Der Verteidiger des Betroffenen beantragte durch Schriftsatz am 13.09.2017 um 7:30 Uhr, den Hauptverhandlungstermin am selben Tag um 8:40 Uhr aufzuheben, da der Betroffene bettlägerig erkrankt sei. Aus dem beiliegenden Attest ergab sich, dass der Betroffene an einem grippalen Infekt erkrankt sei. Als im Hauptverhandlungstermin niemand erschien, verwarf das AG den Einspruch des Betroffenen, da dieser unentschuldigt ausgeblieben sei. Am Folgetag hielt der Richter am Amtsgericht telefonisch Rücksprache mit dem Arzt des Betroffenen, welcher angab, dass dieser eine Erkältung gehabt habe, Bettruhe aber lediglich empfohlen worden sei. Der Betroffene sei reise- und verhandlungsfähig gewesen. Der Arzt selbst hätte nach eigenen Angaben in diesem Zustand einen 15 Minuten dauernden Gerichtstermin wahrgenommen.

Nach Ablehnung durch das AG gewährte das LG Nürnberg-Fürth dem Betroffenen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Ein Betroffener sei nicht nur entschuldigt, wenn ihm auf Grund einer Erkrankung die Wahrnehmung des Gerichtstermins nicht zugemutet werden kann, sondern auch, wenn er auf den Inhalt des Attests vertraut. Letzteres sei hier der Fall gewesen, da eine mehrtägige Bettlägerigkeit attestiert worden sei. Auch aus der Rücksprache des Richters mit dem Arzt folge nicht, dass das Attest falsch sei, sondern nur, dass der Arzt sich selbst in der Lage gesehen hätte, den Termin wahrzunehmen. Ob die Anreise und Teilnahme an der Hauptverhandlung dem Betroffenen zumutbar war, sei daher nicht mehr zu entscheiden.

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 12.03.2018 – 3 OWi Qs 62/17

I. Der Beschluss des Amtsgerichts Erlangen vom 17.10.2017 wird aufgehoben.

Dem Betroffenen wird auf seinen Antrag vom 02.10.2017 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung des Hauptverhandlungstermins beim Amtsgericht Erlangen am 13.09.2017 gewährt.

II. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Betroffene.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt Viechtach erließ am 31.05.2017 gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid wegen des Verdachts einer am 29.01.2017 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung. Hierin wurde eine Geldbuße von 240,00 EUR gegen den Betroffenen festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Verteidiger des Betroffenen fristgerecht Einspruch ein.

Mit Verfügung vom 19.07.2017 legte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth das Verfahren dem ‘ Amtsgericht Erlangen vor, welches zunächst Termin zur Hauptverhandlung auf den 06.09.2017, 08.50 Uhr bestimmte. Dieser Termin wurde nach Stellung eines Terminsverlegungsantrages durch den Verteidiger des Betroffenen auf den 13.09.2017, 8.40 Uhr verlegt. Die Ladung zu diesem Termin wurde dem Verteidiger des Betroffenen am 30.08.2017 zugestellt. Der Betroffene selbst wurde zu diesem Termin mit Postzustellungsurkunde, zugestellt am 29.08.2017, geladen. Die Ladung des Betroffenen enthielt auch die Belehrung gemäß § 74 Abs. 3 OWiG.

Mit Schriftsatz vom 13.09.2017, eingegangen beim Amtsgericht Erlangen am selben Tag um 7.30 Uhr, beantragte der Verteidiger des Betroffenen, den Hauptverhandlungstermin vom selben Tag aufzuheben, da der Betroffene bettlägerig erkrankt sei. Dem Schriftsatz beigefügt war ein ärztliches Attest des Dr. med. vom 13.09.2017 aufgrund Vorsprache des Betroffenen am selben Tag, Darin wurde dem Betroffenen ein grippaler Infekt attestiert, aufgrund dessen der Betroffene vom 11.09.2017 bis 14.09,2017 bettlägerig gewesen sei.

Zum Hauptverhandlungstermin am 13.09.2017 erschienen weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Der Richter am Amtsgericht Erlangen verwarf den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 31.05.2017 mit Urteil vom selben Tag gemäß § 74 Abs. 2 OWiG, da der Betroffene ohne Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden sei. Dieses Urteil wurde dem Verteidiger des Betroffenen am 29.09.2017 zugestellt.

Laut Vermerk des Richters am Amtsgericht habe ihm der das Attest ausstellende Arzt in einem Telefonat am 14.09.2017 mitgeteilt, er habe den Betroffenen am 13.09.2017 gegen 6.20 Uhr untersucht. Dieser habe eine Erkältung gehabt, Bettruhe sei ihm lediglich empfohlen und von ihm behauptet worden. Reise- und Verhandlungsfähigkeit sei gegeben gewesen. Der Arzt habe geäußert, er selbst hätte in diesem Zustand einen Gerichtstermin von ca. 15 Minuten wahrgenommen.

Mit Schriftsätzen vom 02.10.2017, eingegangen beim Amtsgericht Erlangen am selben Tag, legte der Verteidiger des Betroffenen Rechtsbeschwerde ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für den Betroffenen im Hinblick auf dessen Fernbleiben von der Hauptverhandlung. Zur Begründung führte der Verteidiger aus, der Betroffene habe den Hauptverhandlungstermin unverschuldet versäumt. Der Antrag auf Terminsaufhebung wegen Erkrankung des Betroffenen nebst ärztlichem Attest sei dem Gericht am Terminstag um 07.37 Uhr zugefaxt worden.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth beantragte am 10.10.2017, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verwerfen, da der Betroffene laut Auskunft seines Arztes reise- und verhandlungsfähig gewesen sei.

Mit Beschluss vom 17.10.2017 wies das Amtsgericht Erlangen den Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rücksprache des Richters am Amtsgericht mit dem behandelnden Arzt habe ergeben, dass der Betroffene reise- und verhandlungsfähig gewesen sei.

Gegen diesen, dem Verteidiger des Betroffenen am 26.10.2017 zugestellten Beschluss legte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 27.10.2017, eingegangen beim Amtsgericht Erlangen am selben Tag, sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, der Betroffene sei entschuldigt gewesen. Aus der vom Verteidiger vorgelegten AU-Bescheinigung ergebe sich, dass der Betroffene akut erkrankt und bettlägerig gewesen sei. Das Attest sei ausreichend konkret hinsichtlich der Schwere der Erkrankung gewesen, sodass in seiner Vorlage auch keine Schweigepflichtentbindungserklärung gesehen werden könne. Im Weiteren wird auf den Schriftsatz vom 27.10.2017 Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 03.11.2017 legte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth die Akten dem Beschwerdegericht mit dem Antrag vor, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Erlangen vom 17.10.2017 sowie zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung des Hauptverhandlungstermins am 13.09.2017.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§ 74 Abs. 4, 52 Abs. 1, 46 Abs. 1 OWiG, §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO).

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 02.10.2017 gegen die Versäumung des Hauptverhandlungstermins am 13.09.2017 ist zulässig und begründet. Daher war Wiedereinsetzung zu gewähren.

a) Der Wiedereinsetzungsantrag vom 02.10.2017 Ist gemäß § 74 Abs. 4 S. 1 OWiG statthaft, weil die Hauptverhandlung am 13.09.2017 ohne den Betroffenen stattgefunden hat. Auch wurde die Wiedereinsetzung rechtzeitig beantragt und begründet (§§ 74 Abs. 4 S. 1, 52 Abs. 1 OWiG, §§ 44 ff. StPO).

b) Es liegt auch ein Wiedereinsetzungsgrund vor, da das Nichterscheinen des Betroffenen zum Termin am 13.09.2017 unverschuldet war.

Eine Wiedereinsetzung ist bei der Versäumung eines Hauptverhandlungstermins gemäß §§ 74 Abs. 4, 52 Abs. 1 OWiG, § 44 StPO zu gewähren, wenn der Betroffene ohne sein Verschulden verhindert war, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Dies muss der Betroffene gemäß § 52 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 45 StPO vortragen und auch glaubhaft machen, ohne dass das Gericht eine Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts trifft.

Entschuldigt ist der Betroffene nicht nur, wenn ihm wegen einer Erkrankung die Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zugemutet werden kann, sondern auch dann, wenn der Betroffene auf die entschuldigende Wirkung eines Attest vertraut (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO. 60. Auflage 2017, § 329 Rnr. 26 a.E.; OLG München StraFo 2013,208).

Dies ist vorliegend der Fall. Der Betroffene hat ein ärztliches Attest vorgelegt, aufgrund dessen Inhalts er davon ausgehen durfte, genügend entschuldigt zu sein. Der Verteidiger des Betroffenen hatte am Terminstag um 7.30 Uhr ein ärztliches Attest des Dr. med. xxx vom 13.09.2017 an das Amtsgericht Erlangen gefaxt. In diesem wurde dem Betroffenen aufgrund Vorsprache des Betroffenen beim Arzt vom selben Tag ein grippaler Infekt attestiert/aufgrund dessen der Betroffene vom 11.09.2017 bis 14.09.2017 bettlägerig gewesen sei. Bei attestierter mehrtägiger Bettlägerigkeit durfte der Betroffene davon ausgehen, ausreichend entschuldigt zu sein.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Ergebnis der Nachfrage des Richters am Amtsgericht bei dem das Attest ausstellenden Arzt. Insbesondere hat die Nachfrage nicht ergeben, dass das Attest falsch ist. Vielmehr bestätigte der Arzt, dass der Betroffene erkrankt war und er diesem Bettruhe empfohlen hat. Auch die Tatsache, dass der Arzt sich selbst in der Lage gesehen hätte, in diesem Zustand einen 15 minütigen Termin wahrzunehmen, führt nicht dazu, dass es sich um ein falsches ärztliches Attest handelte.

Somit durfte der Betroffene, der ärztlich festgestellt erkrankt und dem Bettruhe empfohlen worden war, aufgrund des Inhalts des ihm ausgestellten Attests davon ausgehen, ausreichend entschuldigt zu sein. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob ihm eine Anreise aus und die Teilnahme an der Hauptverhandlung aus gesundheitlichen Gründen am 13.09.2017 tatsächlich zumutbar gewesen wäre oder nicht.

Dem Betroffenen war daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung des Hauptverhandlungstermins vom 13.09.2017 zu gewähren.

3. Die Kostenentscheidung bezüglich der Wiedereinsetzung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 7 StPO.

III.

Die Kostenentscheidung bezüglich des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO analog.