Der Angeklagte befuhr mit einem Kleinkraftrad eine Straße mit ca. 50 km/h, obwohl er mangels Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kleinkrafträdern mit einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h berechtigt war. Die Erlaubnispflichtigkeit des Kleinkraftrades konnte er nach Auffassung der Berufungskammer auf Grund der Geschwindigkeitsdifferenz auch erkennen. Die Geschwindigkeit von 50 km/h ergab sich für das LG daraus, dass hinterherfahrende Polizeibeamte auf ihrem Tacho einen solchen Wert abgelesen haben. Das genügt dem OLG Hamm nicht: Schon im Bußgeldverfahren müssten die Urteilsgründe den Abstand der Fahrzeuge mitteilen und ob dieser sich verändert hat. Außerdem müsse angegeben werden, ob es sich um einen geeichten oder ungeeichten Tacho im Polizeifahrzeug gehandelt hat. Bei einem ungeeichten Tacho sei vom abgelesenen Wert ein Abschlag von 20 % vorzunehmen, um bei guten allgemeinen Sichtverhältnissen grundsätzlich alle zu Gunsten des Täters in Betracht kommenden Fehlerquellen menschlicher und technischer Art zu berücksichtigen, wenn der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug etwa den halben bis maximal ganzen Tachowert (in Metern), den das nachfahrende Fahrzeug anzeigt, nicht übersteigt, der Abstand ungefähr gleich bleibt, die Nachfahrstrecke wenigstens rund das Fünffache des Abstandes beträgt und der Tachometer in kurzen Abständen abgelesen wird. Da das Landgericht den Fahrlässigkeitsvorwurf maßgeblich auf die gefahrene Geschwindigkeit gestützt habe, sei das Urteil aufzuheben. Allerdings könne selbst bei einer vom Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit von nur 35 km/h Fahrlässigkeit noch in Betracht kommen, da bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von 40 % häufig bereits vorsätzliches Handeln anzunehmen sei (OLG Hamm, Beschluss vom 08.06.2017 – III-4 RVs 64/17).

Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Paderborn zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Paderborn hat den vielfach (auch einschlägig) vorbestraften Angeklagten wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr der Angeklagte am 20.08.2015 eine öffentliche Straße in Q mit einem Kleinkraftrad mit einer Geschwindigkeit von “ca. 50 km/h”. Mangels Fahrerlaubnis sei er zum Führen eines solchen Kleinkraftrades, dessen Höchstgeschwindigkeit mehr als 25 km/h beträgt, nicht berechtigt gewesen. Angesichts der wesentlichen Überschreitung der “erlaubten Höchstgeschwindigkeit” habe er erkennen können, dass es sich um ein erlaubnispflichtiges Kleinkraftrad gehandelt habe.

Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und erhebt zudem Verfahrensrügen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO).

1. Mit seinen Verfahrensrügen dringt der Angeklagte nicht durch.

a) Soweit in den Ausführungen der Revision im Schriftsatz vom 20.04.2017 eine Aufklärungsrüge im Hinblick auf eine fehlende Aufklärung der Verkehrsverhältnisse zum Tatzeitpunkt am Tatort zu erblicken sein könnte, ist dieser Teil der Revisionsbegründung nicht mehr fristgerecht angebracht worden. Die Revisionsbegründungsfrist gem. § 345 Abs. 1 StPO endete am 18.04.2017.

b) Soweit mit Schriftsatz vom 18.04.2017 eine Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt wird, entspricht diese Rüge nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 StPO. Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO müssen Verfahrensrügen in bestimmter Form erhoben und durch Angabe der den vorgeblichen Mangel enthaltenden Tatsachen begründet werden. Zwar kann eine Formulierung wie beispielsweise “ausweislich des Protokolls” im Revisionsvorbringen auch nur als ein Hinweis auf das geeignete Beweismittel zu verstehen sein, ohne dass dadurch die Ernsthaftigkeit der Tatsachenbehauptung selbst in Frage gestellt wird (vgl. nur: BGH, Beschl. v. 13.07. 2011 – 4 StR 181/11 – juris). So verhält es sich hier aber gerade nicht. Während der Verfahrensablauf in der Rügebegründung bis zur Verlesung der Stellungnahme des abgelehnten Schöffen ohne Zusätze geschildert und damit zweifelsohne bestimmt behauptet wird, wird das Folgegeschehen, nämlich dass lediglich die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hätten, der Angeklagte hingegen nicht, mehrfach mit dem Zusatz “ausweislich des Sitzungsprotokolls” versehen. Diese Differenzierung in der Formulierung lässt durchgreifende Zweifel aufkommen, dass das letztgenannte Geschehen bestimmt behauptet werden soll. Hinzu kommt, dass – was für eine Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erforderlich wäre – die Revision nicht mitteilt, was der Angeklagte selbst im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs vorgebracht hätte (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 08.12.2016 – 4 RBs 291/15 – juris m.w.N.).

c) Die Rüge der fehlerhaften Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs gegen den Schöffen M. (§ 338 Nr. 3 StPO) ist zulässig, aber unbegründet. Der Senat überprüft diese Rüge nach Beschwerdegesichtspunkten.

Der Rüge liegt – soweit für die vorliegende Entscheidung relevant – folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der abgelehnte Schöffe hatte im Hauptverhandlungstermin vom 16.01.2017 aufgrund eines von ihm behaupteten beruflich bedingten Sachverstands zu technischen Fragen Stellung genommen. Nach einer Sitzungsunterbrechung wurde er hierauf von einem Zuhörer angesprochen, der die Richtigkeit der Ausführungen des Schöffen in Zweifel zog. Der Schöffe soll dann (u.a.) geäußert haben, dass es darauf nicht ankomme, “da man an den Feststellungen des Amtsgerichts festhalten wolle”. Nach Aufruf zu Beginn des Fortsetzungstermins am 06.02.2017 lehnte der Angeklagte daraufhin schriftlich diesen Schöffen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er brachte gleichzeitig eine eidesstattliche Versicherung des genannten Zuhörers vom 05.02.2017 bei. Nach Einholung einer Stellungnahme des Schöffen zum Ablehnungsgesuch wurde das Ablehnungsgesuch schließlich von der kleinen Strafkammer als unzulässig verworfen, weil es nicht unverzüglich angebracht worden sei. In der Revisionsbegründung trägt der Angeklagte dazu vor, dass der Zuhörer erst am 05.02.2017 zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung erreichbar gewesen sei.

Das Landgericht hat zu Recht dieses Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen, weil die Ablehnung entgegen § 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht unverzüglich geltend gemacht worden ist (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Ausgehend von dem Verwerfungsbeschluss des Landgerichts war dem Angeklagten der Ablehnungsgrund bereits seit dem 16.01.2017 bekannt. Gegen diese Feststellung hat der Angeklagte auch mit der Revision keine Einwände erhoben. Der Angeklagte hätte dann mit der Anbringung seines Ablehnungsgesuchs nicht knapp drei Wochen zuwarten dürfen, sondern sein Gesuch spätestens zum Beginn der auf den 16.01.2017 folgende Kalenderwoche außerhalb der Hauptverhandlung zu Protokoll der Geschäftsstelle anbringen müssen; diese Möglichkeit ist in § 26 Abs. 1 Halbsatz 2 StPO ausdrücklich vorgesehen. Dass er daran durch Umstände gehindert war, die ihm billigerweise nicht zur Last gelegt werden können, hat er in seinem Gesuch weder behauptet noch glaubhaft gemacht (§ 26 Abs. 2 Satz 1 StPO), was aber erforderlich gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1967 – 4 StR 512/66 – juris Rdn. 26).

Hinzu kommt, dass auch für den Fall, dass der Angeklagte von dem Zuhörer tatsächlich erst am Vortag des Fortsetzungstermins eine eidesstattliche Versicherung hat erlangen können, ihn dies nicht entlasten kann. Das Gebot der Unverzüglichkeit geht dem Gebot der Glaubhaftmachung vor (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1967 – 4 StR 512/66 – juris Rdn. 33). Wenn dem Antragsteller die grundsätzlich notwendige Beibringung einer schriftlichen Erklärung des Zeugen (hier: des Zuhörers) nicht möglich ist, sei es, dass ihm der Zeuge die schriftliche Bestätigung verweigert, sei es, dass er ihn nicht unverzüglich erreichen kann und er wenigstens dies glaubhaft macht, genügt die Bezugnahme auf das Zeugnis (BGH a.a.O.). Der Angeklagte hätte danach sein Ablehnungsgesuch unter entsprechender Darlegung und Glaubhaftmachung auch ohne eine eidesstattliche Versicherung des Zuhörers früher anbringen können.

2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hin hat hingegen einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht zu der Überzeugung kommt, dass der Angeklagte eine Überschreitung der für ein erlaubnisfreies Fahrzeug nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 FeV zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h um “mindestens” 20 km/h (UA S. 12) hätte bemerken und deswegen erkennen müssen, dass er zum Führen dieses Fahrzeugs nicht berechtigt war, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn sie rechtsfehlerhaft ist, insbesondere wenn sie Widersprüche oder erhebliche Lücken aufweist oder mit Denkgesetzen oder gesicherten Erfahrungssätzen nicht vereinbar ist (Senatsbeschluss vom 15.09.2016 – III-4 RVs 107/16 – juris m.w.N.).

Die Beweiswürdigung im Hinblick auf den gegenüber dem Angeklagten erhobenen Fahrlässigkeitsvorwurf ist vorliegend lückenhaft. Das beruht darauf, dass notwendige Feststellungen zur – wie vorliegend erfolgt – Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren, wie sie schon im Ordnungswidrigkeitenverfahren geboten sind, nicht getroffen wurden. Aus den Urteilsgründen ergibt sich lediglich, dass die als Zeugen vernommenen Polizeibeamten angegeben haben, dass sie dem ein Mofa führenden Angeklagten im fließenden Verkehr etwa 100 bis 200m nachgefahren seien, die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs laut Tacho “etwa” 50 km/h betragen habe und die Geschwindigkeit des verfolgten Fahrzeuges der des Polizeifahrzeugs entsprochen habe. Nähere Angaben, wie dies festgestellt wurde, fehlen indes. So wird insbesondere im Bußgeldverfahren für notwendig erachtet, dass angegeben wird, wie groß der Abstand zwischen verfolgendem und verfolgtem Fahrzeug war und wie sich dieser ggf. verändert hat (OLG Hamm, Beschl. v. 04.08.2008 – 2 Ss OWi 409/08 – juris; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.01.2016 – 1 OWi 4 SsBs 1/16 – juris; OLG Oldenburg, Beschl. v. 08.11.2012 – 2 SsBs 253/12 – juris). Weiter bedarf es Angaben dazu, ob die Geschwindigkeitsfeststellung mittels eines geeichten oder ungeeichten Tachos erfolgte (OLG Hamm a.a.O.). Je nach den Modalitäten der Messung sind dann Sicherheitsabschläge von der gemessenen Geschwindigkeit vorzunehmen. Bei einem nicht geeichten bzw. nicht justierten Tachometer im Polizeifahrzeug wird grundsätzlich einen Toleranzabzug von 20 Prozent der abgelesenen Geschwindigkeit für notwendig, aber auch ausreichend erachtet, um bei guten allgemeinen Sichtverhältnissen grundsätzlich alle zu Gunsten des Täters in Betracht kommenden Fehlerquellen menschlicher und technischer Art zu berücksichtigen, wenn der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug etwa den halben bis maximal ganzen Tachowert (in Metern), den das nachfahrende Fahrzeug anzeigt, nicht übersteigt, der Abstand ungefähr gleich bleibt, die Nachfahrstrecke wenigstens rund das Fünffache des Abstandes beträgt und der Tachometer in kurzen Abständen abgelesen wird (OLG Celle, Beschl. v. 25.08.2005 – 222 Ss 196/05 (OWi) – juris; OLG Rostock, Beschl. v. 28.03.2007 – 2 Ss (OWi) 311/06 I 171/06 – juris m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen für einen zwanzigprozentigen Sicherheitsabschlag (der allerdings vom Landgericht nicht vorgenommen wurde) vorliegen oder gar wegen der Umstände der Messung ein größerer Abschlag vorzunehmen wäre, kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht überprüfen.

Der Senat kann zwar ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass es sich bei dem vom Angeklagten geführten Fahrzeug um ein erlaubnisfreies gehandelt hat, denn dazu wäre im Hinblick auf die von ihm gefahrene Geschwindigkeit ein Sicherheitsabschlag von 50% erforderlich gewesen. Vor allem aber ergibt sich dies daraus, dass sich die Überzeugung des Landgerichts insoweit nicht nur auf die tatsächlich vom Angeklagten gefahrene Geschwindigkeit stützt, sondern auf die von einem Zeugen vorgenommenen Messungen auf dem Prüfstand und sachverständigen Bewertungen zur mit seinem Fahrzeug erzielbaren Geschwindigkeit. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite, also bzgl. eines Erkennenkönnens durch den Angeklagten stützt sich das Landgericht hingegen allein auf die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit. Dass das vom Angeklagten geführte Fahrzeug eine höhere Geschwindigkeit als 25 km/h erzielen kann, habe dieser angesichts einer tatsächlich gefahrenen, um 20 km/h höheren Geschwindigkeit erkennen müssen und hätte sich nicht auf die Angabe der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h in der ihm vorliegenden Betriebserlaubnis für das Fahrzeug verlassen dürfen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei ordnungsgemäßer Feststellung der Umstände der Geschwindigkeitsmessung und bei Vornahme eines größeren Sicherheitsabschlags zur Annahme einer niedrigeren tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit gelangt und dann auch zu einer anderen Bewertung bzgl. des Fahrlässigkeitsvorwurfs gelangt wäre.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat allerdings darauf hin, dass selbst bei einer tatsächlich vom Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit von 35 km/h jedenfalls ein Fahrlässigkeitsvorwurf noch äußerst nahe liegen könnte, wird doch in der obergerichtlichen Rechtsprechung bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40 % häufig sogar schon Vorsatz wegen der Erheblichkeit der Überschreitung angenommen (vgl. z. B. OLG Celle, Beschl. v. 26.01.2015 – 321 SsBs 176/14 – juris; OLG Hamm ZfS 2016, 650).

Da das angefochtene Urteil schon im Schuldspruch aufzuheben ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Erwägung zu § 47 StGB, dass der Angeklagte, der sich zur Sache nicht näher eingelassen hat, “keine Einsicht in sein Fehlverhalten” gezeigt habe, rechtsfehlerfrei ist bzw. die Strafzumessung hierauf beruht.