Michiel1972, Wikimedia Commons

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Das OLG Celle hatte über die Vergütung eines Sachverständigen zu entscheiden, der gemäß Beweisbeschluss des Landgerichts Hannover in einem dortigen Berufungsverfahren die Beschädigung eines Fahrzeugs in einer Autowaschanlage zu begutachten hatte. Der Sachverständige beantragte, die von ihm zu erbringende Leistung dem Sachgebiet 37 “Ursachenermittlung und Rekonstruktion bei Fahrzeugunfällen” und damit der Honorargruppe 12 in Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG zuzuordnen. Das OLG hingegen hält Sachgebiet Nr. 20 “Kraftfahrzeugschäden und -bewertung” und damit nur die Honorargruppe 8 für einschlägig. Ein Fahrzeugunfall, wie er für das Sachgebiet 37 vorausgesetzt werde, liege nicht vor, wenn von außen auf ein sich passiv verhaltendes Kfz eingewirkt werde, wie es in einer Waschstraße der Fall ist, in der das Fahrzeug selbst nicht in Betrieb ist. Etwas anderes könne gelten, wenn ein Fahrer (möglicherweise) durch Lenken, Bremsen in den Waschvorgang eingreift (OLG Celle, Beschluss vom 12.06.2017 – 2 W 119/17).

Die Beschwerde des Sachverständigen J. S. vom 17. Mai 2017 gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 27. April 2017, durch den die vom Sachverständigen nach dem Beweisbeschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 30. Mai 2016 zu erbringende Leistung der Honorargruppe 8 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG („Kraftfahrzeugschäden und -bewertung“) zugeordnet worden ist, wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

Die gemäß § 4 Abs. 3 i. V. m. 9 Abs. 1 Satz 5 JVEG zulässige Beschwerde des Sachverständigen, über die der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung und einer besonderen Schwierigkeit rechtlicher Art gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG in seiner vollen Besetzung zu entscheiden hatte, ist nicht begründet.

Die Begründung der Einzelrichterin des Landgerichts, die sich im Wesentlichen in der Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landgerichts Osnabrück vom 1. September 2015 (Az.: 9 T 419/15) erschöpft, vermag zwar schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die Begründung des Landgerichts Osnabrück in wesentlichen Teilen unzutreffend ist.

So hat das Landgericht Osnabrück schon im Ausgangspunkt verkannt, dass auch Waschanlagen zum allgemein zugänglichen Verkehrsraum zählen und es mithin auch dort zu einem Unfall im Straßenverkehr kommen kann (siehe nur Fischer, StGB, 59. Auflage, § 142 Rn. 8). Ungeachtet dessen ist in Ziffer 37 der Anlage 1 zu § 9 JVEG nur von einem „Fahrzeugunfall“, nicht aber von einem „Unfall im Straßenverkehr“ (siehe § 34 Abs. 1 StVO) oder einem „Verkehrsunfall“ (siehe § 142 Abs. 1 StGB) die Rede.

Ebenfalls fernliegend ist die Auffassung des Landgerichts Osnabrück, ein Unfall in einer Waschanlage stelle kein notwendigerweise plötzliches Ereignis dar. Das Landgericht Osnabrück verkennt den Wesensgehalt des Tatbestandsmerkmals „plötzlich“. Der Begriff der Plötzlichkeit dient in erster Linie zur Abgrenzung von solchen Ereignissen, bei denen es allmählich über einen längeren Zeitraum zum Eintritt des Schadens kommt (vgl. nur Rüffer, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, 3. Auflage, § 178 Rn. 8). Ferner geht es in subjektiver Hinsicht um unerwartete, überraschende und deshalb unentrinnbare Ereignisse (Rüffer, a. a. O. Rn. 9). Beides trifft auf eine Beschädigung eines Kraftfahrzeuges in einer Waschanlage zu.

Dies ändert aber nichts daran, dass im Ergebnis nur eine Zuordnung der vom Sachverständigen zu erbringenden Leistung zum Sachgebiet der Ziffer 20 (Honorargruppe 8) der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG in Betracht kommt, weil das Sachgebiet der Ziffer 37 (Honorargruppe 12) jedenfalls im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist.

Zwar ist richtig, dass unter einem Unfall nach allgemeiner Meinung ein auf einer äußeren Einwirkung beruhendes plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmtes Ereignis verstanden wird, welches Schaden an Menschen oder Sachen verursacht (siehe nur Filthaut, Haftpflichtgesetz, 6. Auflage, § 1 Rn. 124; vgl. auch die Legaldefinition in § 178 VVG). Wenn daher in Ziffer 37 der Anlage 1 zu § 9 JVEG der Begriff des „Fahrzeugunfalles“ Verwendung findet, könnte dies dafür sprechen, jedwedes plötzliches zur Schädigung eines einzelnen (Kraft-)Fahrzeuges führendes Ereignis ausreichen zu lassen.

Ein solches nur am Wortlaut der Ziffer 37 orientiertes isoliertes Verständnis verbietet sich aber schon deshalb, weil bei der Auslegung immer der Bedeutungszusammenhang, also der Kontext mit anderen Regelungen und deren Inhalt, zu beachten ist (vgl. nur Larenz/Canaris, Methodenlehre des Rechts, 3. Auflage, S. 145 ff.). Wenn aber die begriffliche Systematik sämtlicher Ziffern der Sachgebietsbezeichnungen in den Blick genommen wird, fällt auf, dass in der Nr. 37 bezeichnenderweise nicht allgemein von der Ursachenermittlung bei Fahrzeugschäden, sondern (nur) bei Fahrzeugunfällen die Rede ist. Schon die Verwendung des Wortes Fahrzeugunfall macht insoweit deutlich, dass der Gesetzgeber nicht schon jeglichen Fahrzeugschaden für ausreichend erachtet hat. Dass der Gesetzgeber insoweit bewusst eine Differenzierung vorgenommen hat, folgt schon aus den Regelungen in Ziffer 4.3 und 13.3, wo (nur) von „Schadensermittlung, -ursachenermittlung und -bewertung“ die Rede ist. Wenn der Gesetzgeber tatsächlich die Auffassung vertreten hätte, dass die Ziffer 37 bei jedweder Ursachenermittlung im Falle von Fahrzeugschäden Anwendung finden sollte, dann hätte nichts näher gelegen, als den terminus technicus „Fahrzeugschaden“ entsprechend der Regelungen in den Ziffern 4.3 oder 13.3 zu verwenden. Genau dies hat der Gesetzgeber aber nicht getan, sondern den (anderen) Begriff „Fahrzeugunfall“ verwendet. Die Verwendung dieses Begriffes macht mithin deutlich, dass der Gesetzgeber hier ein qualitatives Mehr vor Augen hatte und eben nicht nur der (bloße) Eintritt eines Schadens an einem Kraftfahrzeug und das Erfordernis einer diesbezüglichen Ursachenaufklärung eine höhere Vergütung nach sich zieht. Der klassische Anwendungsbereich des Sachgebietes der Ziffer 37 ist das verkehrsunfallanalytische Gutachten, welches in tatsächlicher Hinsicht einen deutlich höheren Aufwand nach sich zieht als ein gewöhnliches Schadensgutachten.

Dies zugrunde gelegt kann von einem „Fahrzeugunfall“ im Rechtssinne jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn ein auf einer äußeren Einwirkung beruhendes plötzliches Ereignis vorliegt, an dem lediglich ein einzelnes (Kraft-)Fahrzeug (passiv) als Objekt der Schädigung beteiligt ist und diese Beschädigung auch nicht in einem spezifischen Zusammenhang mit dem Betrieb des beschädigten (Kraft-)Fahrzeuges oder dem Betrieb eines anderen Kfz gestanden hat. Insoweit kann nach Auffassung des Senats nichts anderes als in dem Fall gelten, in dem ein einzelnes Kraftfahrzeug durch einen herunterfallenden Ast beschädigt worden ist. Auch hier ist fernliegend, die Aufklärung des Ursachenzusammenhangs dem Sachgebiet der Ziffer 37 zuzuordnen.

Ein solcher spezifischer Zusammenhang des Unfalles mit dem Betrieb des geschädigten Fahrzeuges oder dem Betrieb eines anderen Fahrzeuges ist vorliegend nicht gegeben. Das geschädigte Fahrzeug war nicht im Betrieb bzw. ist nicht mit Motorkraft durch die Waschstraße gefahren. Jedenfalls ist hierzu nichts vorgetragen. Es ist vorliegend auch kein Fall gegeben, in dem die Möglichkeit zu berücksichtigen gewesen wäre, dass der Fahrer des PKW durch ein Lenken, Bremsen oder durch eine Fortbewegung seines Fahrzeugs durch Motorkraft in den Waschvorgang eingegriffen hätte (hierzu siehe AG Hannover, Beschluss vom 1. September 2016, Az.: 520 C 5780/15) oder der Schaden durch eine Grundstellungsfahrt eines Mitarbeiters der Waschanlage eingetreten sein könnte (vgl. hierzu LG Detmold, Beschluss vom 20. Oktober 2016 (Az.: 1 T 138/16). Der Beschwerdeführer kann aus den vorstehend zitierten Entscheidungen also nichts für sich herleiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

Die Entscheidung ist unanfechtbar. Eine weitere Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet gemäß § 4 Abs. 5 JVEG nicht statt.