Quelle: pixabay.com

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Die Betroffene streifte beim Ausparken ein anderes Fahrzeug und entfernte sich. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts auf unerlaubtes Entfernen vom Unfallort und holte ein Gutachten ein, das klären sollte, ob die Betroffene den Unfall verursacht und ihn wahrgenommen hat. Das Gutachten ergab, dass die Betroffene den Unfall verursacht habe, dies aber nicht bemerken konnte. Das Strafverfahren wurde eingestellt und die Sache an die Bußgeldbehörde abgegeben. Diese setzte im Bußgeldbescheid u. a. 1.336,90 € als Auslagen für das Gutachten fest. Das AG Osterode entschied, dass die Betroffene neben dem Bußgeld nur die übrigen Verfahrenskosten – ohne das Gutachten – zu tragen habe (AG Osterode, Beschluss vom 16.03.2015, Az. 3b OWi 257/14).

3. Das Gericht hat bereits erhebliche Bedenken, ob die Kosten für das Gutachten überhaupt in dogmatisch rechtmäßiger Art und Weise von der Verwaltungsbehörde geltend gemacht werden können. Die Behörde verweist insoweit auf §§ 107 Abs. 3 Nr. 13, 107 Abs. 3 Nr. 5 OWiG i.V.m. § 464a Abs. 1 S. 2 StPO, 105 Abs. 1 OWiG. Nach § 107 Abs. 3 Nr. 13 OWiG werden Gebühren, die an deutsche Behörden für die Erfüllung von deren eigenen Aufgaben zu zahlen sind, und Beträge, die diesen Behörden, öffentlichen Einrichtungen oder deren Bediensteten als Ersatz für Auslagen der in den Nummern 1 bis 11 bezeichneten Art zustehen, als Auslagen erhoben. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich hierbei um Gebühren, die durch Behörden für deren Aufgabenerfüllung zustehen. Die Kosten eines Sachverständigengutachtens stellen keine Gebühren der Staatsanwaltschaft dar, die diese für die Erfüllung ihrer Aufgaben verlangen kann.

Soweit die Behörde auf § 107 Abs. 3 Nr. 5 OWiG abstellt, geht dies ebenfalls fehl. Denn hiernach sind Auslagen auch nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz zu zahlende Beträge. Die Verwaltungsbehörde selbst hat solche Beträge nicht verauslagt.

Auch aus dem Zusammenspiel der Nrn. 13 und 5 des § 107 Abs. 3 OWiG ergibt sich nichts anderes. Zwar ist aufgrund dieser Normenkette durchaus denkbar, dass die Verwaltungsbehörde Auslagen der Staatsanwaltschaft nach Nr. 5 geltend macht. Allerdings spricht Nr. 13 explizit von Beträgen, die „diesen Behörde als Ersatz für Auslagen der in den Nummern 1 bis 11 bezeichneten Art zustehen“.

Streng dogmatisch betrachtet steht der Staatsanwaltschaft jedoch ein Ersatz ihrer Auslagen nicht zu, denn nach § 467 Abs. 1 StPO hat die Kosten des Verfahrens nach einer Einstellung die Staatskasse zu tragen. Soweit also kein Erstattungsanspruch der Staatsanwaltschaft gegen den Betroffenen für das Gutachten vorliegt, kann auch die Verwaltungsbehörde keinen solchen Erstattungsanspruch über das Ordnungswidrigkeitengesetz „konstruieren“.

4. Selbst wenn man dies aufgrund einer pragmatischeren Herangehensweise anders sehen würde, so sind die Kosten für das Gutachten nach § 465 Abs. 2 StPO jedenfalls nicht von der Betroffenen zu tragen. Dies ergibt sich aus § 465 Abs. 2 StPO, welcher nach § 46 Abs. 1 OWiG Anwendung findet. Hiernach hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen sind, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. So verhält es sich hier.

a) Bei den Kosten für das Gutachten handelt es sich um „besondere Auslagen“ i.S.v. § 465 Abs. 2 StPO, welche durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände entstanden. Denn die Staatsanwaltschaft hat das Gutachten zur Frage der Verursachung und Bemerkbarkeit des Unfalls wegen des Verdachts auf eine Straftat eingeholt. Die Untersuchung ging zugunsten der Betroffenen aus, da ihr eine Straftat nicht nachgewiesen werden konnte.

b) Eine Belastung mit diesen Kosten wäre zudem unbillig. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der ursprüngliche Vorwurf und die letztlich getroffene Entscheidung eklatant voneinander abweichen. So verhält es sich hier. Der Vorwurf einer Straftat wurde nicht nachgewiesen, vielmehr ist die Betroffene lediglich wegen der fahrlässigen Verursachung eines Unfalles zu einem Bußgeld von 30,00 € zu verurteilen. Dieser Vorwurf, der bereits aufgrund seiner Manifestation in § 1 Abs. 2 StVO als unterste Stufe des Unrechts zu bewerten ist, rechtfertigt nicht die Einholung eines Gutachtens für 1.336,90 €. Die Einholung eines so kostenintensiven Gutachtens wegen der Begehung einer solch marginalen Ordnungswidrigkeit wäre unter Verhältnismäßigkeitsgerichtspunkten schwer vertretbar, ebenso, dass die Verwaltungsbehörde die hierfür anfallenden Kosten, die nach § 467 Abs. 1 StPO eigentlich der Staat zu tragen hat, über die Umwege des Ordnungswidrigkeitenrechts geltend macht.

Auch ist entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin und der Bußgeldbehörde eine Teilung der Kosten nicht angezeigt. Dies auch unter dem soeben erwähnten Aspektes, dass die Einholung eines solchen Gutachtens für so marginale Schäden wie im vorliegenden Fall bereits dem Grunde nach unverhältnismäßig wäre. Es kann auch nicht zu Lasten der Betroffenen gehen, dass sie den Vorwurf nicht eingeräumt hat. Denn das Gutachten belegt, dass die Betroffene die Beschädigung des anderen PKW nicht gemerkt hat. Insofern ist das Verhalten der Betroffenen nur logisch. Denn wer die Beschädigung nicht bemerken kann, muss diese auch nicht einräumen.

c) Grundsätzlich ist eine weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 465 Abs. 2 StPO, dass die Betroffene einen Bußgeldbescheid von vornherein hingenommen hätte (vgl. hierzu LG Berlin, Beschluss vom 29. Dezember 2003 – 505 Qs 228/03 –, juris m.w.N.). Dabei ist darauf abzustellen, ob die Betroffene beim Bemerken der Beschädigung ein Bußgeld akzeptiert hätte. Das Gericht wertet die Einspruchsbegründung dahingehend, dass dies der Fall ist. Denn sie richtet sich inhaltlich gegen die Geltendmachung der Sachverständigenkosten, nicht jedoch gegen den Vorwurf als solches.