Quelle: Usien, Wikimedia Commons

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Erhebt der Schädiger bzw. sein Versicherer nach einem Verkehrsunfall technische Einwendungen gegen das Gutachten des Geschädigten, kann der Geschädigte das Einholen einer ergänzenden Stellungnahme für erforderlich halten und demnach die entstehenden weiteren Kosten ersetzt verlangen. Denn der Geschädigte kann regelmäßig nicht beurteilen, ob die Einwendungen berechtigt sind oder nicht, so das LG Saarbrücken in seinem Urteil vom 20.02.2015 (Az. 13 S 197/14). Allerdings handele es sich bei der Frage, ob eine Verweisung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit möglich ist, um keine technische Frage, für die ein solches Ergänzungsgutachten erforderlich wäre:

b) Ein solcher Anspruch kann ferner zu den nach § 249 BGB ersatzfähigen Schäden zählen, was sich danach bemisst, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschätzung eines Sachverständigen ex ante für geboten erachten durfte (vgl. allg. BGH, Urt. v. 30.11.2004 – VI ZR 365/03, VersR 2005, 380; zu Ergänzungsgutachten vgl. auch Kammer, Urt. v. 22.06.2012 aaO, jew. m.w.N.). Das ist hier der Fall.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch auf Ersatz von Kosten eines Privatsachverständigen, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Partei bei Beauftragung des Sachverständigen aus ihrer Sicht infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Hilfe ihres Sachverständigen nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war (vgl. BGHZ 192, 140 Tz. 13; vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.02.2013 – VI ZB 59/12, VersR 2013, 1194).

bb) Diese Grundsätze können für die Frage der Erstattungsfähigkeit von vorgerichtlichen Kosten eines Privatsachverständigen nach § 249 BGB entsprechend herangezogen werden. Denn es ist anerkannt, dass der Geschädigte sich nicht erst im Prozess sachverständiger Hilfe bedienen, sondern bereits vorgerichtlich ein Schadensgutachten einholen darf, damit er seinen erlittenen Kfz-Schaden auf dieser Grundlage beziffern und ggfl. erfolgreich gerichtlich geltend machen kann (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.1988 – X ZR 112/87, WM 1989, 855; Kammer, Urt. v. 19.10.2012 – 13 S 38/12, NZV 2014, 91 und v. 22.02.2013 – 13 S 175/12, ZfS 2013, 682). Vorprozessual besteht gleichermaßen wie während des Prozesses ein berechtigtes Interesse des Geschädigten, einen Sachverständigen heranzuziehen, wenn er ansonsten nicht in der Lage ist, seinen Schaden sachgerecht darlegen zu können.

cc) Erhebt der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer bereits vorgerichtlich technische Einwendungen gegen das vom Geschädigten eingeholte Schadensgutachten, deren Berechtigung der Geschädigte aufgrund fehlender Sachkenntnis nicht abschließend beurteilen kann, darf der Geschädigte grundsätzlich die Einholung eines Ergänzungsgutachtens seines Sachverständigen zur Auseinandersetzung mit den erhobenen Einwendungen für sachdienlich halten. Das berechtigte Vertrauen des Geschädigten in die Richtigkeit der Schadensfeststellungen seines Sachverständigen ist nämlich aufgrund der entgegenstehenden technischen Einwendungen des Schädigers oder dessen Haftpflichtversicherers so weit erschüttert, dass es dem Geschädigten – auch aus Gründen der Waffengleichheit (vgl. hierzu OLG Stuttgart, DAR 1974, 189) – nicht zuzumuten ist, auf dieser Grundlage seinen Schaden geltend zu machen (zur Einholung eines Zweitgutachtens bei berechtigten Zweifeln an der Richtigkeit des Schadensgutachtens vgl. bereits Kammer, Urt. v. 22.02.2013 aaO). Um sachgerecht vortragen zu können und den erlittenen Schaden verbindlich zu beziffern und ggfl. durchzusetzen, darf der Geschädigte demnach unter diesen Umständen eine weitere Beauftragung seines Sachverständigen für erforderlich und zweckmäßig erachten (im Ergebnis ebenso OLG Hamm, DAR 1987, 83; LG Frankfurt, Urt. v. 03.04.2012 – 2-31 O 1/11, juris; Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 26 Rn. 8; Vuia, NJW 2013, 1197, 1198; einschränkend noch Kammer, Urt. v. 22.06.2012 – 13 S 37/12, NJW 2012, 3658 mit Verweis auf Saarl. OLG, OLG-Report 1998, 121; zuletzt offen gelassen in Kammer, Urt. v. 05.07.2013 – 13 S 46/13). Dies gilt auch, weil der Geschädigte in einer solchen Situation davon ausgehen darf, mit Hilfe einer ergänzenden Stellungnahme seines Sachverständigen zur (technischen) Klärung des Sachverhalts bereits im Vorfeld eines Prozesses beitragen und so – auch im Sinne einer wirtschaftlich sinnvollen Vorgehensweise – auf eine nicht streitige Erledigung hinwirken zu können.

dd) Danach durfte die Klägerin vorliegend die Einholung eines Ergänzungsgutachtens ihres Sachverständigen nach § 249 BGB insoweit für erforderlich halten, als die Beklagte – gestützt auf den Prüfbericht vom 11.11.2012 – technische Einwendungen gegen die Schadensfeststellungen des Sachverständigen der Klägerin erhoben hatte. Das betraf vorliegend die Frage nach der technischen Gleichwertigkeit der von der Beklagten benannten „Referenzwerkstatt“ und den voraussichtlichen Reparaturaufwand in technischer Hinsicht. Demgegenüber war die eingehende Auseinandersetzung des Privatsachverständigen mit den Voraussetzungen einer Verweisung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich, da es sich insoweit um keine technische Frage handelt. Die anwaltlich beratene Klägerin wäre insoweit auch ohne erneute Hinzuziehung ihres Sachverständigen ohne weiteres zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage gewesen.

ee) Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Privatsachverständigen in dessen Ergänzungsgutachten, die zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig waren, schätzt die Kammer im Rahmen des § 287 ZPO die hierdurch entstandenen Kosten auf rund die Hälfte der geltend gemachten Kosten, mithin auf 150,- €.