Etwas seltener hört man von dem Abstandsmessverfahren VKS 3.0. Primäres Beweismittel für Verstöße ist hier die Videoaufzeichnung. Für eine vollständige Begutachtung benötigt ein Sachverständiger für Verkehrsmesstechnik jedoch auch das sog. Referenzvideo, aus dem entnommen werden kann, ob die Messstelle (erstmalig) korrekt eingerichtet, vermessen etc. worden ist und ob die Aufstellhöhe der Kamera bei Aufzeichnung des Verstoßes zutreffend war. Außerdem kann sich ein Blick in die “Lebensakte” oder sonstige Unterlagen zur Messanlage, falls vorhanden, lohnen. Richtigerweise weist das AG Mayen darauf hin, auch nach dem Tattag entstandene Wartungsunterlagen zu berücksichtigen. Denn eine nach dem Tattag durchgeführte Reparatur kann ihren Grund in einem schon zum Tatzeitpunkt bestehenden Defekt haben.

AG Mayen, Beschluss vom 03.07.2018 – 3 OWi 160/18

Verteidiger: Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Winkelstraße 24, 66359 Bous

1. Der Zentralen Bußgeldstelle Speyer wird aufgegeben, der Verteidigerin des Betroffenen das Referenzvideo sowie die Wartungsinstandsetzungs- und Eichnachweise des Messgerätes seit der letzten Eichung am 07.08.2017 bis zum 19.04.2018 zur Verfügung zu stellen.

2. Der weitergehende Antrag auf Zurverfügungstellung des Protokolls betreffend der Einrichtung der Messstelle sowie der Wartungsinstandsetzungs- und Eichnachweise des Messgerätes seit der ersten Inbetriebnahme des Messgerätes bis zum 18.04.2018 wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Die Verteidigerin des Betroffenen hat mit Schriftsatz vom 19.04.2018 gegenüber der Zentralen Bußgeldstelle beantragt,

Folgendes zur Verfügung zu stellen:

  • Videoaufzeichnung vom Tattag
  • Referenzvideo mit Protokoll betreffend die Einrichtung der Messstelle sowie
  • Wartungs-, Indstandsetzungs- und Eichnachweise des Messgeräts seit der ersten Inbetriebnahme des Messgeräts und, soweit vorhanden, Lebensakte, Geräteakte, Gerätebegleitkarte etc.

Am 09.04.2018 (BI. 19 d.A.) erhielt die Verteidigerin vollständige Akteneinsicht in die Beweismittel inkl. Messprotokolle. Eine CD mitsamt dem Messvideo, der Bilder sowie der Gebrauchsanweisung wurde sodann am 17.05.2018 übersandt.

Mit Schreiben vom 08.06.2018 (BI. 43 d.A.) hat die Zentrale Bußgeldstelle die Zurverfügungstellung der weiteren Messunterlagen abgelehnt.

Die Zentrale Bußgeldstelle Speyer hat mit Schreiben vom 21. Juli 2018 die Akte dem Amtsgericht Mayen zur gerichtlichen Entscheidung vorgelegt.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Ein Anspruch auf Überlassung der sogenannten Lebensakte besteht nicht, da eine solche Lebensakte in Rheinland-Pfalz für die streitgegenständlichen Messgeräte nicht geführt wird.

Bezüglich der weiteren im Tenor bezeichneten Unterlagen hingegen hat der Betroffene einen Anspruch auf Zurverfügungstellung zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Messung. Es kann nicht darauf ankommen, ob solche Unterlagen sich bereits bei der Akte befinden oder nicht, da ein Sachverständiger diese Unterlagen benötigt, um die Ordnungsgemäßheit der Messung zu überprüfen und eventuell aufgetretene Messfehler zu ermitteln. Unbeachtlich ist, dass es sich vorliegend um ein standardisiertes Messverfahren handelt, da auch bei einem standardisierten Messverfahren im Einzelfall Messfehler auftreten können, die nur durch Überprüfung der im Tenor aufgeführten Unterlagen ermittelt werden können.

Der Betroffene hat hingegen lediglich einen Anspruch auf Zurverfügungstellung der Wartungsinstandsetzungs- und Eichnachweise des Messgerätes seit der letzten Eichung bis zum Zeitpunkt der Antragstellung vom 19.04.2018 auf Zurverfügungstellung der dort genannten Messunterlagen, da durch die Eichung am 07.08.2017 zuvor erfolgte Wartungsinstandsetzungs- und Eichnachweise keinen Einfluss mehr auf das vorliegende Messergebnis am Tattag, das ist der 09.03.2018, haben können, wohl aber Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten von der letzten Eichung bis zur Antragstellung auf Überlassung der Unterlagen, da auch Fehler am Messgerät, die nach der Tat aufgetreten sein können und zu Reparaturen geführt haben, Einfluss auf das Messergebnis am Tattag haben könnten.

Ein Anspruch auf Zurverfügungstellung des Protokolls betreffend der Einrichtung der Messstelle hingegen besteht ebenfalls nicht, da sich das entsprechende Messstellenprotokoll bereits auf Blatt 13 d.A. befindet und die Verteidigerin davon bei der ihr gewährten Akteneinsicht hätte Kenntnis nehmen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO i. V. m. § 62 OWiG.

Vielen Dank an Frau Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Bous, für die Zusendung dieser Entscheidung.