Quelle: Patric Duletzki, Wikimedia Commons

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Der Kläger verlangt von den Beklagten (restlichen) Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, für den diese einstandspflichtig sind. Ein vom Kläger beauftragter Sachverständiger hielt die Erneuerung des hinteren Seitenwand für erforderlich (Reparaturkosten: 3.736,43 EUR), während ein von der beklagten Haftpflichtversicherung eingeholtes Gutachten die Instandsetzung für ausreichend erachtete (Reparaturkosten: 2.893,04 EUR). Die vom Kläger beauftragte Fachwerkstatt versuchte vergeblich, die Seitenwand instandzusetzen und wechselte sie schließlich aus. Die Reparaturkosten betrugen schließlich 5.306,88 EUR. Die Klage hatte vor dem LG Saarbrücken Erfolg (Urteil vom 23.01.2015, Az. 13 S 199/14):

1. Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte den zur Herstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag verlangen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Schädiger danach die Aufwendungen zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (vgl. BGHZ 155, 1; BGHZ 160, 377, 383 f.). Dabei wird der „erforderliche“ Herstellungsaufwand nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss (BGHZ 54, 82, 85; BGHZ 63 182 ff.; BGHZ 115, 364 ff.). Gerade im Fall der Reparatur von Kraftfahrzeugen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (vgl. BGHZ 63, 182 ff.). Denn bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (vgl. BGHZ 155, 1 ff.; BGHZ 132, 373, 376). Der Schaden ist deshalb subjektbezogen zu bestimmen (BGHZ 54, 82, 85; BGHZ 63 182 ff.; BGHZ 115, 364 ff.). Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug – wie hier – reparieren, so sind die durch eine Reparaturrechnung der Werkstatt belegten Aufwendungen im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der eingegangenen Reparaturkosten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1989 – VI ZR 334/88, VersR 1989, 1056 f.; BGHZ 63, 182 ff.). Diese „tatsächlichen“ Reparaturkosten können regelmäßig auch dann für die Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten – etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Reparatur sonst üblich ist – unangemessen sind (vgl. BGHZ 63, 182 ff.; OLG Stuttgart, OLGR Stuttgart 2003, 481 ff. mwN., OLG Köln, OLGR Köln 1992, 126 f.; Kammerurteil v. 16.12.2011 – 13 S 128/11, Juris).

2. Nach diesen Erwägungen, von denen auch das Erstgericht dem Grundsatz nach ausgegangen ist, sind die hier geltend gemachten Reparaturaufwendungen des Klägers als erforderlich anzusehen.

a) Das von dem Kläger eingeholte Gutachten des Sachverständigen … hat eine Reparatur einschließlich der Erneuerung der linken Seitenwand aus technischer Sicht als geboten und den damit verbundenen Aufwand im Wesentlichen entsprechend dem späteren tatsächlichen, durch Vorlage einer Reparaturkostenrechnung belegten Kostenanfall als notwendig bewertet. Unter diesen Umständen darf, wie die Kammer bereits entschieden hat (Urt. v. 16.12.2011 aaO), ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch an der Stelle des Klägers die Eingehung dieser Aufwendungen grundsätzlich für erforderlich halten.

b) Das im vorliegenden Fall von der Beklagten in Auftrag gegebene Gegengutachten des Sachverständigen … vermag die Erforderlichkeit der geltend gemachten Reparaturkosten aus der Sicht des Geschädigten hier nicht in Zweifel zu ziehen. Zwar ist das Gutachten hinsichtlich der Instandsetzung der linken Seitenwand vom gerichtlichen Sachverständigen bestätigt worden. Die Bewertung der mit dem Gegengutachten erhobenen Einwendungen erforderte indes erheblichen technischen Sachverstand, über den der geschädigte Laie nicht ohne weiteres verfügt (Kammerurteil v. 16.12.2011 aaO). Vorliegend kommt hinzu, dass ausweislich der Rechnung die Werkstatt des Klägers den erfolglosen Versuch unternommen haben will, eine Instandsetzung vorzunehmen. Dass der Kläger angesichts dessen hätte erkennen können, dass nicht der Austausch, sondern lediglich die Instandsetzung zur Reparatur erforderlich gewesen sei, ist nicht nachvollziehbar. Soweit im Übrigen der erfolglose Ausbesserungsversuch auf eine unsachgemäße Behandlung durch die Werkstatt des Klägers hinweisen mag, spiegeln die dadurch entstandenen Mehraufwendungen das sog. Werkstattrisiko wider, das gerade nicht der Geschädigte, sondern der Schädiger zu tragen hat (BGHZ 63, 182 f. unter I 2 b).

c) Der Kläger hat vorliegend auch nicht gegen die ihn nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB treffende Schadensminderungspflicht verstoßen. Danach kann der Geschädigte zwar solche Mehrkosten nicht ersetzt verlangen, die durch sein Verschulden bei der Auswahl der Reparaturwerkstatt entstehen (vgl. BGHZ 115, 364, BGHZ 63, 182, 185). Ein Verschulden des Klägers bei der Auswahl seiner Reparaturwerkstatt ist hier allerdings nicht feststellbar. Insbesondere wäre der Kläger – anders als dies das Erstgericht offenbar annehmen will – nicht gehalten gewesen, nach einer von ihm behaupteten Erklärung seiner Werkstatt, die Instandsetzung des hinteren Seitenteils sei nicht ausreichend, auf der Instandsetzung zu bestehen oder notfalls eine andere Werkstatt zu konsultieren. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Zweifel an der fachlichen Qualifikation seiner Werkstatt hätte haben müssen, sind nämlich nicht erkennbar. Zum einen handelt es sich um eine autorisierte Markenwerkstatt der Fahrzeugmarke des Klägers, was für den Laien bereits für sich ein Qualitätskriterium darstellt. Zum anderen entsprach der von der Werkstatt letztlich durchgeführte Reparaturweg den Vorgaben des vom Kläger eingeschalteten Sachverständigen … Da auch insoweit keine Umstände ersichtlich sind, wonach der Kläger Zweifel an der Unabhängigkeit oder an der Qualifikation des von ihm ausgewählten Sachverständigen hätte haben müssen, durfte er auf die übereinstimmende Bewertung „seines“ Sachverständigen und „seiner“ Werkstatt vertrauen.