Bei einem Verkehrsunfall in Italien wurde ein Dienstnehmer der Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft (KABEG, Österreich) als Radfahrer durch einen bei einer in Frankreich ansässigen Versicherungsgesellschaft haftpflichtversicherten Pkw verletzt. Während der Arbeitsunfähigkeit des Geschädigten hat die KABEG seine Dienstbezüge weitergezahlt. Dadurch sind die Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer nach österreichischem Recht auf die KABEG übergegangen, welche daher die Versicherungsgesellschaft in Österreich gerichtlich in Anspruch nahm. Diese rügte im Prozess, dass die österreichischen Gerichte unzuständig seien. Der EuGH hat vorliegend den Klägergerichtsstand nach Art. 9 Abs. 1 lit. b i. V. m. Art. 11 Abs. 2 der alten EuGVVO (VO 44/2001; nunmehr Art. 11 Abs. 1 lit. b i. V. m. Art. 13 Abs. 2 der EuGVVO nF = VO 1215/2012) bejaht. Nach einem Anspruchsübergang auf den Arbeitgeber auf Grund Entgeltfortzahlung sei dieser “Geschädigter” und könne als solcher an den Gerichten seines Sitzes Klage gegen den Versicherer (nicht aber gegen den Halter oder Führer) erheben. Zwar sei Sinn und Zweck der Vorschrift, dass der Geschädigte in Versicherungssachen – ähnlich wie in Verbrauchersachen – häufig die schwächere Partei im Prozess darstelle, was bei Arbeitgebern nicht der Fall sein müsse. Anders als etwa bei Sozialversicherungsträgern, bei denen der EuGH die Anwendung des Gerichtsstands 2009 abgelehnt hatte, könne indes nicht in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der Entgelt fortzahlende Arbeitgeber als gegenüber dem Versicherer schwächere Partei angesehen werden kann, da dies der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit der Gerichtsstände zuwiderliefe (EuGH, Urteil vom 20.07.2017 – C-340/16).

In der Rechtssache C?340/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Beschluss vom 25. Mai 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Juni 2016, in dem Verfahren

Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft – KABEG

gegen

Mutuelles du Mans assurances – MMA IARD SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan (Berichterstatter) und D. Šváby,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft – KABEG, vertreten durch Rechtsanwalt H. H. Toriser,

–        der Mutuelles du Mans assurances – MMA IARD SA, vertreten durch Rechtsanwalt M. Angerer,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Di Matteo, avvocato dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Mai 2017

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 dieser Verordnung.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft – KABEG (im Folgenden: KABEG), einer Anstalt öffentlichen Rechts mit Sitz in Klagenfurt am Wörthersee (Österreich), die Krankenanstalten betreibt, und der Mutuelles du Mans assurances – MMA IARD SA (im Folgenden: MMA IARD), einer in Frankreich ansässigen Versicherungsgesellschaft, über die Klage der KABEG auf Schadenersatz wegen Fortzahlung des Entgelts eines ihrer Dienstnehmer während eines Zeitraums vorübergehender Arbeitsunfähigkeit infolge eines Verkehrsunfalls in Italien, an dem der besagte Dienstnehmer sowie ein bei der MMA IARD haftpflichtversichertes Kraftfahrzeug beteiligt waren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 44/2001

Die Erwägungsgründe 11 bis 13 der Verordnung Nr. 44/2001 lauteten:

„(11)      Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(12)      Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.

(13)      Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.“

Die durch die Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellten Zuständigkeitsregeln befanden sich in ihrem Kapitel II, das aus den Art. 2 bis 31 bestand.

Der zu Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften“) des Kapitels II gehörende Art. 2 Abs. 1 der Verordnung lautete:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

Der ebenfalls zu Abschnitt 1 gehörende Art. 3 Abs. 1 der Verordnung sah vor:

„Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden.“

Abschnitt 3 („Zuständigkeit für Versicherungssachen“) des Kapitels II der Verordnung Nr. 44/2001 umfasste deren Art. 8 bis 14.

Art. 8 der Verordnung lautete:

„Für Klagen in Versicherungssachen bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt.“

Art. 9 Abs. 1 der Verordnung bestimmte:

„Ein Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden:

a)      vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat,

b)      in einem anderen Mitgliedstaat bei Klagen des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat …

…“

Art. 10 der Verordnung lautete:

„Bei der Haftpflichtversicherung oder bei der Versicherung von unbeweglichen Sachen kann der Versicherer außerdem vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden. Das Gleiche gilt, wenn sowohl bewegliche als auch unbewegliche Sachen in ein und demselben Versicherungsvertrag versichert und von demselben Schadensfall betroffen sind.“

Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 lautete:

„Auf eine Klage, die der Geschädigte unmittelbar gegen den Versicherer erhebt, sind die Artikel 8, 9 und 10 anzuwenden, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist.“

Die Verordnung Nr. 44/2001 wurde durch Art. 80 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) aufgehoben. Diese Verordnung galt jedoch nach ihrem Art. 81 Abs. 2 erst ab dem 10. Januar 2015.

Richtlinie 2009/103/EG

Art. 3 („Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht“) der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 2009, L 263, S. 11) bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat trifft vorbehaltlich der Anwendung des Artikels 5 alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist.

Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen der in Absatz 1 genannten Maßnahmen bestimmt.

Jeder Mitgliedstaat trifft alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Versicherungsvertrag überdies folgende Schäden deckt:

die im Gebiet der anderen Mitgliedstaaten gemäß den Rechtsvorschriften dieser Staaten verursachten Schäden;

b)      die Schäden, die Angehörigen der Mitgliedstaaten auf den direkten Strecken zwischen einem Gebiet, in dem der EG-Vertrag gilt, und einem anderen solchen Gebiet zugefügt werden, wenn für das durchfahrene Gebiet ein nationales Versicherungsbüro nicht besteht; in diesem Fall ist der Schaden gemäß den die Versicherungspflicht betreffenden Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats zu decken, in dessen Gebiet das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort hat.

Die in Absatz 1 bezeichnete Versicherung hat sowohl Sachschäden als auch Personenschäden zu umfassen.“

In Art. 18 („Direktanspruch“) dieser Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Geschädigte eines Unfalls, der durch ein durch die Versicherung nach Artikel 3 gedecktes Fahrzeug verursacht wurde, einen Direktanspruch gegen das Versicherungsunternehmen haben, das die Haftpflicht des Unfallverursachers deckt.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Am 26. März 2011 ereignete sich in Italien ein Verkehrsunfall, an dem ein in Österreich wohnhafter Dienstnehmer der KABEG als Radfahrer und ein bei der MMA IARD haftpflichtversichertes Kraftfahrzeug beteiligt waren. Infolge dieses Unfalls erlitt der Dienstnehmer diverse Verletzungen.

Die KABEG erhob Klage vor dem Landesgericht Klagenfurt (Österreich) und beantragte, die MMA IARD zur Leistung von Schadenersatz in Höhe von 15 505,64 Euro samt Anhang zu verurteilen. Sie bringt vor, sie habe die Dienstbezüge ihres bei dem Verkehrsunfall verletzten Dienstnehmers während seines unfallbedingten Krankenstands weitergezahlt. Aufgrund dessen seien die vermögensrechtlichen Ansprüche des Dienstnehmers in der geltend gemachten Höhe auf sie übergegangen.

Die KABEG leitet die internationale Zuständigkeit des Landesgerichts Klagenfurt aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit deren Art. 11 Abs. 2 her. Bei demselben Gericht sei überdies das Parallelverfahren ihres Dienstnehmers anhängig, in dem die Zuständigkeit bereits bejaht worden sei.

Die MMA IARD erhob eine Einrede der Unzuständigkeit. Sie macht geltend, in Abschnitt 3 des Kapitels 2 der Verordnung werde ein eigenes System zur Lösung von Kompetenzkonflikten in Versicherungssachen geschaffen. Nach dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung dienten die in diesem Abschnitt vorgesehenen Sonderregeln für die Zuständigkeit dem Schutz der schwächeren Partei. Die KABEG als Dienstgeberin könne diesen Schutz nicht für sich in Anspruch nehmen.

Das Landesgericht Klagenfurt verwarf diese Einrede mit der Begründung, der KABEG, die nur einen von ihrem Dienstnehmer abgeleiteten Anspruch geltend mache, stehe der Gerichtsstand des Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit deren Art. 11 Abs. 2 zur Verfügung, denn eine solche juristische Person sei in einem Rechtsstreit gegen ein Versicherungsunternehmen unabhängig von ihrer Größe die schwächere Partei.

Die MMA IARD erhob gegen diesen Beschluss Rekurs beim Oberlandesgericht Graz (Österreich), das den Beschluss dahin abänderte, dass es der Unzulässigkeitseinrede stattgab und die Klage zurückwies. Nach den Ausführungen dieses Gerichts gewährt der Verweis des Art. 11 Abs. 2 der Verordnung auf deren Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dem Geschädigten als natürlicher oder juristischer Person das Recht, den Versicherer vor dem zuständigen Gericht des Mitgliedstaats zu verklagen, in dem er seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Im Übrigen seien vom Begriff „Geschädigter“ sowohl unmittelbar als auch mittelbar geschädigte Personen umfasst.

Allerdings komme dieses Recht nicht allen Geschädigten zu. Dabei sei es für die Beurteilung, ob sich ein Geschädigter darauf berufen könne, wesentlich, ob er „wirtschaftlich schwächer und rechtlich weniger erfahren“ als ein Haftpflichtversicherer sei. Dies sei bei einer Anstalt öffentlichen Rechts wie der KABEG, die die Betriebsführung von fünf Spitälern wahrnehme, zu verneinen.

Die KABEG legte Revisionsrekurs beim Obersten Gerichtshof (Österreich) ein und beruft sich auf den Gerichtsstand des Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit deren Art. 11 Abs. 2.

Zum einen stellt sich für den Obersten Gerichtshof die Frage, ob bei Verneinung der Schutzbedürftigkeit eines Klägers dessen Klage überhaupt als „Versicherungssache“ im Sinne des Art. 8 der Verordnung qualifiziert werden könne.

Zum anderen möchte er wissen, nach welchen Kriterien die Unterlegenheit des Legalzessionars der Ansprüche eines Geschädigten gegenüber einem gewerblich tätigen Haftpflichtversicherer festzustellen sei.

Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Handelt es sich bei der Klage eines inländischen Dienstgebers auf Ersatz des durch die Entgeltfortzahlung an seinen im Inland wohnhaften Dienstnehmer auf ihn verlagerten Schadens um eine „Klage in Versicherungssachen“ im Sinne des Art. 8 der Verordnung Nr. 44/2001, wenn

a)      der Dienstnehmer bei einem Verkehrsunfall in einem Mitgliedstaat (Italien) verletzt wurde,

b)      die Klage sich gegen den in einem weiteren Mitgliedstaat (Frankreich) ansässigen Haftpflichtversicherer des Schädigerfahrzeugs richtet und

c)      der Dienstgeber als Anstalt öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet ist?

2.      Wenn Frage 1 bejaht wird:

Ist Art. 9 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass der das Entgelt fortzahlende Dienstgeber als „Geschädigter“ den Haftpflichtversicherer des Schädigerfahrzeugs vor dem Gericht des Ortes, an dem der Dienstgeber seinen Sitz hat, verklagen kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist?

Zu den Vorlagefragen

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass ein in einem ersten Mitgliedstaat ansässiger Dienstgeber, der das Entgelt seines infolge eines Verkehrsunfalls arbeitsunfähigen Dienstnehmers fortgezahlt hat und in die Rechte eingetreten ist, die dem Dienstnehmer gegenüber der in einem zweiten Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft, bei der das an diesem Unfall beteiligte Fahrzeug haftpflichtversichert ist, zustehen, in seiner Eigenschaft als „Geschädigter“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung die Versicherungsgesellschaft vor den Gerichten des ersten Mitgliedstaats verklagen kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Abschnitt 3 des Kapitels II der genannten Verordnung ein eigenständiges System der Verteilung gerichtlicher Zuständigkeiten in Versicherungssachen errichtet (Urteil vom 12. Mai 2005, Société financière et industrielle du Peloux, C?112/03, EU:C:2005:280, Rn. 29).

Wie im 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 ausgeführt wird, sind Klagen in Versicherungssachen ebenso wie bei Arbeitnehmer- und Verbrauchersachen durch ein gewisses Ungleichgewicht zwischen den Parteien gekennzeichnet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Mai 2005, GIE Réunion européenne u. a., C?77/04, EU:C:2005:327, Rn. 22), das durch die Bestimmungen des genannten Abschnitts ausgeglichen werden soll, indem sie Zuständigkeitsvorschriften vorsehen, die für die schwächere Partei günstiger sind als die allgemeinen Regeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2009, Vorarlberger Gebietskrankenkasse, C?347/08, EU:C:2009:561, Rn. 40).

Die Zweifel des vorlegenden Gerichts, ob ein kraft Legalzession in die Rechte eines Geschädigten eingetretener Dienstgeber als „schwächere Partei“ qualifiziert werden kann, gehen auf die Feststellung des Gerichtshofs zurück, dass ein Sozialversicherungsträger als Legalzessionar der Ansprüche des durch einen Verkehrsunfall unmittelbar Geschädigten nicht als schwächere Partei angesehen werden kann, während dies bei einem Rechtsnachfolger des unmittelbar Geschädigten wie etwa einem Erben sehr wohl der Fall sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2009, Vorarlberger Gebietskrankenkasse, C?347/08, EU:C:2009:561, Rn. 42 und 44).

In diesem Zusammenhang führt das vorlegende Gericht aus, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit eines in die Rechte seines Dienstnehmers eingetretenen Dienstgebers, den Haftpflichtversicherer des Schädigers vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Dienstgeber seinen Sitz hat, zu verklagen, die Einheitlichkeit und somit die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften sowie eine geordnete Rechtspflege gewährleisten würde.

Somit ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob ein in die Rechte des unmittelbar Geschädigten eingetretener Dienstgeber unter den Begriff „Geschädigter“ im Sinne des Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 fällt.

Wie der Generalanwalt in Nr. 47 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat der Begriff „schwächere Partei“ im Rahmen der Verordnung Nr. 44/2001 bei Versicherungssachen eine größere Tragweite als im Bereich von Verbraucherverträgen oder individuellen Arbeitsverträgen.

Ferner hat der Gerichtshof entschieden, dass die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 den Zweck hat, der in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung enthaltenen Liste von Klägern die Personen hinzuzufügen, die einen Schaden erlitten haben, ohne den Personenkreis auf jene zu beschränken, die ihn unmittelbar zu beklagen haben (Urteile vom 13. Dezember 2007, FBTO Schadeverzekeringen, C?463/06, EU:C:2007:792, Rn. 26, und vom 17. September 2009, Vorarlberger Gebietskrankenkasse, C?347/08, EU:C:2009:561, Rn. 27).

Darüber hinaus würde, wie das vorlegende Gericht in seiner Vorlageentscheidung ausgeführt hat, eine einzelfallbezogene Beurteilung der Frage, ob der das Entgelt fortzahlende Dienstgeber als „schwächere Partei“ angesehen werden kann, die unter den Begriff „Geschädigter“ im Sinne des Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 fallen kann, die Gefahr von Rechtsunsicherheit mit sich bringen und liefe dem im elften Erwägungsgrund der Verordnung angeführten Ziel hoher Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften zuwider.

Folglich ist davon auszugehen, dass Dienstgeber, die in Schadenersatzansprüche ihrer Dienstnehmer eingetreten sind, als Geschädigte unabhängig von ihrer Größe und ihrer Rechtsform gemäß Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 die in deren Art. 8 bis 10 vorgesehenen besonderen Zuständigkeitsvorschriften in Anspruch nehmen können.

Somit kann der Dienstgeber, der aufgrund der Fortzahlung des Entgelts seines Dienstnehmers während der Dauer einer Arbeitsunfähigkeit in dessen Rechte eingetreten ist und nur in dieser Eigenschaft eine Klage auf Ersatz des dem Dienstnehmer entstandenen Schadens erhebt, als schwächer als der von ihm verklagte Versicherer angesehen werden, so dass er die Möglichkeit haben muss, die Klage bei den Gerichten des Mitgliedstaats zu erheben, in dem er seinen Sitz hat.

Daraus folgt, dass ein Dienstgeber, der in die Rechte des durch einen Verkehrsunfall geschädigten Dienstnehmers eingetreten ist, weil er dessen Entgelt fortgezahlt hat, in seiner Eigenschaft als „Geschädigter“ den Versicherer des an diesem Unfall beteiligten Fahrzeugs vor den Gerichten des Mitgliedstaats seines Sitzes verklagen kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist.

Zum letztgenannten Punkt ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 18 der Richtlinie 2009/103 sicherstellen müssen, dass Geschädigte eines Unfalls, der durch ein durch die Haftpflichtversicherung gedecktes Fahrzeug verursacht wurde, einen Direktanspruch gegen das Versicherungsunternehmen haben, das die Haftpflicht des Unfallverursachers deckt.

Nach alledem ist Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 dieser Verordnung dahin auszulegen, dass ein in einem ersten Mitgliedstaat ansässiger Dienstgeber, der das Entgelt seines infolge eines Verkehrsunfalls arbeitsunfähigen Dienstnehmers fortgezahlt hat und in die Rechte eingetreten ist, die dem Dienstnehmer gegenüber der in einem zweiten Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft, bei der das an diesem Unfall beteiligte Fahrzeug haftpflichtversichert ist, zustehen, in seiner Eigenschaft als „Geschädigter“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung die Versicherungsgesellschaft vor den Gerichten des ersten Mitgliedstaats verklagen kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 dieser Verordnung ist dahin auszulegen, dass ein in einem ersten Mitgliedstaat ansässiger Dienstgeber, der das Entgelt seines infolge eines Verkehrsunfalls arbeitsunfähigen Dienstnehmers fortgezahlt hat und in die Rechte eingetreten ist, die dem Dienstnehmer gegenüber der in einem zweiten Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft, bei der das an diesem Unfall beteiligte Fahrzeug haftpflichtversichert ist, zustehen, in seiner Eigenschaft als „Geschädigter“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung die Versicherungsgesellschaft vor den Gerichten des ersten Mitgliedstaats verklagen kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist.