In einem Zivilverfahren beim LG Passau hat der Vertreter des Beklagten den Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Es folgte darauf eine Diskussion, ob die Begründung hierzu vom Beklagtenvertreter ins Protokoll zu diktieren oder wie viel Zeit ihm zu einer schriftlichen Formulierung zuzugestehen sei. Im Protokoll heißt es u. a. “auf Bitten des Vorsitzenden, dies schriftlich zu begründen, weil der Vorsitzende nicht die Sekretärin des Beklagtenvertreters ist” sowie “Beklagtenvertreter beantragt, irgendwelche Formulierungen ins Protokoll zu diktieren”. Der Vorsitzende meinte zu dem Beklagtenvertreter schließlich, er wäre noch gerne beim Verfassungsgericht, da er dann gegen den Beklagtenvertreter einschreiten könnte (in der dienstlichen Stellungnahme führte der Vorsitzende dazu aus, dass er damit die Verhängung einer Missbrauchsgebühr gemeint habe). Den Klägervertreter bat der Vorsitzende darum, genau aufzupassen, da es auf die gewechselten Worte ankomme.
Das OLG München sieht eine Besorgnis der Befangenheit als gegeben an. Auch wenn eine vergleichsweise kurzzeitige Eskalation in der mündlichen Verhandlung vorliege, welche zum Teil auch auf dem Verhalten des Beklagtenvertreters beruhe, seien die Grenzen dessen, was ein Richter äußern darf und eine Partei hinzunehmen hat, vorliegend überschritten.
OLG München, Beschluss vom 07. Februar 2018 – 13 W 119/18
I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten werden die Beschlüsse des Landgerichts Passau vom 19.12.2017 sowie vom 22.01.2018 (Az.: 1 O 560/15) aufgehoben.
II. Das Ablehnungsgesuch des Beklagten vom 19.10.2017 gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht … wird für begründet erklärt.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Mit ihrer am 19.08.2015 erhobenen Klage verlangt die Klagepartei vom Beklagten im Rahmen einer erbrechtlichen Auseinandersetzung im Wege der Stufenklage Auskunft, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und die Herausgabe noch zu bezeichnender Nachlassgegenstände.
Mit Schriftsatz vom 23.02.2017 erklärte die Klagepartei die erste Stufe der Klage auf Auskunft für erledigt und stellte den Antrag in der zweiten Stufe (Bl. 149 d. A.).
Nach mehrfacher Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung fand dieser schließlich am 19.10.2017 statt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagtenvertreter, er lehne den Vorsitzenden der Kammer wegen Befangenheit ab. Dieser Antrag, nicht jedoch seine Begründung, wurde zu Protokoll genommen.
Das Protokoll der mündlichen Verhandlung hat u.a. folgenden, wörtlich zitierten Inhalt:
„Beklagtenvertreter erklärt, er lehne den Vorsitzenden der Kammer wegen Befangenheit ab.
Auf Bitten des Vorsitzenden, dies schriftlich zu begründen, weil der Vorsitzende nicht die Sekretärin des Beklagtenvertreters ist und seine Begründung nicht ins Protokoll diktieren wird.
Beklagtenvertreter weigert sich, binnen der vom Vorsitzenden gesetzten Frist von 15 Minuten, einen schriftlichen Befangenheitsantrag vorzulegen.
Beklagtenvertreter beantragt, irgendwelche Formulierungen ins Protokoll zu diktieren, er möge dies letztendlich selber machen.
Der Vorsitzende weist darauf hin, dass die Verhandlungsführung in einem deutschen Zivilgericht immer noch der Vorsitzende der Kammer hat und nicht die Anwälte.
Der Beklagtenvertreter benimmt sich zunehmend ungebührlich, unterbricht den Vorsitzenden in einer Tour und will, dass er unbedingt das protokolliert, was er zu Protokoll geben will.
Beklagtenvertreter beantragt um 13.36 Uhr eine Frist zur schriftlichen Begründung des Befangenheitsantrags bis 14.00 Uhr.
Der Vorsitzende erklärt, dass dies nicht möglich ist, weil um 14.00 Uhr bereits die nächste Sitzung beginnt und der Vorsitzende hier schon wieder am Richtertisch sitzen muss. Es müssen nach der Vorlage der schriftlichen Begründung des Befangenheitsantrags noch Erklärungen zu Protokoll genommen werden.
Beklagtenvertreter erhält Frist zur schriftlichen Begründung seines Befangenheitsantrags bis 13.55 Uhr.
Die Sitzung wird sodann unterbrochen, Fortsetzung um 13.55 Uhr.
…
Rechtsanwalt H. übergibt eine handschriftlich geschriebene Begründung für den Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden der 1. Zivilkammer. …“.
Mit Verfügung vom 20.10.2017 teilte der abgelehnte Richter mit, er vermöge die handschriftliche Begründung des Befangenheitsantrags nicht zu lesen; der Beklagtenvertreter möge eine Leseabschrift einreichen (Bl. 183 d. A.).
Mit Schriftsatz vom 24.10.2017 ergänzte der Beklagte seine Begründung des Befangenheitsgesuchs und legte sodann mit Schriftsatz vom 02.11.2017 die gewünschte Leseabschrift vor.
Der Beklagte begründet seinen Befangenheitsantrag im Wesentlichen wie folgt:
Der Vorsitzende der Kammer habe in der mündlichen Verhandlung nicht über die Frage diskutieren wollen, ob der Antrag auf eidesstattliche Versicherung begründet sei oder nicht. Das Verhalten des Vorsitzenden und seine Ausführungen wiesen darauf hin, dass die Entscheidung schon gefallen sei, ohne dass mit dem Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darüber diskutiert wurde. Er habe gesagt „Sie werden doch nicht glauben, dass ein anderes OLG anders entscheiden werde“. Auch Ausführungen zum Vergleich habe der abgelehnte Richter nicht gewollt.
Zudem habe der Vorsitzende zunächst nicht das protokolliert, was der Wahrheit entsprochen habe. Dies sei erst auf drängenden Hinweis hin geschehen. Auch habe der Vorsitzende unrichtig protokollieren wollen, dass der Klägervertreter es abgelehnt habe, innerhalb von 15 Minuten sein Ablehnungsgesuch zu begründen.
Des Weiteren habe der Vorsitzende angegeben, er wolle noch beim Verfassungsgericht sein, dann könne er gegen den Beklagtenvertreter einschreiten.
Falsch sei auch die Protokollierung „irgendwelche Formulierungen“. Der Beklagte habe mit keiner Silbe geäußert, es sollen „irgendwelche Formulierungen“ ins Protokoll aufgenommen werden.
Ebenso falsch sei die Behauptung, der Beklagtenvertreter habe die Verhandlungsführung gewollt. Er habe lediglich von seinem Recht Gebrauch machen wollen, in der mündlichen Verhandlung für seine Partei Ausführungen zu machen.
Die Äußerung, der Richter müsse um 14.00 Uhr bereits mit der nächsten Sitzung beginnen, belege, dass der abgelehnte Richter die für die Begründung der Befangenheitsfrage notwendige Zeit dem Beklagtenvertreter unter keinen Umständen geben wollte.
Des Weiteren habe der abgelehnte Richter geäußert, „Ihr in München“ würdet so Prozesses führen. Die Sache habe „einen Geruch“.
Außerdem habe sich der abgelehnte Richter sodann an den Klägervertreter gewandt, er möge genau aufpassen, da es auf die gewechselten Worte ankomme. Dadurch habe er die Klagepartei zu beeinflussen versucht.
Mit Verfügung vom 08.11.2017 (Bl. 194/195 d. A.) nahm der abgelehnte Richter zu dem Befangenheitsantrag dienstlich Stellung. Darin führte er im Wesentlichen aus:
Er habe im Termin dargelegt, dass die Frage der Bindungswirkung der Entscheidung des Oberlandesgerichts München hinsichtlich der Testamentsvollstreckerbestellung für die Kammer letztlich ohne Bedeutung sei, da sich die Kammer die Entscheidung des OLG inhaltlich zu eigen machen wolle.
Alsdann habe er sich, auch im Namen der Kammer, gegen den Vorwurf des Beklagtenvertreters verwahrt, man habe wohl seine Schriftsätze nicht gelesen. Daraufhin habe der Beklagtenvertreter ihn, den Vorsitzenden, aufgefordert, zu den Ausführungen des Beklagten sofort Stellung zu nehmen. Er habe dem Beklagtenvertreter sodann mitgeteilt, dass er nicht gedenke, die Entscheidung der Kammer im Vorfeld mit ihm zu diskutieren.
Sodann sei er pausenlos vom Beklagtenvertreter unterbrochen worden.
Er habe sodann die Sitzung für 5 Minuten unterbrochen, nach der Unterbrechung habe der Beklagtenvertreter erklärt, dass er den Vorsitzenden der Kammer wegen Befangenheit ablehne. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob die Gründe für den Antrag schriftlich fixiert worden seien, habe der Beklagtenvertreter dies verneint.
Es sei richtig, dass er dem Beklagtenvertreter gesagt habe, dass er sich die Gründe für den Antrag nicht ins Protokoll diktieren lassen werde, da der Vorsitzende einer Kammer nicht die Sekretärin der Prozessbevollmächtigten der Parteien sei.
Daraufhin habe er eine weitere Unterbrechung von 10 Minuten angeboten, die als zu kurz abgelehnt wurde. Gleiches gelte für die angebotene Zeit von 15 Minuten. Der Vorsitzende habe darauf hingewiesen, dass die nächste Verhandlung um 14.00 Uhr beginne.
Es sei zutreffend, dass er sodann gesagt habe, er sehne sich an seine Zeit beim Bundesverfassungsgericht zurück, da es dort die Möglichkeit gegeben habe, bei Vorliegen der gesetzlich normierten Voraussetzungen eine Missbrauchsgebühr zu verhängen.
Zutreffend sei auch, dass er den Klägervertreter gebeten habe, der Verhandlung zu folgen, da der Beklagtenvertreter ihm ständig irgendetwas in den Mund legen wolle.
Die Klagepartei nahm dazu mit Schriftsatz vom 27.11.2017 Stellung. Sie halte den abgelehnten Richter nicht für befangen (Bl. 202/203 d. A.).
Dazu nahm die Beklagtenpartei nochmals mit Schriftsatz vom 12.12.2017 Stellung (Bl. 204/206 d. A.).
Mit Beschluss vom 19.12.2017 erklärte das Landgericht das Ablehnungsgesuch des Beklagtenvertreters für unbegründet (Bl. 207/215 d. A.).
Die Kammer stützte ihre Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Gesichtspunkte:
Was den Vorwurf der Beklagtenpartei angehe, der Vorsitzende habe eine mündliche Verhandlung abgelehnt, sei es im vorliegenden Fall nicht geboten gewesen, den jeweiligen Sach- und Rechtsvortrag der Parteien umfassend zu wiederholen und zu erörtern.
Die Äußerung „Sie werden doch nicht glauben, dass ein anderes OLG anders entscheiden werde“, stelle sich als ein im Rahmen der §§ 139, 278 ZPO gebotener Hinweis auf das vorläufige Beratungsergebnis der Kammer dar.
Die Äußerung des Vorsitzenden „Ihr in München würdet so Prozesse führen“ sei – soweit der Vorsitzende dies geäußert haben solle – gefallen, als der Beklagtenvertreter im provokanten Tonfall darauf insistiert habe, dass das, was er hier vor dem Landgericht Passau erlebe, keine mündliche Verhandlung sei und dass er so etwas in München noch nie erlebt habe. Der Vorsitzende habe darauf sinngemäß geantwortet, er müsse sich oft anhören, dass sie in Passau Juristen der Provinz seien. Nach Auffassung der Kammer handele es sich bei dieser Äußerung des abgelehnten Vorsitzenden zwar um pointierte Kritik, jedoch nicht um eine Abfälligkeit bzw. Herabsetzung.
Der Vorwurf, der Vorsitzende habe nicht auf einen Vergleich eingehen wollen, sei ungerechtfertigt. Nach Wahrnehmung der Beisitzer habe seitens der Kammer keine Möglichkeit bestanden, überhaupt zur Güte zu verhandeln, weil der Beklagtenvertreter sowohl dem Vorsitzenden als dem Klägervertreter ständig ins Wort gefallen sei.
Hinsichtlich der Äußerung, der Vorsitzende sei nicht die Sekretärin des Beklagtenvertreters, liege ebenfalls kein Befangenheitsgrund vor. Der Beklagtenvertreter habe den Vorsitzenden zwar gebeten, mit dem Folgetermin etwas zu warten, bis er seinen Antrag formuliert habe und habe in diesem Zusammenhang die Protokollierung des Vorgangs angeboten, nachdem der Vorsitzende dies abgelehnt hatte. Dieses habe sich der Vorsitzende sodann mit der kritisierten Äußerung verbeten. Der Beklagtenvertreter habe unzutreffend eine umfangreiche Protokollierung der Begründung seines Befangenheitsantrags verlangt.
Die Äußerung des Vorsitzenden, er wäre gern am Verfassungsgericht, um gegen das Vorgehen des Beklagtenvertreters einschreiten zu können, sei eine angemessene und nachvollziehbare Kritik.
Soweit der Vorsitzende sich an den Klägervertreter gewandt habe, er solle aufpassen, was hier gesprochen werde, sei dies ebenfalls nicht zu beanstanden, denn der Klägervertreter habe als Gegner der ablehnenden Partei gemäß Art. 103 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf vor der Entscheidung der Kammer gehört zu werden.
Schließlich sei auch die Äußerung des Vorsitzenden, die Rechtssache habe einen „Geruch“ nicht zu beanstanden. Die „Schwarzgeldvorgänge“ seien bereits in den Schriftsätzen der Parteivertreter thematisiert worden; die diesbezügliche Äußerung könne deshalb keine Seite einseitig benachteiligen.
Dieser Beschluss wurde dem Beklagten am 22.12.2017 zugestellt.
Dagegen legte der Beklagte mit Schriftsatz vom 29.12.2017, per Fax eingegangen bei Gericht am gleichen Tage, sofortige Beschwerde ein (Bl. 216/234 d. A.).
Mit dieser Beschwerde beantragt der Beklagte, den angefochtenen Beschluss aufzugeben und dem Befangenheitsantrag stattzugeben.
Mit der Beschwerdebegründung wiederholte und vertiefte der Beklagtenvertreter seine bisherige Argumentation. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 29.12.2017 Bezug genommen.
Das Landgericht Passau half dieser Beschwerde mit Beschluss vom 22.01.2018 unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung nicht ab und verfügte am gleichen Tage die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde. Dort gingen sie am 25.01.2018 ein.
II.
Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ZPO statthafte und gemäß §§ 569 Abs. 1, Abs. 2, 571 Abs. 1 ZPO frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Die Ablehnung eines Richters ist Ausfluss des aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erfolgenden Anspruchs des Rechtssuchenden auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter (st. Rspr., vgl. BVerfG NJW 2005, 3410). Sie findet gemäß § 46 Abs. 2 ZPO statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist, sondern darauf, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Rein subjektive, unvernünftige oder eingebildete Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (vgl. z. B. BVerfG NJW 1993, 2230; BGHZ 156, 269). Unerheblich ist dabei auch, ob sich der abgelehnte Richter selber befangen fühlt (vgl. BVerfG 73, 330, 335).
2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe rechtfertigt das von der Beklagtenpartei beanstandete Verhalten des abgelehnten Richters die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass diese Besorgnis der Befangenheit letztlich auf einer Eskalation in der mündlichen Verhandlung beruht, die zum einen von vergleichsweise kurzen Dauer (nach dem Protokoll ca. 20 bis 30 Minuten) war und die zum anderen nicht allein auf dem Verhalten des abgelehnten Richters beruhte, sondern zum Teil auch auf dem Verhalten des Beklagtenvertreters. Gleichwohl sieht der Senat im konkreten Fall die Grenzen dessen, was ein Richter äußern darf und eine Partei hinzunehmen hat, als überschritten an. In der Gesamtschau der von der Beklagtenpartei vorgebrachten Ablehnungsgründe ist es nachvollziehbar, dass im konkreten Fall auch eine vernünftige Partei an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zweifelt.
a) Das Ablehnungsgesuch kann auch in der mündlichen Verhandlung erklärt werden, § 44 ZPO. Damit es als solches wirksam ist, muss der Ablehnungsgrund individualisiert bzw. begründet werden; die bloße Erklärung einer Partei, sie lehne den Richter ab und werde die Begründung nachreichen, ist kein Ablehnungsgesuch (vgl. Zöller-Vollkommer, 31. Aufl., § 44 Rn. 2). Allerdings folgt daraus nicht, dass das Gericht verpflichtet wäre, dasjenige ins Protokoll aufzunehmen, was die ablehnende Partei als Begründung des Befangenheitsgesuchs aufgenommen haben möchte. Vielmehr kann die Begründung in solchen Fällen nach einer Unterbrechung der Verhandlung schriftlich nachgereicht werden. Von daher ist die grundsätzliche Entscheidung des abgelehnten Richters, sich nicht von dem Prozessbevollmächtigten der ablehnenden Partei das Protokoll diktieren zu lassen, nicht zu beanstanden. Allerdings ist in diesem Zusammenhang einerseits die Wortwahl des abgelehnten Richters („Sekretärin“) zu berücksichtigen, als auch das weitere Verhalten hinsichtlich der Unterbrechung. Das Gericht muss nämlich der ablehnenden Partei, wenn es die Ablehnungsgründe nicht ins Protokoll aufnimmt, ausreichend Zeit geben, diese Ablehnungsgründe zu formulieren. Hier war es aber so, dass der abgelehnte Richter durch die nachfolgende Diskussion, ob die Verhandlung 5 oder 10 Minuten länger unterbrochen werde oder nicht, zu erkennen gab, dass er nicht daran interessiert war, der ablehnenden Partei zu ermöglichen, die ihr zustehenden prozessualen Rechte angemessen auszuüben. Es wäre im Übrigen durchaus zumutbar gewesen, mit der nachfolgenden Sache, die auf 14.00 Uhr terminiert war, gegebenenfalls 15 Minuten später zu beginnen. Es ist einem Prozessbevollmächtigten nicht zuzumuten, in dieser Art und Weise darum bitten zu müssen, die Begründung seines Ablehnungsgesuches anbringen zu dürfen.
Auch durch die Formulierung, der Beklagtenvertreter habe „irgendwelche Formulierungen“ zu Protokoll geben wollen, wird die mangelnde Bereitschaft des Richters deutlich, dem Beklagtenvertreter die Gelegenheit zu geben, die der Partei zustehenden prozessualen Rechte angemessen und ohne unnötigen Zeitdruck auszuüben, zumal in der Formulierung noch eine Abwertung der Person und des fachlichen Könnens des Beklagtenvertreters liegt.
b) Zu beanstanden ist darüber hinaus auch die Äußerung des Vorsitzenden, er wolle noch beim Verfassungsgericht sein, dann könnte er gegen den Beklagtenvertreter einschreiten.
Diese Äußerung bezieht sich – wie der abgelehnte Richter in seiner dienstlichen Äußerung selber darlegt – auf die sogenannte „Missbrauchsgebühr“, die das Bundesverfassungsgericht verhängen kann.
Gemäß § 34 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht eine Gebühr bis zu 2.600,– € auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde oder der Beschwerde nach Art. 41 Abs. 2 des GG einen Missbrauch darstellt oder wenn ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32 BVerfGG) missbräuchlich gestellt ist. Auf Basis dieser Vorschrift verhängt das Bundesverfassungsgericht eine Missbrauchsgebühr zum Beispiel dann, wenn ein Missbrauch der Verfassungsbeschwerde deswegen vorliegt, weil sie offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung deshalb von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 30.08.2017, Az.: 1 BvR 1437/17; zitiert nach Beck-Online). Auch kann eine Missbrauchsgebühr etwa dann verhängt werden, wenn die Verfassungsbeschwerde den Versuch unternimmt, dem Bundesverfassungsgericht die Kenntnis von für die Entscheidung offensichtlich bedeutsamen Tatsachen vorzuenthalten oder wenn gegenüber dem Bundesverfassungsgericht falsche Angaben über entscheidungserhebliche Umstände gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.09.2017, Az.: 2 BvR 1691/17 = NJW 2017, 3364; zitiert nach Beck-Online). Die Verhängung einer derartigen Missbrauchsgebühr wird vom Bundesverfassungsgericht damit gerechtfertigt, dass es an der Erfüllung seiner Aufgaben durch erkennbar substanzlose Verfassungsbeschwerden nicht gehindert werden darf, weil dies zur Folge hätte, dass anderen Bürgern der ihnen zukommende Grundrechtsschutz nur verzögert gewährt werden könne (vgl. BVerfG a.a.O.).
Die fragliche Äußerung des abgelehnten Richters legt mithin die Interpretation nahe, dass er das Vorbringen der Beklagtenpartei von vornherein für substanzlos ansieht oder aber ihren Sachvortrag oder die Wahrnehmung prozessualer Rechte als missbräuchlich ansieht und die Kammer dadurch von der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben abgehalten werde.
Dass hier ein solcher Fall vorliegt, der – übertragen auf die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht – die Verhängung einer Missbrauchsgebühr rechtfertigt, vermag der Senat nicht einmal im Ansatz zu erkennen. Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Deshalb kann auch eine unvoreingenommene Partei aus der Äußerung des abgelehnten Richters den Schluss ziehen, der Richter stehe ihr parteiisch gegenüber, weil er ihr Vorbringen (weil substanzlos oder missbräuchlich) nicht berücksichtigen wolle.
c) In der Zusammenschau mit den beiden vorgenannten Gründen ist auch die Formulierung „Ihr da in München…“ geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu wecken.
Wie der Beklagtenvertreter zutreffend ausführt, ist die Äußerung so verstehen, dass nach Auffassung des abgelehnten Richters in München Prozesse anders geführt würden als in Passau. Mit der Betonung, dass der Beklagtenvertreter den Prozess gerne in München so führen könne, nicht aber in Passau, gibt der abgelehnte Richter zu erkennen, dass nach seiner Auffassung offensichtlich unterschiedliche Anforderungen und unterschiedliche Verfahrensweisen vor den Gerichten in München und Passau gelten würden, außerdem, dass der Beklagtenvertreter offensichtlich die Anforderungen nicht erfüllt, die in Passau gelten.
Die Zivilprozessordnung gilt in ganz Deutschland, somit in Passau genauso wie in München. Das bedeutet, dass es in Passau keine anderen Verfahrensweisen oder Regeln geben kann als in München. Des Weiteren folgt daraus, dass die Äußerung „Ihr da in München“ mögt Prozesse so führen, bedeutet, dass der Beklagtenvertreter nicht in der Lage sei, die (besonderen?) Anforderungen der 1. Zivilkammer des Passauer Landgerichts zu erfüllen. Darin liegt eine unsachliche Kundgabe der Missachtung gegenüber der Person und dem fachlichen Können des Beklagtenvertreters.
d) Vollkommen unangemessen ist auch die Aufforderung des abgelehnten Richters an die Klagepartei, sie möge gut zuhören, weil es auf den Wortlaut der Äußerungen ankomme. Dass diese Äußerung so gefallen ist, bestreitet der abgelehnte Richter in seiner dienstlichen Äußerung nicht, sondern führt dazu aus, es sei dazu gekommen, weil der Beklagtenvertreter ihm ständig etwas in den Mund habe legen wollen.
Selbst wenn es so sein sollte, dass der Beklagtenvertreter dem Vorsitzenden der Kammer etwas in den Mund legen wollte, was dieser nicht gesagt hat, ist es grob unsachlich, sich gleichsam mit der Gegenpartei zu „verbünden“ und dadurch zu erkennen zu geben, dass man einseitig zugunsten einer Partei eingestellt sei. Auch dieses Verhalten rechtfertigt bei einer vernünftigen Partei Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des Richters.
e) Der Senat weist darauf hin, dass der abgelehnte Richter nicht hätte mit Verfügung vom 20.10.2017 eine Leseabschrift des Befangenheitsgesuchs anfordern dürfen. Welche Handlungen der abgelehnte Richter noch vornehmen darf, richtet sich nach § 47 ZPO. Bei der Anforderung einer Leseabschrift durch Verfügung vom 20.10.2017 handelt es sich weder um eine unaufschiebbare Amtshandlung im Sinne von § 47 Abs. 1 ZPO, noch um eine Fortsetzung der mündlichen Verhandlung im Sinne von § 47 Abs. 2 ZPO.
Richtig wäre es gewesen, nach Ausfertigung des Protokolls die Akten demjenigen Kammermitglied zuzuleiten, welches für die weitere Bearbeitung und insbesondere für die Anforderung der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters zuständig war. Diese Richterin oder dieser Richter hätte dann, soweit man die handschriftliche Begründung des Ablehnungsgesuchs als unleserlich ansehen möchte, eine Leseabschrift anfordern dürfen.
III.
Da die sofortige Beschwerde erfolgreich ist, ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst. Es handelt sich insoweit nämlich um Kosten des Rechtsstreits (vgl. OLG Frankfurt am Main MDR 2007, 1399; OLG München, Beschluss vom 14.03.2012, Az.: 10 W 277/12; Sturm MDR 2007, 382; Zöller-Vollkommer, 31. Aufl., § 46 Rn. 20).
IV.
Einer Streitwertfestsetzung nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 48 Abs. 1 GKG, 3 ff. ZPO bedarf es nicht, weil die Gerichtsgebühr als Festgebühr ausgestaltet ist (Nr. 1812 KV-GKG) und ein Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG auf Festsetzung des Gegenstandswerts nicht vorliegt.
V.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Es handelt sich lediglich um eine Einzelfallentscheidung.
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