Zwischen der Angeklagten und der Zeugin kam es beim Einparken durch eine Unachtsamkeit der Zeugin zu einem Verkehrsunfall, als diese rückwärts gegen das in einer Parklücke stehende Fahrzeug der Angeklagten fuhr, wodurch der Pkw der Zeugin beschädigt wurde. Ihre Reparaturkosten betrugen ca. 1400 EUR netto. Die Zeugin kündigte nach dem Zusammenstoß an, mit ihrem Handy die Polizei zu rufen, tat dies aber nicht, sondern fertigte Fotos beider Fahrzeuge an. Danach forderte die Zeugin die Angeklagte mehrfach auf, ihre Personalien mitzuteilen, was diese jedoch nicht tat. Etwa 15 Minuten später fuhr die Angeklagte mit ihrem Pkw davon. Laut dem OLG Hamburg ist hier bereits fraglich, ob die Angeklagte Unfallbeteiligte (§ 142 Abs. 5 StGB) war. Dies sei bei einer bloß mittelbaren Beteiligung aber nur der Fall, wenn ein verkehrswidriges Verhalten der Angeklagten vorgelegen hätte. Im Übrigen sei der Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Fällen wie dem vorliegenden teleologisch zu reduzieren: Ein Unfallbeteiligter sei strafrechtlich – im Gegensatz zur Pflicht aus § 34 Abs. 1 Nr. 5 lit. b StVO – nur zur Angabe, dass ein Unfall geschehen und er daran beteiligt ist, verpflichtet, nicht hingegen zur Angabe seiner Personalien. Er müsse, wenn er sich weigert, seine Daten anzugeben, zwar das Eintreffen der vom Unfallgegner herbeigerufenen Polizei abwarten, was aber dann nicht gelte, wenn der andere diese nicht zu rufen beabsichtigt. Dies sei hier der Fall gewesen, weshalb die Angeklagte sich nicht wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort strafbar gemacht habe (OLG Hamburg, Beschluss vom 30.05.2017 – 2 Rev 35/17)
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 8, vom 17. Oktober 2016 aufgehoben und die Angeklagte wird freigesprochen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hat die Angeklagte am 28. September 2016 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,– Euro verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Hiergegen hat die Angeklagte mit am 3. Oktober 2016 beim Amtsgericht eingegangenen Verteidigerschriftsatz Berufung eingelegt.
Mit Urteil vom 17. Oktober 2016 hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg „aufgehoben“ und dahingehend „neu gefasst“, dass die Angeklagte eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig ist und verwarnt wird. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,– Euro ist vorbehalten worden.
Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte mit am 22. Oktober 2016 bei Gericht eingegangenen Verteidigerschriftsatz Revision eingelegt. Auf Anordnung der Vorsitzenden ist das Urteil nach Fertigstellung des Protokolls sowohl am 23. November 2016 an die Angeklagte als auch am 25. November 2016 an ihren Verteidiger zugestellt worden. Mit am 25. Dezember 2016 eingegangenem Verteidigerschriftsatz ist die Revision mit der ausgeführten allgemeinen Sachrüge begründet worden.
Mit an das Landgericht gerichteter Zuschrift vom 2. Februar 2017 hat die Staatsanwaltschaft beantragt, die Revision der Angeklagten gemäß § 346 StPO zu verwerfen, weil sich bis zum Zeitpunkt der Zustellung des Urteils keine Empfangsvollmacht bei den Akten befunden habe. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2017 hat der Verteidiger der Angeklagten vorgetragen, dass die Revisionsbegründung fristgemäß erfolgt sei, da er von der Angeklagten zuvor rechtsgeschäftlich zur Entgegennahme von Zustellungen beauftragt worden sei. Vorsorglich hat er beantragt, der Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Im Hinblick auf den Wiedereinsetzungsantrag hat das Landgericht mit Verfügung vom 20. Februar 2017 davon abgesehen, die Revision nach § 346 Abs. 1 StPO zu verwerfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. Oktober 2016 mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Hamburg zurückzuverweisen.
II.
Das Urteil des Landgerichts ist aufzuheben und die Angeklagte freizusprechen.
1. Die Revision ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 344, 345 Abs. 1 S. 1 StPO form- und fristgemäß durch den am 25. Dezember 2016 beim Landgericht eingegangenen Verteidigerschriftsatz begründet worden.
Da durch das Landgericht die Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe sowohl an die Angeklagte selbst als auch an ihren Verteidiger bewirkt worden ist, ist gemäß § 37 Abs. 2 StPO die zuletzt, mithin an den Verteidiger am 25. November 2016 bewirkte Zustellung maßgeblich, mit der Folge, dass die Frist bei Eingang der Revisionsbegründungsschrift noch nicht gemäß § 43 Abs. 1 StPO abgelaufen war.
Die Zustellung an den Verteidiger war auch wirksam, da dieser von der Angeklagten rechtsgeschäftlich zur Entgegennahme von Zustellungen beauftragt worden ist. Die rechtsgeschäftliche ist von der gesetzlichen, eine sich gemäß § 145a Abs. 1 S. 1 StPO bei den Akten befindende Vollmacht des Verteidigers voraussetzenden Zustellungsvollmacht zu unterscheiden. Erstere ist nicht an eine besondere Form gebunden und kann auch später, beispielsweise durch anwaltliche Versicherung nachgewiesen werden (Meyer-Goßner/Schmitt § 145a Rn. 2a). Dieses ist vorliegend der Fall. Denn der Verteidiger hat in seinem Schriftsatz vom 15. Februar 2017 versichert, von der Angeklagten auch für Zustellungen rechtsgeschäftlich beauftragt worden zu sein.
2. Die Revision der Angeklagten ist begründet. Die Feststellungen tragen in mehrfacher Hinsicht keine Verurteilung der Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
a) Zum äußeren Tatgeschehen hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen (UA. S. 4-7):
Die Angeklagte befuhr am 28.01.2015 gegen 18.35 Uhr bei Dunkelheit und Regen mit ihrem dunkelgrünen Pkw in Hamburg die A-Straße. Vor der Hausnummer 26 bog die Angeklagte nach rechts schräg in eine Parklücke ab und brachte ihr Fahrzeug so zum Stillstand, dass es mit der hinteren Ecke der Fahrerseite an der Markierung zwischen Parkspur und Fahrbahn und mit der Front über die Bordsteinkante hinaus in Richtung des Gehweges stand. Zeitgleich befand sich die Zeugin G. mit ihrem weißen Pkw vor der Angeklagten auf der in Richtung B-Straße führenden Fahrspur der A-Straße. Die Zeugin setzte ihren Pkw zurück, um ebenfalls in die Parklücke einzufahren. Dabei kam es aufgrund einer Unachtsamkeit der Zeugin zu einer Kollision beider Fahrzeuge. Durch die Kollision wurde an dem Pkw der Zeugin die Heckstoßfängerverkleidung links im unteren Bereich geschrammt, wodurch wenige Zentimeter oberhalb der unteren Zierleiste eine fast runde Schrammspur entstand, die sich schwarz auf dem weißen Lack abhob. Zur Beseitigung dieser Schäden fallen Reparaturkosten von rund 1.400,– Euro netto an.
Die aus ihrem Pkw ausgestiegene Angeklagte betrachtete sowohl ihr eigenes Auto, an dem sie keine Unfallspuren feststellte, als auch den Pkw der Zeugin, an dem sie ebenfalls keine Unfallspur zu erkennen glaubte. Die Zeugin machte die Angeklagte unter Hinweis auf die sich schwarz abhebende Schrammspur im unteren Bereich der linken Heckstoßfängerverkleidung darauf aufmerksam, dass an ihrem Fahrzeug ein Schaden entstanden sei, und kündigte an, die Polizei zu rufen. Die Angeklagte erklärte, dies möge die Zeugin tun. Die Angeklagte erklärte aber auch, dass ihrer Meinung nach der von der Zeugin gezeigte Schaden nicht von dem Unfall stammen könne. In der Folgezeit rief die Zeugin entgegen ihrer Ankündigung nicht die Polizei. Sie fertigte mit ihrem Handy Lichtbilder von den in den Unfall verwickelten Fahrzeugen. Die Angeklagte setzte sich wieder in ihr Fahrzeug, um auf die Polizei zu warten.
Die Zeugin trat sodann an das Fahrzeug der Angeklagten heran, öffnete mehrfach die Fahrertür und verlangte von der Angeklagten die Herausgabe ihrer Personalien. Diese teilte die Angeklagte der Zeugin jedoch nicht mit. Ca. 15 Minuten nach der Kollision setzte die Angeklagte vielmehr ihr Fahrzeug in Betrieb und fuhr, obwohl die Zeugin sie weiter bedrängte, ihre persönlichen Daten zu nennen, aus der Parklücke heraus und auf der A-Straße davon. Die Zeugin erstattete erst am 30. Januar 2015 Anzeige bei der Polizei.
b) Nach diesen Feststellungen hat die Angeklagte nicht den objektiven Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt. Danach wird ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat. Ein Unfallbeteiligter ist nach § 142 Abs. 5 StGB jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
aa) Die Feststellungen belegen schon nicht, dass die Angeklagte Unfallbeteiligte im Sinne des § 142 Abs. 5 StGB war.
(1) Zwar geht das Landgericht im Ansatz zutreffend davon aus, dass ein tatsächliches (Mit-)Verursachen oder gar Mitverschulden für eine Unfallbeteiligung nicht erforderlich ist. Es genügt vielmehr, dass der Täter nach einer ex ante zu beurteilenden Verdachtslage dem äußeren Anschein nach den Unfall mitverursacht haben könnte (BGHSt 8, 265; 12, 255; BayObLG, Beschluss vom 4. Oktober 1999, Az.: 2 St RR 177/99, juris; Fischer § 142 Rn. 15 m.w.N.), wobei hierfür aber nicht jede denkbare Ursache im Sinne der weiten Regeln der Äquivalenztheorie in Betracht kommt (LK-Geppert § 142 Rn. 39). Vielmehr ist weiter zu differenzieren, ob das fragliche Verhalten den Unfall unmittelbar oder nur mittelbar verursacht haben kann. Unmittelbar unfallbeteiligt ist, wer an dem Verkehrsablauf, wie er zu dem Unfall führt, nicht nur durch das Vorhandensein seines Fahrzeuges oder nicht nur durch die bloße Existenz seiner Person, sondern gerade durch seine Fahrweise möglicherweise aktiv beteiligt ist, wobei eine etwaige Regelwidrigkeit der unmittelbaren Unfallverursachung nicht maßgeblich ist. Der nur mittelbar Unfallbeteiligte ist dagegen nicht selbst in die Kollision verwickelt, hat jedoch – zumindest nach der äußeren Verdachtslage – eine Gefahrenlage mitgeschaffen, in deren nahtloser Folge andere Verkehrsteilnehmer einen Unfall erleiden (LK-Geppert a.a.O., Rn. 43).Bei nur mittelbarer Mitverursachung muss – anders als bei unmittelbarer Beteiligung – verkehrswidriges Verhalten oder eine über die normale Verkehrsteilnahme hinausgehende Einwirkung hinzukommen (h.M.; vgl. nur OLG Stuttgart, Urteil vom 22. Mai 2003, Az.: 4 Ss 181/2003, OLGSt StGB § 142 Nr. 20; LK-Geppert a.a.O., Rn. 43; Fischer a.a.O., Rn. 16 jeweils m.w.N.).
(2) Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es „aufgrund einer Unachtsamkeit der Zeugin“ beim Zurücksetzen in die Parklücke zu der Kollision mit dem Fahrzeug der Angeklagten, das bereits in derselben Parklücke zum Stillstand gekommen war. Danach hat die Angeklagte lediglich durch das Vorhandensein ihres Fahrzeugs eine mittelbare Unfallursache gesetzt. Es bleibt jedoch unklar, durch welches nicht verkehrsgerechte Verhalten die Angeklagte eine Gefahrenlage mitgeschaffen und damit den äußeren Anschein einer Mitverursachung des Unfalls gesetzt haben könnte. Die bloße Bezichtigung der Angeklagten seitens der Zeugin, den Unfall verschuldet zu haben, genügt hierfür nicht (vgl. hierzu OLG Stuttgart, a.a.O., 2f.).
Das schräge Einparken in die Parklücke auf der Parkspur ist als alleiniger Umstand nicht geeignet, eine von der Angeklagten geschaffene regelwidrige Gefahrenlage zu begründen. Bei der durch eine durchgezogene weiße Linie markierten Parkspur handelt es sich um eine Parkflächenmarkierung, die regelt, wie zu parken ist. Eine Parkeinschränkung wird dadurch jedoch allein nicht begründet (vgl. Hentschel/König/Dauer § 12 StVO Rn. 56). Schrägparken kann u.U. sogar ausnahmsweise erlaubt sein, wenn der Parkstreifen ausreichend breit und das geparkte Fahrzeug – wie hier – nicht in die Fahrbahn hineinragt (Hentschel/König/Dauer a.a.O. Rn. 58d). Zwar verstieß die Angeklagte gemäß § 12 Abs. 4, Abs. 4a StVO gegen das Verbot, auf Gehwegen zu parken, da ihr Fahrzeug mit der Front über die Bordsteinkante hinaus in den Gehweg hineinragte. Allerdings umfasst der Schutzzweck des Verbots auf Gehwegen zu parken offensichtlich nicht, anderen Autofahrern das Einparken zu ermöglichen oder zu erleichtern. Vielmehr soll dadurch ein ungehindertes Fortkommen der Fußgänger gewährleistet sowie deren Gefährdung ausgeschlossen werden.
Soweit das Landgericht im die rechtliche Würdigung des festgestellten Tatgeschehens betreffenden Abschnitt IV. der Urteilsgründe ausführt, dass „vor dem Hintergrund, dass die Angeklagte in enger zeitlicher Nähe schräg in die Parklücke […] eingefahren war, in die die Zeugin rückwärts einparken wollte“, der Verdacht gegen die Angeklagte bestanden habe, sie habe möglicherweise einen Verursachungsbeitrag zu dem Unfall geleistet, bleibt fraglich, inwiefern der nicht weiter präzisierte Umstand der „engen zeitlichen Nähe“ der Einparkvorgänge eine Unfallbeteiligung der Angeklagten begründen soll. Sofern damit gemeint sein sollte, dass die Zeugin möglicherweise die – noch unbesetzte – Parklücke zuerst unmittelbar einfahrbereit erreicht, mithin gemäß § 12 Abs. 5 StVO den Vorrang hatte (vgl. hierzu Hentschel/König/Dauer a.a.O. Rn. 59), den die Angeklagte sodann in möglicherweise gefahrerhöhender Weise missachtet hatte, geben dies die getroffenen Feststellungen nicht her.
bb) Ungeachtet des Umstandes, dass eine Unfallbeteiligung der Angeklagten nicht festgestellt ist, weist das Urteil einen weiteren durchgreifenden Rechtsfehler auf. Denn indem sich die Angeklagte gegen den Willen der Zeugin von der Unfallstelle entfernte, verstieß sie nicht in tatbestandsmäßiger Weise gegen die in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB begründeten Pflichten. Dies ergibt eine nach Maßgabe des Schutzzwecks von § 142 StGB vorzunehmende teleologische Reduktion des Tatbestandes.
(1) Der Schutzzweck des § 142 StGB besteht darin, „Feststellungen zur Klärung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche zu sichern, d.h. die Durchsetzung berechtigter oder die Abwehr unberechtigter Ansprüche zu ermöglichen“ (BTDrucks. 7/2434, S.5). Weitere, über diesen Schutzzweck hinausgehende Rechtsgüter, namentlich das öffentliche Interesse an der allgemeinen Verkehrssicherheit, werden von § 142 StGB nicht geschützt (ganz h.M., vgl. nur Fischer § 142 Rn. 2 m.w.N.). Es handelt sich somit um ein abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt individualschützender Art (LK-Geppert a.a.O., Rn. 1).
Um das Erreichen des erstrebten Rechtsgutsschutzes zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber für den hier einschlägigen Fall, dass feststellungsbereite Personen am Unfallort anwesend sind, in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB zunächst die Pflicht eines Unfallbeteiligten statuiert, durch seine Anwesenheit am Unfallort die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung zu ermöglichen (nach üblicher Terminologie sog. „Feststellungsduldungspflicht“; vgl. hierzu Küper, GA 1994, 49, 51f.). Zudem muss er diese Feststellungen auch aktiv, nämlich durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglichen (sog. „Vorstellungspflicht“). Insoweit wird der Grundsatz, der nur passiven Feststellungsduldungspflicht durchbrochen, „damit […] solchen Fällen begegnet werden kann, wo der Schädiger zwar pflichtgemäß gewartet, sich aber nicht als Unfallbeteiligter zu erkennen gegeben hat“ (BTDrucks. a.a.O., S. 7). Durch die Verletzung dieser Verhaltenspflichten, deren Inhalt und Grenzen für die Interpretation des Tatbestandes somit bestimmend sind (Küper, JZ 1988, 473), wird das tatbestandliche Unrecht begründet (LK-Geppert a.a.O., Rn. 95).
Die Vorstellungspflicht als „Minimalpflicht aktiver Mitwirkung“ (BTDrucks. a.a.O.) verlangt von dem Unfallbeteiligten lediglich die Angabe, dass ein Unfall geschehen und er daran beteiligt ist. Zu darüber hinaus gehenden Angaben, namentlich dem Geschädigten seine Personalien mitzuteilen, ist der Unfallbeteiligte nicht verpflichtet (ganz h.M., vgl. nur LK-Geppert a.a.O., Rn. 98 m.w.N.). Insoweit reichen die strafrechtlichen Verhaltenspflichten nicht so weit, wie die straßenverkehrsrechtlichen Pflichten eines Unfallbeteiligten (vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 5b StVO).
Da die Durchsetzung oder Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche ohne Kenntnis der Personalien des Unfallbeteiligten regelmäßig gefährdet ist und allein die Anwesenheit des Unfallbeteiligten die feststellungsbereite Person grundsätzlich nicht in die Lage versetzt, die Personalien festzustellen, muss der Unfallbeteiligte, der diese Angaben und ihre Überprüfung verweigert, das Eintreffen der herbeigerufenen Polizei abwarten (h.M., vgl. nur Fischer a.a.O., Rn. 28 m.w.N.). Diese ist in der Regel zumindest aufgrund der subsidiären polizeilichen Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr (vgl. § 3 HmbSOG) befugt, zur Sicherung der zivilrechtlichen Ansprüche auch solche Maßnahmen, namentlich die Durchsetzung der Identitätsfeststellung, zu treffen, die dem privaten Feststellungsberechtigten tatsächlich oder rechtlich nicht möglich sind (MK-Zopfs § 142 Rn. 66; Küper a.a.O., 476 Fn. 20).
Die Pflicht, das Eintreffen der Polizei abzuwarten, setzt allerdings begrifflich voraus, dass diese von dem Feststellungsberechtigten auch tatsächlich herbeigerufen worden ist. Tut er dies nicht, begibt er sich – sofern es sich bei der feststellungsberechtigten Person zugleich um den möglicherweise geschädigten Anspruchsinhaber handelt – des durch den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu gewährleistenden strafrechtlichen Schutzes seiner Vermögensinteressen. Dies bedingt vor dem Hintergrund des geschützten Individualrechtsguts eine teleologische Reduktion des Tatbestandes des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB dahingehend, dass der Unfallbeteiligte bei dieser Sachlage nicht mehr verpflichtet ist, durch seine weitere Anwesenheit am Unfallort Feststellungen zu seiner Person zu ermöglichen (vgl. allgemein zur teleologischen Reduzierung des Tatbestandes des § 142 Abs. 1 StGB: LK-Geppert a.a.O., Rn. 71ff.).
Zwar wird der Unfallbeteiligte nicht schon dann von seiner Anwesenheitspflicht frei, wenn der Geschädigte lediglich private Auskunft über dessen Personalien wünscht und bei Verweigerung keine anderweitigen Identifizierungsmaßnahmen veranlasst. Darin muss nicht zwingend ein durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebrachter stillschweigender Verzicht auf Feststellungen zu sehen sein (vgl. BayObLG, Beschluss vom 5. Februar 1992, Az.: 1 St 278/91, NZV 1992, 245, 246). Vielmehr muss der Unfallbeteiligte dem Geschädigten eine reale Chance einräumen, Feststellungen zur Person am Unfallort treffen zu können. Dies bedeutet, dass er sich nach seiner Weigerung, seine Personalien anzugeben, sich nicht sogleich entfernen darf, wenn der Geschädigte, dem insoweit grundsätzlich eine gewisse Überlegungsfrist einzuräumen ist, nicht sofort die Polizei verständigt. Denn der Unfallbeteiligte ist grundsätzlich bis zum endgültigen Weggang der zur Feststellung berechtigten Personen zur Anwesenheit am Unfallort verpflichtet. Insoweit bestimmt der Feststellungsberechtigte weitgehend darüber, wie lange der Unfallbeteiligte am Unfallort anwesend zu sein hat (Küper a.a.O., 478). Dies ist grundsätzlich nicht unbillig, da es dem Unfallbeteiligten unbenommen bleibt, seine Verweigerungshaltung aufzugeben und über seine Anwesenheitspflicht hinaus durch eigene aktive Mitwirkung die feststellungsbereite Person in die Lage zu versetzen, die erforderlichen Feststellungen selbst treffen zu können (MK-Zopfs a.a.O., Rn. 66).
Wenn sich aber der Geschädigte bereits dazu entschlossen hat, die Polizei nicht zu verständigen, obwohl der Unfallbeteiligte sich ihm gegenüber gerade nicht ausweisen will, sondern nur bereit ist, seine Personalien von der Polizei feststellen zu lassen, dann hat unter dem Gesichtspunkt des geschützten Rechtsguts des „Beweissicherungsinteresses“ die weitere Anwesenheit des Unfallbeteiligten am Unfallort – die nach der gesetzlichen Konzeption die Aufklärungschancen des Geschädigten normativ garantieren soll – keine effektive Funktion mehr (vgl. Küper, GA 1994, 49, 71f.). Bei dieser Sachlage nutzt der Geschädigte die einzig ihm noch verbliebene, rechtlich zulässige Handlungsoption zur Durchsetzung seines Feststellungsinteresses aus allein von ihm zu vertretenden Gründen nicht. Andere zulässige Möglichkeiten zur Feststellung der Personalien des Unfallbeteiligten existieren nicht und können folglich auch nicht beeinträchtigt werden, wenn sich der Unfallbeteiligte schließlich vom Unfallort entfernt. Der Geschädigte hat die Nichterfüllung seines Feststellungsinteresses letztlich selbst zu vertreten (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 10. Januar 1989, Az.: Ss 725/88, OLGSt StGB § 142 Nr. 6, S. 5).
(2) Gemessen an diesen Grundsätzen durfte sich die Angeklagte vorliegend vom Unfallort entfernen. Der Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist dadurch nicht erfüllt worden.
Die Zeugin hatte – wie ausgeführt – nur die Möglichkeit, mit Hilfe der Polizei die erforderlichen Feststellungen in rechtlich zulässiger Weise zu treffen, nachdem die Angeklagte die Angabe ihrer Personalien verweigert hatte. Ihre Ankündigung, die Polizei holen zu wollen, setzte sie indes nicht in die Tat um, obwohl sich die Angeklagte bereit zeigte, das Eintreffen der Polizei abzuwarten. Statt die Polizei anzurufen, nahm die Zeugin zunächst Lichtbilder „von den in den Unfall verwickelten Fahrzeugen“ auf, und bedrängte sodann die wieder in ihrem Pkw sitzende Angeklagte auf unzulässige Weise, namentlich durch mehrfaches Öffnen der Fahrertür, doch noch „ihre persönlichen Daten zu nennen“.
Das Verhalten der Zeugin belegt, dass sie sich entgegen ihrer eigenen Ankündigung dazu entschlossen hatte, auf die Hilfe der Polizei bei der Feststellung der Personalien der Angeklagten zu verzichten, was durch den weiteren Umstand bestätigt wird, dass sie erst am übernächsten Tag Anzeige bei der Polizei gegen die Angeklagte erstattete. In dieser Situation war die Angeklagte nach den dargestellten Grundsätzen nicht mehr zur weiteren Anwesenheit am Unfallort verpflichtet, zumal Feststellungen zur Art ihrer Beteiligung sowie zu ihrem Fahrzeug ersichtlich nicht mehr erforderlich waren, da diese Umstände der Zeugin, die von den Fahrzeugen bereits Lichtbilder aufgenommen hatte, bekannt waren.
Da bereits der objektive Tatbestand entfällt, ist es mangels Versuchsstrafbarkeit schließlich ohne Belang, falls – was nach den getroffenen Feststellungen eher fernliegt – sich die Angeklagte möglicherweise in dem Glauben vom Unfallort entfernt haben sollte, die Polizei sei bereits von der Zeugin verständigt worden.
(3) Infolge der teleologischen Reduktion des Tatbestandes hat die Angeklagte nicht ihre aus § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB folgenden Pflichten verletzt. Für eine Strafbarkeit aus dem Ergänzungstatbestand des § 142 Abs. 2 StGB bleibt daher kein Raum, so dass die Angeklagte endgültig straffrei bleibt (vgl. LK-Geppert a.a.O., Rn. 59, 71).
2. Nach § 354 Abs. 1 S. 1 StPO entscheidet der Senat in der Sache selbst und erkennt auf Freispruch, da die Aufhebung des Urteils wegen eines sachlich-rechtlichen Mangels erfolgt und auszuschließen ist, dass eine neue Hauptverhandlung noch weitere Aufschlüsse zu erbringen vermag. Der Senat spricht die Angeklagte deshalb durch eigene Sachentscheidung frei.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.
Vielen Dank an Herrn Oliver García (dejure.org) für den Hinweis auf diese Entscheidung.
Da fährt einem einer ins Auto und zeigt einen wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort an. UND AG und LG verurteilen! Sachen gibt’s…