – beides ist bei dem Angeklagten der Fall -, sind erhöhte Anforderungen an die Begründung einer dennoch bewilligten erneuten Strafaussetzung zur Bewährung zu stellen. Es sind die (besonderen) Umstände darzulegen, aus denen das Gericht trotz der mit dem Täter bisher gemachten negativen Erfahrungen die positive Erwartung herleitet. Denn der Täter hat durch seine neuerliche Straffälligkeit gezeigt, dass er nicht willens oder fähig ist, sich frühere Verurteilungen zur Warnung dienen zu lassen. Bei ihm kann daher in der Regel nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass er sich anders als in der Vergangenheit verhalten, sich also in Zukunft straffrei führen wird. Die vorbezeichneten Umstände müssen in den Urteilsgründen im Rahmen einer Gesamtwürdigung dargelegt werden, wobei eine Gegenüberstellung der bisherigen und der gegenwärtigen Lebensverhältnisse des Täters erforderlich ist und es einer eingehenden Auseinandersetzung mit den Vortaten und den Umständen, unter denen sie begangen wurden, bedarf (vgl. KG, Urteile vom 17. Januar 2018, 20. Januar 2017, 13. April 2016 und 13. Dezember 2006 jeweils a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen kann die angefochtene Aussetzungsentscheidung keinen Bestand haben.

b) Im Ansatz zunächst zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass es angesichts der Vorbelastungen des Angeklagten besonderer Umstände bedarf, um gleichwohl zu einer günstigen Prognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB zu gelangen. Jedoch ist die Darstellung der besonderen Umstände lückenhaft.

aa) Zwar hat das Landgericht die Delinquenzgeschichte des Angeklagten rechtsfehlerfrei als prognostisch ungünstigen Faktor berücksichtigt und seine Vortaten – insbesondere soweit es sich dabei um insgesamt 12 Fälle des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis handelt -, wegen derer er seit dem Jahre 2003 mehrfach zu Geld- und – teils unbedingten – Haftstrafen verurteilt worden ist, aufgeführt. Jedoch wäre es darüber hinaus erforderlich aber auch ausreichend gewesen, die der letzten, die zur hiesigen Tatzeit laufende Bewährung auslösende Verurteilung vom 18. April 2012 zugrunde liegenden Umstände darzustellen. Es fehlen insofern Feststellungen zu der konkreten Tatzeit, dem der Verurteilung zugrundeliegenden Lebenssachverhalt und den prognostisch bedeutsamen Begleitumständen. Insbesondere hätte es der Mitteilung seiner jeweiligen Lebensumstände bedurft, weil das Landgericht als einen wesentlichen Grund für die erneute Bewährungsentscheidung deren Änderung seit seinem Wegzug aus seinem früheren Fürstenwalder Umfeld, das jedoch nicht näher dargestellt wird, angesehen hat. Auch hat die Kammer erkennbar nicht bedacht, dass der Umzug des Angeklagten nach Berlin und die Aufnahme seines im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils unbefristet bestehenden Arbeitsverhältnisses zur Zeit der verfahrensgegenständlichen Tat bereits erfolgt waren.

bb) Dem Umstand, dass der Angeklagte seit der hiesigen Tat vom 11. Oktober 2015 nicht erneut verurteilt worden ist, kommt nur begrenzte Aussagekraft für die prognostische Beurteilung zu. Denn seine mehrjährige Delinquenzgeschichte lässt auch ohne detaillierte Feststellungen zu den Tatzeiten erkennen, dass es immer wieder straffreie Phasen gegeben haben muss. Dies war insbesondere vor der hiesigen Tat der Fall, denn im Zeitpunkt des landgerichtlichen Erkenntnisses lagen ausweislich der Urteilsgründe der Rechtskrafteintritt der letzten Vorverurteilung etwa fünf Jahre und die letzte dieser Vorverurteilung zugrunde liegende Tat mehr als sieben Jahre zurück.

c) Zwar hat die Strafkammer es nicht versäumt, sich mit der gebotenen Frage auseinanderzusetzen, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB). Jedoch halten auch die diesbezüglichen Ausführungen revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand.

Auch die Beurteilung dieser Frage ist in erster Linie Sache des Tatrichters; ihre ausdrückliche Erörterung in den Urteilsgründen ist aber unerlässlich, wenn Grundlage der Verurteilung ein Sachverhalt ist, der die Notwendigkeit der Strafvollstreckung zur Verteidigung der Rechtsordnung von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lässt (vgl. BGHSt 24, 40; BGH NStZ 1989, 527; Senat, Urteile vom 26. März 2018 a.a.O., 7. Januar 2015 – 3 Ss 82/14 und 7. Oktober 2014 – 3 Ss 105/14 -; LK-Hubrach a.a.O., § 56 Rn. 62). Ist dies der Fall, bedarf das Urteil einer spezifischen und sorgfältigen Gesamtwürdigung der tat- und täterbezogenen Umstände (vgl. BGHSt 14, 40; 24, 64). Zu erörtern ist, ob eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden schlechthin unverständlich erscheinen müsste und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und in den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen dadurch erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 24, 40). Dazu können auch erhebliches Fehlverhalten in der Vergangenheit und insbesondere einschlägige Vorstrafen Anlass geben (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 24). Um dem Revisionsgericht die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung zu ermöglichen, bedarf es auch insofern der eingehenden Auseinandersetzung mit den Vortaten und den Umständen, unter denen sie begangen wurden. Die diesbezüglichen Darstellungen im Urteil sind – wie unter 2.) b) im Einzelnen ausgeführt – lückenhaft.

Diese Darstellungsmängel begründen die Verletzung des sachlichen Rechts und nötigen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

3. Weil zwischen der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung und der (isolierten) Sperrfristanordnung nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB jedenfalls dann eine Wechselwirkung besteht, wenn – wie vorliegend – die Frage der charakterlichen Ungeeignetheit des Angeklagten zu prüfen ist (vgl. OLG Nürnberg NZV 2007, 642), und der Senat nicht ausschließen kann, dass die – die Bewährungsentscheidung betreffenden – lückenhaften Erwägungen auch Einfluss auf die Bestimmung der Freiheitsstrafe gehabt haben, hebt der Senat das angefochtene Urteil im gesamten Rechtsfolgenausspruch auf. Zwar ist der Schuldspruch durch die insoweit zulässige Berufungsbeschränkung rechtskräftig geworden, so dass das Urteil des Landgerichts – wie von der Staatsanwaltschaft beantragt – in Gänze aufzuheben ist. Dennoch hebt der Senat zur Klarstellung nur den Rechtsfolgenausspruch auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.