actioncams / YouTube

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Diese schon etwas ältere Entscheidung befasst sich mit der Möglichkeit der Datenschutzbehörden, gegen Personen, die in ihrem Auto eine Dashcam betreiben, ein Bußgeld zu verhängen. Das AG Hannover vermisst in einem solchen Bußgeldbescheid u. a. Angaben zur Tatzeit und zum Tatort und stellt das Verfahren daher wegen eines Verfahrenshindernisses ein. Es weist auch darauf hin, dass nicht jede Dashcam-Nutzung einen Gesetzesverstoß darstellt und die Behörde daher eine Einzelfallprüfung vornehmen müsse. Das betreffe etwa die konkrete (Verkehrs)-Situation und die jeweils gespeicherten Aufnahmen. Auch bei einem angenommenen Verstoß müsse bedacht werden, dass bei der Anfertigung von Videoaufnahmen mit Dashcams die Rechtslage noch nicht eindeutig geklärt sei und deswegen auch eine Verfahrenseinstellung nach § 47 OWiG in Betracht komme (AG Hannover, Beschluss vom 09.09.2014, Az. 265 OWi 7752 Js 73336/14 (583/14))

Das gerichtliche Verfahren wird wegen eines Verfahrenshindernisses gem. § 206 a StPO i.V.m. § 46 OWiG eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen nach dem Erlass des Bußgeldbescheides entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

Gründe:

Mit Bußgeldbescheid vom 04.06.2014 wurde ein Bußgeld in Höhe von 1.000,00 Euro wegen eines Verstoßes gegen §§ 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG wegen unbefugter Datenerhebung wegen der angeblichen Verwendung einer so genannten Dash-Cam im öffentlichen Straßenverkehr verhängt.

Das gerichtliche Verfahren ist gemäß § 206 a StPO i.V.m. § 46 OWiG einzustellen, weil der Bußgeldbescheid nicht den Anforderungen gem. § 66 OWiG genügt und sich dieser Mangel nicht durch einen rechtlichen oder tatsächlichen Hinweis gem. § 265 StPO heilen lässt.

Der Bußgeldbescheid muss nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG u.a. “die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird” sowie “Zeit und Ort ihrer Begehung” enthalten. Er hat im Falle der Einspruchseinlegung wie die Anklageschrift (§ 200 Abs. 1 Satz 1 StPO) und der Strafbefehl (§ 409 Abs. 1 Satz 1 StPO), denen er nachgebildet ist, die Aufgabe, den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen und damit auch den Umfang der Rechtskraft zu bestimmen (vgl. BGHSt 23, 336, 338 ff.; BayObLG NZV 1995, 407; KK-Kurz, OWiG, 3. Aufl., § 66 Rdn. 10 m.w.N.). Diese Aufgabe erfüllt der Bußgeldbescheid in sachlicher Hinsicht, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll. Der Sachverhalt ist unter Anführung der Tatsachen, welche die einzelnen Tatbestandsmerkmale erfüllen, als geschichtlicher Lebensvorgang so konkret zu schildern, dass nicht unklar bleiben kann, über welchen Sachverhalt das Gericht urteilen und gegen welchen Vorwurf sich der Betroffene verteidigen soll.

Diesen Anforderungen wird der Bußgeldbescheid im vorliegenden Fall nicht gerecht. In dem Bußgeldbescheid vom 04.06.2014 wird lediglich mitgeteilt, dass der Betroffene eine Front – und eine Heckkamera in seinem PKW installiert haben und hiermit den öffentlichen Verkehrsraum beobachtet und die Aufnahmen gespeichert haben soll. Es folgen die Wiedergabe des gesetzlichen Ordnungswidrigkeitentatbestandes sowie die Mitteilung der Beweismittel. Die Fälle, in denen eine Verwendung und Aufzeichnung stattgefunden haben soll, werden nicht konkret bezeichnet. Insbesondere fehlen nähere Angaben zur Tatzeit und zum Tatort. Auch soweit im Bußgeldbescheid unter Beweismittel ein Vermerk des POK Fuchs vom 10.04.2014 aufgeführt ist, ergibt sich eine hinreichende Tatkonkretisierung hieraus nicht. Der zu den Akten nachgereichte Vermerk vom 10.04.2014 nimmt auf diverse staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren Bezug, die mit einer unbefugten Verwendung der Kameras im Zusammenhang stehen sollen. Damit ist insgesamt unklar, ob die Ahndung auf Grund einer einzelnen oder auf Grund mehrerer Gesetzesverletzungen in Rede steht.

Der Bußgeldbescheid bietet keine tragfähige Grundlage für eine gerichtliche Sachentscheidung. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die Tatkonkretisierung anhand des Akteninhalts selbst zu vorzunehmen. Das Verfahren ist gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a StPO einzustellen.

Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen: Der Sachverhalt ist, wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt, nicht hinreichend aufgeklärt. Vor einer erneuten Abgabe des Verfahrens an das Gericht hat die Verwaltungsbehörde zu ermitteln, in welchen Fällen und unter welchen konkreten Umständen der Betroffene Kameras eingesetzt haben und welche Aufnahmen gespeichert worden sein sollen. Dies ist schon deshalb unerlässlich, weil nicht jede Verwendung einer Kamera einen Verstoß gegen das BDSG darstellt, sondern eine Einzelfallprüfung zu erfolgen hat (vgl. etwa Nugel, Anmerkung zu AG München v. 06.06.2013 – 343 C 4445/13 -, JurisPR-VerkR 17/2014 Anm.2).

Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob mögliche Kameraeinsätze und das Abspeichern von Verkehrssituationen zum Zweck der Anzeigeerstattung auch subjektiv vorwerfbar wären, da der Einsatz von Dashcams bisher nicht abschließend rechtlich geklärt ist und gerichtliche Entscheidungen sich vorwiegend mit der Frage der Verwertbarkeit im Zivilprozess befassen. Es dürfte somit auch eine Einstellung des Verfahrens gem. § 47 OWiG in Betracht kommen, insbesondere falls der Einsatz der Kameras durch den Betroffenen diesem bisher – trotz angeblich wiederholter und fortdauernder Verstöße gegen das BDSG – durch die zuständigen Verwaltungsbehörden nicht untersagt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OwiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO. Eine Entscheidung über die der Betroffenen vor Erlass des Bußgeldbescheides entstandenen Auslagen war nicht zu treffen, da kein endgültiges Verfahrenshindernis vorliegt. Das Verfahren wird durch die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens lediglich in den Stand vor Erlass des Bußgeldbescheides zurückversetzt. Die Verwaltungsbehörde kann entweder einen neuen – den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden – Bußgeldbescheid erlassen oder eine andere das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde abschließende Entscheidung nebst der entsprechenden Kostenentscheidung treffen.