Die vom AG Neunkirchen im vergangenen Jahr kritisierte Zusammenarbeit zwischen der Stadt Neunkirchen und Jenoptik bei der Auswertung von Geschwindigkeitsmessungen hat mittlerweile auch nochmals das OLG Saarbrücken beschäftigt. Im Rahmen der Zusammenarbeit wurden Messergebnisse des Messgeräts TraffiStar S 350 gesammelt und ab ca. 200 Messfotos auf einem Server der Firma bereitgestellt. Eine Mitarbeiterin der Stadt hat die Datensätze dann heruntergeladen und mittels Public Key auf Authentizität geprüft. Die gefertigten Fotos hat sie dann nicht selbst angesehen, sondern zur Aufbereitung an Jenoptik weitergeleitet. Die Privatfirma fertigte u. a. Ausschnitte der Fahrerfotos und Kennzeichenfotos an und stellte jeweils das Geschlecht des Fahrers und den Geschwindigkeitswert fest. Diese bearbeiteten Bilder und Informationen wurden an die Stadt zurückgeschickt, ohne dass nun noch die Authentizität der Daten geprüft werden könnte; ein Vergleich der bearbeiteten Fotos mit den Ausgangsfotos war teilweise nicht möglich, wenn diese unter- oder überbelichtet waren, weil eine Bildbearbeitung der Mitarbeiterin der Stadt nicht möglich/bekannt war. Sie vertraute daher auf die Auswertung der – pro verwertbarem Fall vergüteten – Privatfirma und darauf, dass diese keine Manipulationen vornehme. Das OLG hat den Freispruch des Betroffenen durch das AG Neunkirchen bestätigt, da ein Beweisverwertungsverbot gegeben sei. Fraglich sei bereits, ob die Stadt schon deshalb nicht mehr Herrin des Verfahrens sei bzw. keine ausreichende Kontrolle über Ermittlungsdaten habe, weil diese zunächst auf einem Server eines Privatunternehmens abgelegt werden. Jedenfalls verstoße die Bearbeitung und Auswertung der Rohmessdaten durch eine Privatfirma, ohne dass die Übereinstimmung von Original- und aufbereiteten Daten geprüft wird, gegen Art. 33 Abs. 4 GG. Ein Beweisverwertungsverbot folge daraus, dass der Stadt der ihrer Vorgehensweise entgegenstehende Erlass des saarländischen Ministeriums für Inneres, Kultur und Europa vom 2. Januar 2012 über die Wahrnehmung der Verkehrsüberwachung durch Ortspolizeibehörden gem. § 80 Abs. 4 SPolG bekannt war. Ob der Tatrichter die unveränderten Falldatensätze erneut durch einen Sachverständigen hätte auswerten lassen können, sei mangels einer zulässigen Aufklärungsrüge nicht zu prüfen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 18.05.2017 – Ss BS 8/2017 (8/17 OWi)).
In der Bußgeldsache
g e g e n …
w e g e n Verkehrsordnungswidrigkeit
Verteidiger: …
hat der Bußgeldsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken am 18. Mai 2017 durch
die Präsidentin des Oberlandesgerichts …
den Richter am Oberlandesgericht …
den Richter am Oberlandesgericht …nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Verteidigers des Betroffenen gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG
b e s c h l o s s e n:
1. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Saarbrücken gegen das Urteil des Amtsgerichts Neunkirchen vom 28. Oktober 2016 wird als unbegründet
v e r w o r f e n.
2. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der dem Betroffenen darin erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
G r ü n d e :
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 4. Mai 2015 setzte die Zentrale Bußgeldbehörde des Landesverwaltungsamtes des Saarlandes gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 39 km/h eine Geldbuße in Höhe von 160,– € fest und verhängte gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat. In dem Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen vorgeworfen, am 08.03.2015 um 05:06 Uhr in Neunkirchen, L 124, Westspange, Höhe Haus Nr. 1 als Führer des PKW DACIA (RO), amtliches Kennzeichen …, bei zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h mit einer festgestellten Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug) von 89 km/h gefahren zu sein.
Von diesem Vorwurf hat das Amtsgericht den Betroffenen mit Urteil vom 28. Oktober 2016 aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft am 02.11.2016 Rechtsbeschwerde eingelegt, die sie nach am 08.11.2016 erfolgter Zustellung des Urteils an sie mit am 14.11.2016 beim Amtsgericht eingegangenem Schreiben vom selben Tag mit der ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich der Rechtsbeschwerde angeschlossen; der Verteidiger hat ihre Verwerfung beantragt.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Amtsgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Die Geschwindigkeitsmessung, die dem im Bußgeldbescheid erhobenen Vorwurf zugrunde lag, wurde mit dem an dem von der Stadt …. ausgewählten Standort fest installierten, im Eigentum der Firma …. stehenden Gerät „Traffistar S350“ durchgeführt. Sobald dieses Messgerät ca. 200 Messfotos aufgenommen hat, werden diese „auf einen bei der Firma …. bereitgestellten Server bereitgestellt.“ Sodann erhält die Mitarbeiterin der Stadt …. eine E-Mail, lädt diese Datensätze vom Server herunter und überprüft sie mittels eines allein der Stadt zur Verfügung stehenden sog. Public Key auf ihre Authentizität, was in dem verwendeten Programm durch einen Signaturvermerk in Form eines Schlosssymbols angezeigt wird. Die Mitarbeiterin schaut sich die Datensätze in Form eines Übersichtsfotos nicht im Einzelnen an, sondern versiegelt sie und schickt sie zur Aufbereitung an die …. weiter. Dort werden die Bilder dergestalt bearbeitet, dass der Fahrer und das Kennzeichen ausgeschnitten sowie Geschwindigkeitswert, Tatort, Geschlecht des Fahrers und Kennzeichen aufgezeichnet werden, wobei die Daten ab dem Eingang bei …. beliebig manipulierbar sind und gezielt verändert werden können. Anschließend werden die bearbeiteten Bilder zurück an die städtische Mitarbeiterin gesandt, wobei sich in diesem Stadium ein Signaturvermerk, dass die Daten nicht verändert worden sind und die Authentizität nach wie vor gewährleistet ist, nicht mehr findet. Vielmehr muss die Mitarbeiterin der Stadt die Daten durch einen Vergleich der bearbeiteten Bilder mit dem Ausgangsbild kontrollieren, indem sie die im Ausgangsfoto vorhandenen Daten wie Fahrerbild und Kennzeichen sowie die Geschwindigkeit abgleicht und entscheidet, ob das Verfahren eröffnet wird oder nicht oder ob eine weitere Bearbeitung durch …. notwendig ist. Da die Ausgangsfotos teilweise über- oder unterbelichtet sind und etwa das Kennzeichen oder den Fahrer nicht erkennen lassen, ist in diesen Fällen eine solche Überprüfung nur durch ein Aufhellen oder Abdunkeln des Ausgangsbildes möglich, was der städtischen Mitarbeiterin aber jedenfalls bis zum 06.01.2016 nicht bekannt war. Die städtische Mitarbeiterin, die ihren eigenen Angaben zufolge für eine solche Überprüfung ca. 2-3 Minuten benötigt und ca. 200 dieser Fälle pro Tag zu überprüfen hat und bei einer täglichen Arbeitszeit von 8.25 Stunden daneben noch für die mobile Geschwindigkeitsüberwachung, die Überwachung des ruhenden Verkehrs und das städtische Fundbüro zuständig ist, vertraute allerdings, soweit der Fahrer auf dem bearbeiteten Bild und dem Ausgangsbild übereinstimmte, der Vorauswahl von …. und ging grundsätzlich davon aus, dass …. keine Manipulationen vornehme. Die …. erhält aufgrund des mit der Stadt geschlossenen Vertrags für jeden Fall, der ins Ordnungswidrigkeitenverfahren übergeht, …. €.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen der ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung nicht für überführt gehalten, da das dem Tatvorwurf und der Täteridentifizierung zugrunde liegende Messfoto aufgrund der festgestellten Umstände einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Zum einen verstoße das praktizierte Auswertungsverfahren gegen den saarländischen Erlass über die Wahrnehmung der Verkehrsüberwachung durch Ortspolizeibehörden gem. § 80 Abs. 4 SPolG, da es an der dort vorgeschriebenen räumlich-organisatorischen Integration der privaten Helfer in die Verwaltungsbehörde sowie an deren Beaufsichtigung fehle. Schon dies führe zu einem Beweisverwertungsverbot, weil die Stadt …. die Vorgaben des ihr bekannten Erlasses zumindest grob fahrlässig missachtet habe. Unabhängig von dem Verstoß gegen den Erlass unterlägen die Messfotos aber auch deshalb einem Beweisverwertungsverbot, weil deren Aufbereitung und Auswertung auf die …. als privates Unternehmen übertragen worden sei, ohne diese Tätigkeit trotz gegebener Manipulationsmöglichkeiten ausreichend zu überwachen, so dass nicht mehr von einer hoheitlichen Tätigkeit ausgegangen werden könne.
2. Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots ist bereits auf die Sachrüge hin zu überprüfen, soweit sich die einer solchen Annahme zugrunde liegenden Feststellungen und Wertungen aus den Urteilsgründen ergeben (vgl. BGHSt 51, 285 ff., juris Rn. 13, 15; OLG Hamm, Beschl. v. 29.05.2007 – 4 Ss OWi 328/07, juris Rn. 4; OLG Frankfurt NStZ-RR 2011, 46 ff., juris Rn. 5; NStZ-RR 2016, 185 f., juris Rn. 7; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, juris Rn. 3; Senatsbeschluss vom 13. September 2016 – Ss RS 21/2016 (28/16 OWi) -; Meyer-Goßner/Schmitt, 60. Aufl., § 261 Rn. 38; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 337 Rn. 30). Ein Beweisverwertungsverbot stellt eine rechtliche Ausnahme vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO) dar (vgl. KK-Ott, StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 34), so dass dessen fehlerhafte Annahme zu einem auf die Sachrüge hin zu beachtenden Fehler der Beweiswürdigung führt, soweit das Beweismittel aus der Beweiswürdigung ausgeschlossen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 13. September 2016 – Ss RS 21/2016 (28/16 OWi) -).
b) Die Gründe des angefochtenen Urteils tragen die Annahme eines Beweisverwertungsverbots bezüglich des anlässlich der Geschwindigkeitsüberwachung im vorliegenden Fall gefertigten Messbildes.
aa) Die Auswertung der dem Messbild als gerichtlichem Beweismittel zugrunde liegenden Messdokumentation war rechtswidrig.
aaa) Gemäß Art. 33 Abs. 4 GG ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Die Feststellung, Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten gehört als typische Hoheitsaufgabe zum Kernbereich originärer Staatsaufgaben (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 342 m. w. N.; NStZ-RR 2016, 185 f., juris Rn. 8; NStZ-RR 2016, 322 f., juris Rn. 16; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, juris Rn. 6; Brenner, NJW 2016, 3319). Eine eigenverantwortliche Wahrnehmung dieser Aufgaben durch Privatpersonen scheidet damit aus (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2016, 185 f., juris Rn. 8; NStZ-RR 2016, 322 f., juris Rn. 16; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, juris Rn. 6; Brenner, a. a. O.). Das schließt zwar nicht aus, dass die Verwaltungsbehörde sich technischer Hilfe durch Privatpersonen bedient (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2015, 261, juris Rn. 1; NStZ-RR 2016, 185 f., juris Rn. 8; NStZ-RR 2016, 322 f., juris Rn. 16; OLG Rostock, Beschl. v. 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15, juris Rn. 12; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, juris Rn. 6; Brenner, NJW 2016, 3319 f.). In jedem Fall muss aber sichergestellt sein, dass die Verwaltungsbehörde „Herrin“ des Verfahrens bleibt (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 342 m. w. N.; NStZ-RR 2015, 261, juris Rn. 1; NStZ-RR 2016, 322 f., juris Rn. 15; OLG Hamm DAR 2016, 397; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, juris Rn. 6). Auch in den Fällen der Hilfe durch Privatpersonen muss daher die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel bei ihr verbleiben (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2016, 185 f., juris Rn. 8; NStZ-RR 2016, 322 f., juris Rn. 17). Die Verwaltungsbehörde ist deshalb dafür verantwortlich, dass die bei der amtlichen Überwachung der Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verwendeten Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte und die Auswertung von deren Daten den gesetzlichen Regelungen und den Anforderungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt entsprechen (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2016, 185 f., juris Rn. 8; NStZ-RR 2016, 322 f., juris Rn. 17; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, juris Rn. 6). Bei Geschwindigkeitsmessungen muss die Behörde daher nicht nur Ort, Zeit, Dauer und Häufigkeit der Messungen vorgeben, sondern auch den eigentlichen Messvorgang durch eigene ausgebildete Mitarbeiter kontrollieren, um gegebenenfalls einschreiten zu können (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 342). Zudem muss ihr die Auswertung der Messergebnisse, namentlich der Falldateien, die im Rahmen der Messung erfasst werden, vorbehalten bleiben (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 342; NStZ-RR 2016, 322 f., juris Rn. 17; a. A., aber nicht tragend offenbar OLG Rostock, Beschl. v. 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15, juris Rn. 12). Schließlich muss sie die Kontrolle über die Ermittlungsdaten behalten (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2015, 261, juris Rn. 1; OLG Hamm DAR 2016, 397) und die Entscheidung, ob und gegen wen sie ein Bußgeldverfahren einleitet, muss allein bei ihr verbleiben (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2015, 261, juris Rn. 1; NStZ-RR 2016, 185 f., juris Rn. 8; NStZ-RR 2016, 322 f., juris Rn. 17; OLG Hamm DAR 2016, 397). Für die gerichtliche Verwertbarkeit der Messdatenauswertung ist dabei entscheidend, dass die Authentizität der Falldateien (technisch erzeugte Messdaten) mit ihrer lesbaren Darstellung (Messbild) – also das in der Bußgeldakte befindliche lesbare Beweismittel aus der dazugehörigen Falldatei stammt – sichergestellt ist (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2016, 322 f., juris Rn. 17; Brenner, NJW 2016, 3320). Ein bloßes „Abnicken“ der durch ein privates Unternehmen vorbereiteten Auswertung verletzt daher die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass Hoheitsaufgaben dieser Art nur von Behörden durchgeführt werden dürfen (vgl. Brenner, a. a. O.).
bbb) Diese Voraussetzungen für eine zulässige Einschaltung von Privatpersonen im Bereich der Geschwindigkeitsüberwachung hat das Amtsgericht auf dem Boden der von ihm getroffenen Feststellungen im vorliegenden Fall mit Recht nicht als gewahrt angesehen.
(1) Es ist fraglich, ob den vorgenannten Vorgaben bereits deshalb nicht entsprochen wurde, weil die von dem Geschwindigkeitsmessgerät erzeugten Messdaten nach der Aufnahme von ca. 200 Messfotos zunächst auf einen bei der …., also einem Privatunternehmen, bereitgestellten Datenserver übertragen wurden. Bereits hierdurch könnte die Stadt …. die Kontrolle über die Ermittlungsdaten aus der Hand gegeben haben. Das kann indes dahingestellt bleiben.
(2) Jedenfalls hat die Stadt …. durch das im Anschluss hieran praktizierte Verfahren der Übertragung der Auswertung der Messdaten an das Privatunternehmen …. gegen die dargelegten Anforderungen an die Einschaltung von Privatpersonen bei der Feststellung und Verfolgung von (Verkehrs-)Ordnungswidrigkeiten verstoßen.
Zwar scheidet auch im Rahmen der Auswertung der Rohmessdaten die Einschaltung eines Privatunternehmens nicht von vornherein aus. So steht es etwa der Annahme, die Ordnungsbehörde sei noch Herrin des Verfahrens, nicht entgegen, wenn die von ihr erhobenen und bei ihr gespeicherten Daten zu einer „unverbindlichen Vorauswahl“ verschlüsselt an ein privates Unternehmen versandt und von diesem nach einer entsprechenden Vorauswertung vollständig zurückgesandt wurden (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2015, 261, juris Rn. 3). Ebenso wenig ist es in der obergerichtlichen Rechtsprechung beanstandet worden, dass eine Behörde bei einer mit dem stationären Gerät „Poliscan Speed“ durchgeführten Geschwindigkeitsmessung ein privates Unternehmen damit beauftragte, im Rahmen der Auswertung der Messung die Position des sogenannten Auswerterahmens zu prüfen, um Messungen, bei denen eine Verwertbarkeit von vornherein ausscheidet, auszusortieren. Denn dieser Prüfvorgang des privaten Dienstleisters habe in Fällen, in denen der Auswerterahmen korrekt im Foto justiert ist, auf die Messung und die Messauswertung und somit auf das Messergebnis keinen Einfluss (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, juris Rn. 4, 7).
Die im vorliegenden Fall erfolgte Beteiligung der …. an der Auswertung der Messdaten geht jedoch hierüber weit hinaus. Die Bearbeitung und Auswertung der Rohmessdaten wurde von der Stadt …. gänzlich auf die Jenoptik übertragen, ohne dass die Authentizität dieser Rohmessdaten mit den der Stadt … von der …. anschließend überlassenden Bildauswertungen sichergestellt worden wäre. Hierzu hätte schon im Hinblick darauf, dass die Rohmessdaten ab dem Eingang bei der …. gezielt verändert werden konnten, zumindest eine ausreichende Kontrolle im Wege des Abgleichs der bearbeiteten Daten – also der lesbaren Darstellungen, die als Grundlage für den Erlass des Bußgeldbescheids herangezogen werden sollten – mit den zugrunde liegenden Falldateien gewährleistet sein müssen (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 20016, 185 f., juris Rn. 11). Daran fehlte es hier. Nach in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen war der von der Stadt …. hiermit betrauten Mitarbeiterin eine ordnungsgemäße Überwachung und Kontrolle der von der …. durchgeführten Auswertung der Messdaten sowohl aus fachlichen als auch aus zeitlichen Gründen nicht möglich. So war ihr im hier maßgeblichen Bearbeitungszeitpunkt schon nicht die Möglichkeit bekannt, das Ausgangsbild aufzuhellen oder abzudunkeln, was in Fällen der Unter- bzw. Überbelichtung des Ausgangsbildes die erforderliche Kontrolle mit dem bearbeiteten Bild überhaupt erst ermöglicht hätte. Zudem war – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – unter Berücksichtigung der Anzahl der von Mitarbeiterin der Stadt Neunkirchen täglich zu kontrollierenden Fälle, der ihr obliegenden weiteren Aufgaben sowie ihrer täglichen Arbeitszeit eine ordnungsgemäße Überwachung und Kontrolle der von der …. vorgenommen Auswertung der Falldateien schon aus rein zeitlichen Gründen nicht möglich. Vielmehr drängt es sich auf, dass die städtische Mitarbeiterin auf die Richtigkeit der Auswertung der …. blind vertraute und diese lediglich „abnickte“. Damit ist die Stadt …. der verfassungsrechtlichen Vorgabe, Herrin des Verfahrens zu bleiben, aber nicht gerecht geworden.
bb) Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht auch ein Beweisverwertungsverbot angenommen.
aaa) Zwar ist dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd (BGHSt 44, 243, 249; 51, 285 ff., juris Rn. 20). Vielmehr ist diese Frage grundsätzlich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und des Gewichts des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (BGHSt 44, 243, 249; 51, 285 ff., juris Rn. 20). In Sonderfällen schwerwiegender Rechtsverletzungen, die durch das besondere Gewicht der jeweiligen Verletzungshandlung bei grober Verkennung der Rechtslage geprägt sind, sind Beweismittel jedoch darüber hinaus unverwertbar, weil der Staat auch in solchen Fällen aus Eingriffen ohne Rechtsgrundlage keinen Nutzen ziehen darf. Eine Verwertung würde hier gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstoßen (vgl. BGHSt 51, 285 ff., juris Rn. 23). Das ist insbesondere der Fall, wenn die Entscheidung nach dem Maßstab (objektiver) Willkür oder grober Fehlbeurteilung nicht mehr vertretbar gewesen ist (vgl. BGHSt 51, 285 ff., juris Rn. 24). Im Bußgeldverfahren zieht eine rechtswidrige Einbindung Privater in die Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung demgemäß dann ein Verwertungsverbot nach sich, wenn die Behörde willkürlich zu Lasten des Betroffenen oder unter bewusster Missachtung der für sie geltenden Bestimmungen gehandelt hat (vgl. OLG Frankfurt NJW 1995, 2570, 2571; NStZ-RR 2003, 342; OLG Naumburg, Beschl. v. 07.05.2012 – Ss (Bz) 25/12, juris Rn. 4 f., das darüber hinaus ein Beweisverwertungsverbot auch im Falle einer völligen Gleichgültigkeit gegenüber den einschlägigen bindenden Normen annimmt).
bbb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze unterliegt das unter rechtswidriger Beteiligung der …. an der Auswertung der Rohmessdaten zustande gekommene Messbild im vorliegenden Fall einem Verwertungsverbot. Denn die Stadt …. hat hierbei unter bewusster Missachtung der für sie geltenden Bestimmungen gehandelt.
(1) Nach den in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen war der Stadt …. der insoweit maßgebende Erlass des saarländischen Ministeriums für Inneres, Kultur und Europa vom 2. Januar 2012 über die Wahrnehmung der Verkehrsüberwachung durch Ortspolizeibehörden gem. § 80 Abs. 4 SPolG (nachfolgend: Erlass) bekannt. Ziffer 1. des Erlasses enthält ausführliche Hinweise auf die in den Fällen der Übertragung der Befugnis zur Überwachung (unter anderem) „der Einhaltung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten durch mobile und stationäre Überwachungsanlagen (fließender Verkehr“ innerhalb geschlossener Ortschaften auf die Ortspolizeibehörden bestehende „Rechtslage“. Dort heißt es unter anderem: „Eine Übertragung von Verkehrsüberwachungsaufgaben auf Privatunternehmen ist nicht möglich, da die Erforschung und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten eine hoheitliche Aufgabe ist. Die systematische Ermittlung, Dokumentation, Verfolgung und Ahndung von Verkehrsverstößen stellen rechtlich gesehen eine Einheit dar; ein Herauslösen einzelner Ermittlungsschritte würde den Bereich funktionell originärer Staatsaufgaben berühren. … Eine Privatisierung der Geschwindigkeitsüberwachung ist nach der geltenden Verfassungslage in der Bundesrepublik Deutschland nicht zulässig, da die Verkehrsüberwachung eine staatliche Aufgabe ist.“ Es folgen Ausführungen dazu, unter welchen Voraussetzungen die Mitwirkung von Privaten im Rahmen der Verkehrsüberwachung „im Ausnahmefall in sehr beschränktem Umfang“ möglich ist. Unter der Überschrift „Private als Verwaltungshelfer im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung“ wird unter anderem darauf hingewiesen, dass die Mitwirkung privater Unternehmen möglich sei, wenn „privates Personal unter ständiger Aufsicht eines entsprechend ausgebildeten Bediensteten der Ortspolizei“ stehe und dieses „seine Arbeit nach den Weisungen der Ortpolizeibehörde verrichtet“, was unter anderem voraussetze, dass „der entsprechende Arbeitnehmer sowohl organisatorisch als auch räumlich in die jeweilige Gemeindeverwaltung integriert“ sei, er seine Tätigkeit „in einem Büro der Ortspolizeibehörde“ verrichte und „mindestens 18 Wochenstunden für die gleiche Ortspolizeibehörde tätig“ sei, wobei sich die Funktion „ausschließlich auf Hilfstätigkeiten“ beschränken dürfe.
(2) Da der Stadt …. diese in dem Erlass erfolgten Hinweise auf die Rechtslage bekannt waren, wusste sie jedenfalls, dass sie die Bearbeitung und Auswertung der Rohmessdaten nicht auf die …. übertragen durfte, ohne zugleich die Authentizität dieser Rohmessdaten mit den ihr von der …. anschließend überlassenden Bildauswertungen sicherzustellen. Denn aus den in dem Erlass enthaltenen rechtlichen Hinweise ging klar hervor, dass der …. die Auswertung der Messdaten nicht zur selbstständigen Erledigung übertragen, sondern diese allenfalls mit die Auswertung vorbereitenden, anschließend aber ausreichend durch einen fachkundigen städtischen Mitarbeiter zu kontrollierenden Tätigkeiten betraut werden durfte. Dies hat die Stadt …. bewusst nicht getan, indem sie für eine fachlich und quantitativ ausreichende Personalausstattung, die eine ordnungsgemäße Überwachung und Kontrolle der von der …. durchgeführten Auswertung der Messdaten überhaupt erst ermöglicht hätte, keine Sorge getragen hat. Es kommt daher nicht darauf an, dass der hier maßgebende saarländische Erlass – anders als der in den vom Oberlandesgericht Frankfurt (NStZ-RR 2003, 342 f.; NStZ-RR 2016, 322 f.) und vom Oberlandesgericht Naumburg (a. a. O.) entschiedenen Fällen in Rede stehende Erlass – eine Auswertung der Messdaten durch Privatunternehmen nicht ausdrücklich verbietet. Ebenso wenig bedarf der Entscheidung, ob schon der Verstoß gegen den Erlass – als Verwaltungsvorschrift mit zunächst rein verwaltungsinterner Bindungswirkung (vgl. BVerwGE 100, 335 ff., juris Rn. 18; 104, 220 ff., juris Rn. 18; VerfGH Berlin NJW-RR 2004, 1706 ff., juris Rn. 32; BGH NJW 2014, 2874 ff., juris Rn. 14) – für sich allein ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen kann ( so OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 342 f.; OLG Naumburg, a. a. O.; a. A.: OLG Rostock, Beschl. v. 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15, juris Rn. 16). Denn entscheidend ist im vorliegenden Fall nicht, ob die Stadt …. gegen den Erlass verstoßen hat, sondern allein, dass sie – wie ausgeführt – in verfassungsrechtlich nicht zulässiger Weise ein Privatunternehmen in die Auswertung einer Geschwindigkeitsüberwachung eingebunden hat.
c) Schließlich verhilft auch der Einwand der Staatsanwaltschaft und – ihr folgend – der Generalstaatsanwaltschaft, der Tatrichter wäre bei Eingreifen eines Beweisverwertungsverbots jedenfalls gehalten gewesen, selbst eine Auswertung der bei der Stadt noch vorhandenen Rohdaten durchzuführen bzw. hierzu einen Sachverständigen zu beauftragen, ihrer Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Dieser Einwand entzieht sich der dem Rechtsbeschwerdegericht auf die – ausschließlich erhobene – Sachrüge hin obliegenden Nachprüfung des angefochtenen Urteils. Denn mit ihm wird die Verletzung der dem Amtsgericht gemäß § 244 Abs. 2 StPO (i. V. mit § 46 Abs. 1 OWiG) obliegenden Aufklärungspflicht gerügt, was die Erhebung einer entsprechenden Verfahrensrüge mit weitergehendem Sachvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i. V. mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) vorausgesetzt hätte (vgl. BGHSt 51, 285 ff., juris Rn. 13; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 337 Rn. 30). Aus den von der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft insoweit in Bezug genommenen Entscheidungen lässt sich nichts anderes herleiten. In dem vom Oberlandesgericht Rostock (Beschluss vom 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15) entschiedenen Fall hatte die Staatsanwaltschaft eine entsprechende Aufklärungsrüge in zulässiger Weise erhoben. In dem vom Oberlandesgericht Frankfurt (NStZ-RR 2016, 185 f.) entschiedenen Fall führte die von der Staatanwaltschaft erhobene Sachrüge bereits mangels ausreichender Feststellungen zur behördlichen Überprüfung der von einem Privatunternehmen durchgeführten Messauswertungen zur Aufhebung des freisprechenden Urteils; am Ende der Entscheidung wies der dortige Senat den Tatrichter für die neue Hauptverhandlung lediglich darauf hin, dass mit den noch vorhandenen Falldateien die erforderliche Überprüfung durch die örtliche Ordnungsbehörde noch nachgeholt oder die Geschwindigkeitsüberschreitung mit Hilfe eines Sachverständigen geklärt werden könne.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.
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