Nach einer Anzeige wegen eines Verkehrsverstoßes mit Angabe des Kfz-Kennzeichens wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Dieser wurde bei dem Verstoß weder erkannt noch fotografiert. Nach Abgabe der Sache an das Amtsgericht gab er an, dass sein Neffe als Fahrer in betracht komme, er ansonsten schweigen werde und beantragte seine Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen. Dies lehnte das AG ab und verwarf seinen Einspruch, nachdem er zur Hauptverhandlung nicht erschienen war. Das KG ließ seine Rechtsbeschwerdfe wegen Versagung des rechtlichen Gehörs zu und hob das Urteil auf. Der Entbindungsantrag sei zu Unrecht abgelehnt worden. Denn die Anwesenheit des Betroffenen sei zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich gewesen. Bei einer – wie vorliegend gegebenen – Kennzeichenanzeige erscheine es fernliegend, dass der Betroffene durch den Anzeigenerstatter beim Parken beobachtet wurde und daher im Termin wiedererkannt werden könnte.

KG, Beschluss vom 07.11.2017 – 3 Ws (B) 309/17

Auf den Antrag des Betroffenen wird die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 29. Juni 2017 zugelassen.

Auf die Rechtsbeschwerde wird das Urteil aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

Das Amtsgericht hat den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 27. Februar 2017 nach § 74 Abs. 2 OWiG mit der Begründung verworfen, der Betroffene sei der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben. Mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde macht der Betroffene die Verletzung rechtlichen Gehörs geltend.

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zu. Das Amts-gericht hat den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt, indem es seinen Antrag, in der Hauptverhandlung nicht persönlich erscheinen zu müssen, abgelehnt und seinen Einspruch in der Folge ohne Verhandlung zur Sache nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen hat.

1. Die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe den Antrag des Betroffenen, ihn nach § 73 Abs. 2 OWiG von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, zu Unrecht abgelehnt und durch die Verwerfung seines Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, ist ordnungsgemäß ausgeführt.

Die Rechtsmittelschrift legt dar, welcher Vorwurf gegen den Betroffenen erhoben wird. Daneben führt sie aus, dass der Betroffene eine andere Person, die auch zur Hauptverhandlung geladen wurde, als Fahrer namhaft gemacht und angekündigt hat, zur Sache keine weiteren Angaben zu machen. Ferner teilt die Rechtsmittelschrift den Entbindungsantrag und den darauf ergangenen Gerichtsbeschluss im Wortlaut mit.

2. Die Rüge ist auch begründet. Das Amtsgericht hätte den Betroffenen von der Verpflichtung, in der Hauptverhandlung persönlich erscheinen zu müssen, entbinden müssen. Dazu ist es nach § 73 Abs. 2 OWiG verpflichtet, wenn der Betroffene sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, steht die Entscheidung nicht im Ermessen des Gerichts; vielmehr ist dem Antrag zu entsprechen (vgl. Senat in std. Rspr., Beschlüsse vom 5. Juni 2014 und vom 8. Juni 2011 jeweils aaO sowie VRS 111, 146; Beschlüsse vom 5. Oktober 2007 – 3 Ws (B) 522/07 – und 2. August 2006 – 3 Ws (B) 395/06 –; OLG Dresden DAR 2005, 460).

Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG lagen hier vor.

Der Betroffene hat beantragt, von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nach §§ 73, 74 OWiG entbunden zu werden. Außerdem hat er unmissverständlich erklärt, in der Hauptverhandlung keine Erklärung abzugeben. Und schließlich verband sich mit der Anwesenheit des – schweigenden – Betroffenen nicht die Erwartung, dass der Sachverhalt aufgeklärt werden konnte. Denn der Betroffene hatte seinen zur Hauptverhandlung geladenen Neffen als – möglichen – Fahrer benannt. Das angefochtene Urteil bezeichnet demgegenüber keine konkreten Umstände, warum die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung des Sachverhalts hätte beitragen können. In Betracht käme insoweit, dass der Betroffene durch den Anzeigenerstatter beim Abparken des Fahrzeugs beobachtet wurde oder sich als Fahrer zu erkennen gegeben hat und in der Hauptverhandlung hätte wiedererkannt werden können. Die Rechtsmittelschrift legt aber dar, dass dem Verfahren eine Kennzeichenanzeige zugrunde liegt. Der Senat hat diese Verfahrenstatsache in der Akte bestätigt gefunden und hält es demzufolge für fernliegend, dass der Betroffene in der Verhandlung wiedererkannt worden wäre oder seine Anwesenheit anderweitig zur Aufklärung des Sachverhalts hätte beitragen können.

3. Der Senat hebt daher auf die zugelassene Rechtsbeschwerde das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurück.