Laut einem Beschluss des LG Saarbrücken kann ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort auch vorliegen, wenn der geschädigte Fahrer den Unfallverursacher vor seinem Entfernen nicht nach den Personalien fragt, sondern auf das Eintreffen der Polizei warten will. Der anwesende Geschädigte sei nämlich dann nicht als feststellungsbereite Person anzusehen, wenn dieser nicht in der Lage ist, die erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen, was einzelfallabhängig sei. Festzustellen seien außer den Personalien des Fahrers ggf. auch Angaben zum Halter oder dem Versicherer, Unfallspuren oder der körperliche Zustand eines Beteiligten. Eine solche Möglichkeit des Geschädigten hat das LG in der vorliegenden Situation, in der der Verdacht einer Alkoholisierung des Beschuldigten gegeben war und dieser zuvor ein Mitverschulden des Geschädigten diesem gegenüber behauptet hatte, nicht angenommen. Daher habe der Beschuldigte eine angemessene Zeit bis zum Eintreffen der Polizei warten müssen, wobei seine Anwesenheit von fünf bis zehn Minuten an der Unfallstelle nicht ausreichend gewesen sei.

LG Saarbrücken, Beschluss vom 10.04.2018 – 8 Qs 5/18

1. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wird der Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 19.03.2018 (Az: 8 Gs 557/18 = 65 Js 462/18) aufgehoben.

2. Dem Beschuldigten wird die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Die Beschlagnahme seines Führerscheins gilt hierdurch als angeordnet.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschuldigte.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 StGB.

Nach den Angaben des Geschädigten und einzigen Unfallzeugen St. T. in seiner polizeilichen Vernehmung habe dieser am 22.01.2018 gegen 16.32 Uhr mit seinem PKW VW Golf, amtliches Kennzeichen …, die Körpricher Straße (Bundesstraße B269) in 66822 L. in Fahrtrichtung L. befahren. Etwa in der Ortsmitte von K. habe der Geschädigte sein Fahrzeug verkehrsbedingt bis zum Stillstand abgebremst, da vor ihm fahrende Fahrzeuge links hätten abbiegen und dem Gegenverkehr Vorrang gewähren wollen. Der Beschuldigte als Führer des unmittelbar hinter dem Geschädigten fahrenden PKW Mazda 5, amtliches Kennzeichen …, sei auf dessen Fahrzeug aufgefahren, wodurch am Heck des VW Golf des Geschädigten eine deutlich sichtbare erhebliche Verformung an der Heckklappe und sichtbare Schäden an der Stoßstange, insgesamt ein Sachschaden gemäß Gutachten eines Sachverständigen des TÜV Rheinland von 3.598,20 € netto bzw. 4.281,86 € brutto entstanden sei und der Geschädigte eine ärztlich attestierte HWS-Distorsion ersten Grades erlitten habe.

Nach beiderseitigem Aussteigen aus den Unfallfahrzeugen soll der Beschuldigte den Geschädigten zunächst gefragt haben, warum er so plötzlich gebremst habe, und versucht haben ihn zu überreden, „den Unfall ohne Polizei zu regeln“, was der Geschädigte abgelehnt und sogleich mit seinem Mobiltelefon die zuständige Polizeiinspektion in Lebach informiert habe. Hier habe der Geschädigte die Information erhalten – was der Beschuldigte mitgehört habe -, dass ein Streifenkommando in jedem Fall zur Unfallörtlichkeit kommen werde, dies aber wegen Überlastung der zuständigen Polizeiinspektion etwas dauern könne. Der Beschuldigte habe dann nochmals den Geschädigten zu einer Regulierung ohne Einschaltung der Polizei zu überreden versucht, was dieser wiederum abgelehnt und auf das Abwarten des Eintreffens der Polizeibeamten bestanden habe.

Der Beschuldigte sei dann nach ca. fünf bis zehn Minuten in sein Fahrzeug gestiegen und weggefahren. Der Geschädigte habe noch „zu ihm rübergeschaut und hilfesuchend [seine] Hände [gehoben]“, der Beschuldigte sei aber trotzdem weggefahren, ohne Angaben über seinen Namen und seine Anschrift gemacht zu haben. Dies hat der Geschädigte sogleich gegen 16.45 Uhr telefonisch der Polizeiinspektion Lebach mitgeteilt.

Die Polizeibeamten POK L. und PK D. von der benachbarten Polizeiinspektion Dillingen trafen ca. 15 Minuten später an der Unfallstelle ein. Sowohl telefonisch bei einem der Anrufe bei der Polizei als auch gegenüber den Polizeibeamten vor Ort und in einer späteren schriftlichen Aussage äußerte der Geschädigte den Verdacht, dass der Beschuldigte sein Fahrzeug alkoholisiert geführt haben könnte. Er habe bereits vor dem Unfall beobachtet, dass der Beschuldigte in Schlangenlinien gefahren sei.

Der Beschuldigte hat sich in der Folge weder mit dem Geschädigten noch einer Polizeidienststelle zum Zwecke der Regulierung des Schadens in Verbindung gesetzt. Als die Polizeibeamten PKin M. und PK P. ihn am Abend nach dem Unfall gegen 22.15 Uhr in seiner Wohnung antreffen konnten, machte er auf Befragen keine Angaben zum Unfallhergang und zum Verbleib seines Fahrzeugs, welches von den Polizeibeamten auch sonst nicht aufgefunden werden konnte.

Der Geschädigte hat den Beschuldigten in der Folge auf einer Wahllichtbildvorlage als den Führer des unfallbeteiligten Fahrzeugs wiedererkannt.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.03.2018 hat das Amtsgericht Saarbrücken – Ermittlungsrichter – den Antrag der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 01.03.2018, dem Beschuldigten gemäß § 111a Abs. 1 StPO die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen, abgelehnt, nachdem die Staatsanwaltschaft der Bitte des Amtsgerichts um Nachermittlung, ob der Geschädigte den Beschuldigten überhaupt nach seinen Personalien gefragt habe, nicht nachgekommen war. Das Amtsgericht ist der Auffassung, ein dringender Tatverdacht eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort liege nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen nicht vor. In Betracht komme angesichts der Anwesenheit des Geschädigten am Unfallort allein ein Verstoß gegen die Feststellungsduldungspflicht gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dieser setze indes voraus, dass der „feststellungsberechtigte“ Geschädigte überhaupt nach den Personalien des Beschuldigten gefragt habe. Nur wenn dieser die nachgefragten Angaben verweigert hätte, sei er zum Warten auf die zur Durchsetzung der Feststellungen befugte Polizei verpflichtet gewesen. Anderenfalls sei das Entfernen nicht tatbestandsmäßig.

Mit ihrer Beschwerde, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 27.03.2018 nicht abgeholfen hat, verfolgt die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis weiter. Nach ihrer Auffassung kommt es nicht darauf an, ob der am Unfallort anwesende Geschädigte den Beschuldigten vor dessen Entfernen nach seinen Personalien gefragt hat. Hierzu habe der Geschädigte keine Veranlassung gehabt, nach dem die von ihm – zu Recht – benachrichtigte Polizei ihr Kommen zugesagt habe. Der Geschädigte habe die erforderlichen Feststellungen der Aufnahme durch die Polizei überlassen dürfen, da das Verhalten des Beschuldigten am Unfallort Zweifel an einer korrekten Unfallaufnahme ohne polizeiliche Hilfe erweckt habe.

II.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig und begründet. Sie führt zur Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Beschwerdegericht in der Sache (§ 309 Abs. 2 StPO) ohne vorherige Anhörung des Beschwerdegegners, da hierdurch die kraft Gesetzes mit angeordnete (§ 111a Abs. 3 S. 1 StPO) Beschlagnahme des Führerscheins des Beschuldigten gefährdet würde (§ 308 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 33 Abs. 4 S. 1 StPO).

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegen dringende Gründe vor für die Annahme, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB entzogen werden wird.

1.

Insbesondere liegt der erforderliche dringende Tatverdacht eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 StGB vor, ohne dass es darauf ankäme, ob der Geschädigte den Beschuldigten nach seinen Personalien gefragt hat, bevor dieser sich entfernt hat.

Denn vorliegend kommt – je nach Ergebnis einer gedachten Hauptverhandlung – nicht nur die Anwendung von § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB, sondern auch von § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB oder gegebenenfalls von § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB in Betracht. Der dringende Tatverdacht einer nach § 142 StGB strafbaren Handlung des Beschuldigten ist indes in allen nach derzeitigem Ermittlungsstand als wahrscheinlich erscheinenden Varianten gegeben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war der Geschädigte bis zum Sich-Entfernen des Beschuldigten nicht als feststellungsbereite Person anzusehen (a), durfte auf die Hinzuziehung der Polizei bestehen (b) und hat auch nicht auf die Feststellungen verzichtet (c).

a)

Die Anwendung von § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt zunächst voraus, dass am Unfallort eine feststellungsbereite Person anwesend ist (Umkehrschluss aus Nr. 2; Zopfs in Münchener Kommentar zum StGB, Band 3, 3. Auflage 2017 [nachfolgend zitiert: MüKo – Bearbeiter], § 142 Rn. 53; Fischer, StGB, 65. Auflage 2018, §142 Rn. 23; Niehaus in Freymann/Wellner, juris-Praxiskommentar Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016 [nachfolgend zitiert: juris-PK – Bearbeiter], § 142 StGB Rn. 8, 38; Ernemann in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Auflage 2016 [zitiert: SSW – Bearbeiter], § 142 Rn. 22). Feststellungsbereit ist eine Person, die geeignet und fähig ist und ggf. ein Interesse daran hat, die erforderlichen Feststellungen zugunsten des Berechtigten zu treffen (MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 53; ebenso, aber lediglich in Bezug auf Dritte, die nicht selbst Berechtigte sind: juris-PK – Niehaus, a.a.O., Rn. 38; Geppert in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009 [nachfolgend zitiert: LK – Bearbeiter], § 142 Rn. 52). Nicht ausreichend ist hingegen, dass ein Feststellungsberechtigter am Unfallort anwesend ist, wenn dieser nicht in der Lage ist, die erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen (so zutreffend MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 53). Ob ein Anwesender am Unfallort insbesondere dazu fähig ist, Feststellungen selbst zu treffen, richtet sich danach, welche Feststellungen im Einzelfall notwendig sind und ob der Anwesende tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die jeweiligen Tatsachen selbst zu erheben (MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 53 und ausführlich zur rechtlichen Befugnis in Rn. 66). Im Falle der Anwesenheit feststellungsbereiter Personen hat der Unfallbeteiligte durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt war (aktive Vorstellungspflicht) und durch seine Anwesenheit (passive Duldungspflicht) die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung zu ermöglichen. Der Umfang der zu ermöglichenden und zu duldenden Feststellungen erstreckt sich unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm auf alle Umstände, die zur Durchsetzung berechtigter bzw. Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche erforderlich sind (LK – Geppert, a.a.O., Rn. 102; MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 64; SSW – Ernemann, a.a.O., Rn. 27). Diese Umstände erschöpfen sich indes regelmäßig nicht in den Personalien des Unfallbeteiligten. Die erforderliche Feststellung des Fahrzeugs des Unfallbeteiligten umfasst etwa auch die Angabe des Fahrzeughalters und des Haftpflichtversicherers (LK – Geppert, a.a.O., Rn. 105; a.A.: MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 73), die Feststellungen zur Art der Beteiligung umfassen jedes tatsächliche Verhalten eines Unfallbeteiligten, das nach Lage der Dinge zur Entstehung des Unfalls geführt und für die erfolgversprechende Durchsetzung begründeter bzw. die Abwehr unbegründeter zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche Bedeutung haben kann (LK – Geppert, a.a.O., Rn. 106), wozu u.a. auch die Sicherung von Unfallspuren, Art und Umfang der verursachten Schäden und auch der körperliche Zustand eines Beteiligten, insbesondere eine mögliche Alkoholisierung zählen können, sofern dies für die zivilrechtliche Haftungsfrage und gerade nicht nur für die Strafverfolgung von Bedeutung ist (LK – Geppert, a.a.O., Rn. 107; MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 74 f.; Fischer, a.a.O., Rn. 27; SSW – Ernemann, a.a.O., Rn. 28; Lackner/Kühl, StGB, 28. Auflage 2014, § 142 Rn. 17; BGH, VRS 39, 184; OLG Köln, NStZ-RR 1999, 251).

Zu den in diesem Sinne erforderlichen Feststellungen war der am Unfallort anwesende Geschädigte nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen selbst nicht in der Lage und daher auch nicht als feststellungsbereite Person im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB anzusehen. Selbst wenn der Geschädigte in den nach seiner eigenen Aussage mehreren Minuten, die der Beschuldigte am Unfallort verblieben ist, in der Lage gewesen sein mag, die Person des Beschuldigten durch Befragen – unterstellt, der Beschuldigte sei kooperationswillig gewesen und hätte auch wahrheitsgemäß geantwortet und seine Angaben auf Verlangen durch Vorzeigen geeigneter Identitätspapiere freiwillig belegt (vgl. hierzu MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 54, 65) – und dessen Fahrzeug durch Inaugenscheinnahme und ggf. Anfertigen von Lichtbildern festzustellen, wäre dies im Hinblick auf die nicht völlig geklärte Unfallsituation unzureichend gewesen. Denn einerseits soll der Beschuldigte nach Angaben des Geschädigten sinngemäß geäußert haben, der Geschädigte habe ohne zureichenden Grund zu stark gebremst, andererseits will der Geschädigte bei dem Beschuldigten vor dem Unfall ein Fahren in Schlangenlinien als Anzeichen einer etwaigen Alkoholisierung wahrgenommen haben. Ersterer Umstand darf den Geschädigten befürchten lassen, dass die Tatsachen des Unfallgeschehens bei der Regulierung des Schadens keineswegs unstreitig sein werden, weshalb der Geschädigte ein beachtenswertes Interesse an der Feststellung äußerer Anzeichen für den Unfallhergang (etwa Bremsspuren, Beschädigungen oder Beeinträchtigungen der Betriebssicherheit des Fahrzeugs des Beschuldigten) haben durfte. Angesichts eines bei streitigem Unfallhergang mit dem möglichen Vorwurf grundlosen Abbremsens in Betracht kommenden Verursachungsbeitrags des Geschädigten kommt weiterhin auch anderen verschuldensrelevanten Umständen mit Blick auf die zivilrechtliche Haftungsverteilung Bedeutung zu, insbesondere der Frage einer etwaigen Alkoholisierung des Beschuldigten. Zumindest zu den hierzu erforderlichen Feststellungen war der Geschädigte selbst unzweifelhaft weder in der Lage noch befugt (MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 66 spricht insoweit von einer Kompetenzlücke). Gleiches gilt auch mit Blick auf die Feststellung der Identität des Beschuldigten, sofern dieser auf etwaige Nachfrage seine Personalien nicht freiwillig angegeben oder belegt haben sollte (MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 53, 66).

b)

Zumindest in derartigen Fällen, in denen der am Unfallort anwesende Berechtigte nicht in der Lage ist, die erforderlichen Feststellungen (vollständig) hinreichend sicher selbst zu treffen, besteht im Ergebnis weitgehend Einigkeit in Literatur und Rechtsprechung, dass der Berechtigte sich der Hilfe der Polizei bedienen darf und der Unfallbeteiligte grundsätzlich auf deren Eintreffen eine angemessene Zeit warten muss (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW 1966, 558 und NZV 1992, 245, sogar bejahend für den Fall eines feststellungsunwilligen Berechtigten; KG Berlin, VRS 63, 46; OLG Köln, NJW 1981, 2367 und NZV 1989, 197; OLG Hamburg, Beschluss vom 30.05.2017, 2 Rev 35/17 – juris Rn. 25; MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 54, der mangels Anwesenheit feststellungsbereiter Personen an § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB anknüpft; Lackner/Kühl, a.a.O., Rn. 17; LK – Geppert, a.a.O., Rn. 109; Fischer, a.a.O., Rn. 24, 28; SSW – Ernemann, a.a.O., Rn. 24, 27; zur Abgrenzung zur Feststellungsunwilligkeit: MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 54). Ob sich in diesen Fällen ein Unfallbeteiligter, der sich gegen den Willen des Berechtigten vom Unfallort entfernt ohne das Eintreffen der verständigten Polizei abzuwarten, nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 (so wohl OLG Hamburg, a.a.O., allerdings ohne vertiefte Erörterung der Frage; ebenso wohl LK – Geppert, a.a.O., Rn. 109) oder Nr. 2 StGB (so mit systematisch konsistenter Begründung MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 54, 68 f.) strafbar macht, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.

Insofern kommt es also auf die von dem Amtsgericht für entscheidungserheblich gehaltene Frage, ob der Geschädigte den Beschuldigten nach seinen Personalien gefragt hat, nicht an. Hätte er es allerdings getan und hätte der Beschuldigte die Angaben verweigert, hätte der Geschädigte erst recht polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen, weil nur die Polizei zur zwangsweisen Feststellung der Identität kraft der (bei Handeln zum Schutz privater Rechte subsidiären, aber in Ermangelung der Möglichkeit rechtzeitiger gerichtlicher Hilfe hier anwendbaren) Ermächtigung in § 1 Abs. 3 i.V.m. § 9 SPolG befugt ist.

Nachdem nämlich – wie dargelegt – das Unfallgeschehen zwar nicht besonders kompliziert, aber angesichts des Verhaltens des Beschuldigten auch nicht leicht und unzweifelhaft festzustellen war, durfte der Geschädigte die erforderlichen Feststellungen durch die Polizei treffen lassen. Diese hat er auch mit Wissen des Beschuldigten sofort telefonisch informiert, ihm wurde – wenn auch unter Ankündigung einer Verzögerung – das Entsenden eines Streifenkommandos von der zuständigen Polizeiinspektion zugesagt. Der Beschuldigte war demnach grundsätzlich verpflichtet, eine angemessene Zeit auf das Eintreffen der Polizisten zu warten. Auch wenn die Wartezeit angesichts der Verzögerung durch die Belastung der zuständigen Polizeiinspektion mit weiteren Einsätzen ungewiss war, stellen die ca. fünf bis zehn Minuten, nach denen sich der Beschuldigte bereits entfernt hat, angesichts des Unfalls zur Tageszeit, des erkennbar nicht unerheblichen Sachschadens und des Umstandes, dass von der Polizeiinspektion Lebach das Kommen eines Kommandos zugesagt war, keine angemessene Wartezeit dar.

Selbst wenn sich in der Hauptverhandlung ergäbe, dass tatsächlich ein – von den Angaben des Geschädigten abweichender – größerer Zeitraum vor dem Sich-Entfernen des Beschuldigten verstrichen wäre oder ein nicht mehr zumutbarer Zeitraum bis zum Eintreffen der Polizei zu erwarten gewesen wäre, wäre der Beschuldigte nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit gemäß § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar, da er sich dann zwar unter Umständen nach Ablauf einer angemessenen Wartezeit entfernt, aber nicht wie von Abs. 2 Nr. 1 gefordert die erforderlichen Feststellungen unverzüglich nachträglich ermöglicht hätte. Denn der Beschuldigte hat sich weder an den Berechtigten noch an eine Polizeidienststelle gewandt, um dort die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Vielmehr hat er auch auf Befragen durch die Polizeibeamten, die ihn am Abend nach dem Unfall in seiner Wohnung antrafen, weder Angaben zum Unfallhergang noch zum Verbleib seines Fahrzeugs gemacht.

c)

Zuletzt kann nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Geschädigte auf die (weiteren) Feststellungen verzichtet hat, bevor der Beschuldigte sich entfernte. Ein solcher Verzicht, der unabhängig von seiner im Einzelnen umstrittenen dogmatischen Einordnung (vgl. etwa MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 55: Tatbestandslosigkeit wegen Fortfall des Feststellungsinteresses; LK – Geppert, a.a.O., Rn. 76: tatbestandsausschließendes Einverständnis; Lackner/Kühl, a.a.O., Rn. 33 und OLG Stuttgart, NJW 1982, 2266: rechtfertigende Einwilligung) zur Straflosigkeit führt, wenn er wirksam erklärt wird, liegt indes nur vor, wenn das äußere Verhalten des Berechtigten zweifelsfrei erkennen lässt, dass der Unfallbeteiligte alsbaldige Feststellungen nicht mehr treffen will (BayObLG, NVZ 1992, 245; LK – Geppert, a.a.O., Rn. 78 m.w.N.). Eine solche Erklärung kann zwar auch konkludent und insbesondere dadurch erfolgen, dass der Berechtigte dem wahrgenommenen Sich-Entfernen des Unfallbeteiligten nicht widerspricht (MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 55; LK – Geppert, a.a.O., Rn. 78; BayObLG, NZV 1992, 245; ähnlich SSW – Ernemann, a.a.O., Rn. 32: „unmissverständlich zu verstehen geben“). Ein Verhalten des Geschädigten mit entsprechendem Erklärungswert kann allerdings nach derzeitigem Stand der Ermittlungen nicht festgestellt werden.

Zum einen kann ein solcher Erklärungswert nicht der – unterstellten – Tatsache beigemessen werden, dass der Geschädigte den Beschuldigten nicht selbst nach dessen Personalien gefragt hat, sondern die Feststellungen insgesamt der von ihm unverzüglich verständigten und in angemessener Zeit am Unfallort zu erwartenden Polizei überlassen wollte. Dies hat zumindest in den Fällen zu gelten, in denen über die reinen Personalien, die Fahrzeugdaten und die konkrete Beteiligteneigenschaft (Fahrer, Beifahrer, Mitfahrer) des Unfallbeteiligten hinaus weitere Feststellungen zu treffen sind, etwa zu Unfallspuren oder einer Alkoholisierung des Unfallbeteiligten. Aber auch dann, wenn besondere Feststellungen nicht von vorneherein zu erwarten sind, darf der Berechtigte grundsätzlich die Feststellungen durch die hierzu bereite Polizei treffen lassen, ohne verpflichtet zu sein, selbst Ermittlungen anzustellen. Hierfür spricht, dass dem Berechtigen als Privatperson regelmäßig die Befugnis fehlt, die Angaben eines nicht kooperationswilligen Unfallbeteiligten zu erzwingen oder zu überprüfen. Einen Anspruch auf eine diesbezügliche aktive Mitwirkung hat der Berechtigte nach einhelliger Meinung nicht. Im Übrigen bliebe es in solchen Fällen dem Unfallbeteiligten, der ein Eintreffen der Polizei vermeiden oder nicht abwarten möchte, unbenommen, dem Berechtigten freiwillig die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen (MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 66; OLG Hamburg, a.a.O., juris Rn. 27). Ausnahmen mögen zu erwägen sein in einfach gelagerten Fällen mit eindeutiger Haftungslage, wenn Person und Fahrzeug des Unfallgegners sowie der Unfallhergang bereits geklärt sind und der Berechtigte dennoch auf der Hinzuziehung der Polizei beharrt, obwohl diese zur Klärung der – zivilrechtlichen – Haftungslage nichts mehr beitragen kann (so MüKo – Zopfs, a.a.O., Rn. 54; a.A. wohl BayObLG, NZV 1992, 245). Ein solcher Fall liegt aber angesichts des Unfalls im fließenden Verkehr und der ansatzweise auf Bestreiten seines Verschuldens(umfangs) gerichteten angeblichen Verhaltensweisen des Beschuldigten nicht vor.

Zum anderen kann ein Verzicht auch nicht darin gesehen werden, dass der Geschädigte den Beschuldigten letztlich nach fünf bis zehn Minuten Wartezeit nicht am Wegfahren gehindert hat. Denn der Geschädigte hat nach seinen Angaben zuvor gleich zweimal, vor und nach seinem Anruf bei der Polizei, das Ansinnen des Beschuldigten, die Angelegenheit „ohne Polizei zu regeln“, ausdrücklich abgelehnt und darauf bestanden, das Eintreffen der Polizei abzuwarten. Angesichts dieses vorangegangenen Geschehens liegt es fern anzunehmen, der Geschädigte sei nach nur fünf bis zehn Minuten des Wartens auf die Polizei dann damit einverstanden gewesen, dass der Beschuldigte sich vom Unfallort entfernt. In dem schlichten Nichtverhindern des Wegfahrens liegt kein äußeres Verhalten, das zweifelsfrei (BayObLG, NZV 1992, 245) erkennen lässt, dass der Berechtigte keine weiteren Feststellungen mehr treffen will. Dass es einem Unfallbeteiligten, der aus seiner Sicht berechtigt auf die Hinzuziehung der Polizei bestanden und dies dem anderen Unfallbeteiligten unmissverständlich kommuniziert hat, obliegen soll, dann noch ein Entfernen des anderen Unfallbeteiligten aktiv zu verhindern, würde den Anwendungsbereich einer möglichen konkludenten Verzichtserklärung überdehnen und würde dem Ausnahmecharakter der dogmatisch dahinterstehenden Figur der teleologischen Reduktion des Tatbestands nicht gerecht. Hinzu kommt, dass der Geschädigte nach seinen Angaben den Beschuldigten noch hilfesuchend und die Arme hebend angesehen hat, als dieser in sein Fahrzeug stieg und wegfuhr, was nahe legt, dass der Geschädigte gerade kein Verständnis für das, geschweige denn ein Einverständnis mit dem Sich-Entfernen des Beschuldigten zeigte.

2.

Auch die weiteren Voraussetzungen eines Regelfalls für die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB werden nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen. Zumindest auf Grund der deutlich sichtbaren Beschädigungen am Fahrzeug des Geschädigten liegt nahe, dass der Beschuldigte erkannt hat, dass ein bedeutender Sachschaden am Fahrzeug des Geschädigten entstanden sein konnte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 465 Abs. 1 StPO (vgl. Huber, NStZ 1985, 18 [20]).