Die Betroffene wurde wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 120 € verurteilt. Die Erhöhung gegenüber der Regelgeldbuße von 85 € begründete das Amtsgericht damit, dass sich die Betroffene “völlig uneinsichtig gezeigt und darauf beharrt habe, sich vollkommen korrekt verhalten zu haben. Es sei ihr nicht zu vermitteln gewesen, dass sie sich falsch verhalten habe. Sie habe dem Unfallgegner erschwert, seine Ansprüche gegenüber ihr bzw. ihrer Haftpflichtversicherung durchzusetzen.” Das OLG Oldenburg beanstandete diese Erwägungen als rechtsfehlerhaft. Eine Erhöhung der Geldbuße wegen Uneinsichtigkeit komme in Betracht, wenn Anhaltspunkte bestünden, dass sich der Betroffene durch eine niedrige Geldbuße nicht hinreichend beeindrucken lasse, die Rechtsordnung künftig zu beachten. Bei Fahrlässigkeitsdelikten sei daher besondere Zurückhaltung bei der Erhöhung wegen Uneinsichtigkeit geboten.

Eine verfahrensrechtliche Besonderheit war, dass auf Grund der Höhe der Geldbuße eine Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgen musste. Das OLG führt dazu aus, in der Vergangenheit habe es bei vergleichbaren Rechtsfehlern von einer Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung abgesehen, wenn zu erwarten gewesen sei, dass das Amtsgericht die Hinweise in dem verwerfenden Beschluss des OLG zukünftig berücksichtigen werde; dies wird in der Praxis häufiger von Obergerichten so gehandhabt. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.10.2015 – 2 BvR 3071/14 – könne diese Praxis nicht mehr aufrecht erhalten werden. Dort hatte das BVerfG eine Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz in einem ähnlichen Fall festgestellt, da sich die Annahme des dortigen Oberlandesgerichts, es habe nur um ein Fehler des Erstgerichts im Einzelfall vorgelegen, welchen dieses Gericht nicht wiederholen werde, also bloße Vermutung erwies.

OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.11.2018 – 2 Ss (OWi) 286/18

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 20.7.2018 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Die Betroffene wird wegen der vom Amtsgericht Aurich im Urteil vom 20.7.2018 festgestellten Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 85 € verurteilt.

Die Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Jedoch wird die Gebühr um 1/4 ermäßigt. Die Landeskasse hat 1/4 der der Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht die Betroffene wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 120 € verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer vom Einzelrichter, soweit es den Rechtsfolgenausspruch betrifft, zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.

Das Amtsgericht hat die Regelgeldbuße erhöht. Es hat ausgeführt, dass die Betroffene sich völlig uneinsichtig gezeigt und darauf beharrt habe, sich vollkommen korrekt verhalten zu haben. Es sei ihr nicht zu vermitteln gewesen, dass sie sich falsch verhalten habe. Sie habe dem Unfallgegner erschwert, seine Ansprüche gegenüber ihr bzw. ihrer Haftpflichtversicherung durchzusetzen. Ein entsprechendes Nachtatverhalten sei bußgelderhöhend zu berücksichtigen.

Die Ausführungen des Amtsgerichtes widersprechen einhelliger Auffassung:

Uneinsichtigkeit des Betroffenen kann eine angemessene Erhöhung der Geldbuße nur dann rechtfertigen, wenn sie nach der Tat des Betroffenen und seiner Persönlichkeit darauf schließen lässt, dass er sich durch eine niedrige Geldbuße nicht hinreichend beeindrucken lassen wird, die Rechtsordnung künftig zu beachten (OLG Köln, VRS 81. Bd., 200; vgl. OLG Düsseldorf, VRS 78. Bd., 440; OLG Koblenz VRS 68. Bd., 223; Göhler, OWiG, 17. Aufl.-Gürtler, § 17 RN 26a m.w.N.).

Bei Fahrlässigkeitstaten im Straßenverkehr ist bei Würdigung des Verhaltens des Betroffenen vor Gericht besondere Zurückhaltung geboten, wenn auf Uneinsichtigkeit geschlossen werden soll (OLG Hamburg VRS 58. Bd., 52 OLG Koblenz a.a.O.)

Diesen Grundsätzen widersprechen die Ausführungen des Amtsgerichtes. Das Amtsgericht hat nicht festgestellt, dass hier, insbesondere vor dem Hintergrund einer fahrlässigen Begehungsweise, Umstände vorliegen, die Anlass zu der Annahme geben, die 83jährige Betroffene könne nur durch eine erhöhte Geldbuße von zukünftigen Zuwiderhandlungen abgehalten werden.

Das Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Auf die Inbegriffsrüge kommt es deshalb nicht an.

Gemäß § 79 Abs. 6 OWiG macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, in der Sache selbst zu entscheiden.

Die Regelgeldbuße für den hier vorliegenden Verkehrsverstoß beträgt gemäß Ziffer 39.1 BKatV 70 €, wobei der Tatbestand insoweit bereits eine Gefährdung umfasst. Enthält der Grundbestand jedoch eine Gefährdung, führt die Sachbeschädigung gemäß Tab. 4, Anhang zu § 3 Abs. 3 BatV, zu einer Erhöhung auf 85 €. In dieser Höhe war die Geldbuße auch von der Bußgeldbehörde festgesetzt worden.

Der Senat sieht keinen Anlass von dieser Regelgeldbuße abzuweichen und hält sie für die Verkehrsordnungswidrigkeit der Betroffenen für angemessen.

Der Senat hatte in der Vergangenheit in denjenigen Fällen, in denen zu erwarten war, dass das Amtsgericht die im Beschluss über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde erteilten Hinweise zukünftig berücksichtigen werde, von der Zulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen. An dieser Rechtsprechung sieht er sich jedoch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.10.2015 – 2 BvR 3071/14, BeckRs 2016, 40852 gehindert.

Dort hat das Bundesverfassungsgericht beanstandet, dass das Oberlandesgericht eine Rechtsbeschwerde nicht ohne weiteres mit der Begründung als unzulässig habe verwerfen dürfen, dass die Entscheidung auf einem Fehler im Einzelfall beruhe, sich das Gericht nicht bewusst über die obergerichtliche Rechtsprechung hinweggesetzt habe und den Fehler angesichts der Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht wiederholen werde. Da die Annahme des Oberlandesgerichts, es habe sich nur um einen Fehler im Einzelfall gehandelt, keine andere Grundlage als die Vermutung habe, dass sich das Gericht durch die Ausführungen des Oberlandesgerichts belehren lassen werden, werde der Zulassungsgrund der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung in einer Weise ausgelegt und angewendet, die jede Vorhersehbarkeit zunichtemache und die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde weitgehend leerlaufen lasse.

Der Senat konnte es deshalb nicht allein mit einem Hinweis auf die entgegenstehende Rechtsprechung bewenden lassen.

Da die Betroffene ihren Zulassungsantrag uneingeschränkt eingelegt, dieser aber nur im Hinblick auf die Geldbuße Erfolg hat, hält der Senat es für angemessen, die Gebühr lediglich um 1/4 zu ermäßigen und insoweit auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Landeskasse aufzuerlegen.

Die Kostenentscheidung folgt insoweit aus § 473 Abs. 4 StPO in Verbindung mit § 46 OWiG.