Quelle: pixabay.com

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Urteil vom 18.03.14, Az. VI ZR 383/12: Die Stadt M ließ das verbotswidrig geparkte Fahrzeug des Klägers durch ein von ihr beauftragtes Abschleppunternehmen (Beklagter) auf den Parkplatz des Ordnungsamtes verbringen. Dabei soll das Fahrzeug beschädigt worden sein, weshalb der Kläger Schadensersatz verlangt.

Ansprüche aus Deliktsrecht scheiden laut BGH wegen der Haftungsüberleitung des Art. 34 Satz 1 GG aus, denn das Abschleppunternehmen habe in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt:

Zieht der Staat private Unternehmer zur Erfüllung ihm obliegender Aufgaben auf privatrechtlicher Grundlage heran, so hängt die Qualifikation der Tätigkeit des Unternehmers als hoheitlich oder nicht hoheitlich von dem Charakter der wahrgenommenen Aufgabe, der Sachnähe der übertragenen Tätigkeit zu dieser Aufgabe und dem Grad der Einbindung des Unternehmers in den behördlichen Pflichtenkreis ab. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. Jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung kann sich der Staat der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten seiner Bediensteten nicht dadurch entziehen, dass er die Durchführung einer von ihm angeordneten Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt (…)

Nach diesen Grundsätzen handelte der Beklagte bei der Durchführung des Abschleppauftrages hoheitlich. Er war für die Stadt M. im Rahmen der Eingriffsverwaltung als deren “Erfüllungsgehilfe” tätig. Seine Beauftragung mit dem Abschleppen des unerlaubt geparkten Fahrzeugs des Klägers diente der Vollstreckung des in dem – vom Kläger missachteten – Verkehrszeichen enthaltenen Wegfahrgebots im Wege der Ersatzvornahme (…).

Der BGH lehnt auch einen Schadensersatzanspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ab. Zwar habe die Stadt mit dem Abschleppunternehmen einen Vertrag geschlossen. Der Kläger sei jedoch nicht in dessen Schutzwirkung einbezogen, denn dies würde voraussetzen, dass der Dritte (der Kläger) bestimmungsgemäß mit der vertraglichen Hauptleistung in Berührung kommen soll (Leistungsnähe), der Gläubiger (die Stadt) ein Interesse an der Einbeziehung hat (Gläubigernähe), der Schuldner (das Abschleppunternehmen) dies erkennen konnte und der Dritte schutzbedürftig ist. An der Schutzbedürftigkeit fehle es jedenfalls dann, wenn der Dritte eigene vertragliche Ansprüche gegen den Schuldner hat.

Hier habe der Kläger jedoch einen Schadensersatzanspruch gegen die Stadt aus einem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis entsprechend §§ 688 ff. BGB. Die §§ 276, 278, 280 ff. BGB seien analog anzuwenden:

Ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis entsteht u.a. dadurch, dass ein Verwaltungsträger bei Wahrnehmung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe eine fremde bewegliche Sache in Besitz nimmt und den Berechtigten von Einwirkungen ausschließt, insbesondere an eigenen Sicherungs- und Obhutsmaßnahmen hindert. Anders als im Privatrecht entsteht das Rechtsverhältnis bei Eintritt dieses Tatbestandes automatisch; eines Vertrages bedarf es nicht. An die Stelle der Willenseinigung Privater treten öffentlich-rechtliche Maßnahmen (…). Ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis wird insbesondere durch das Abschleppen eines verbotswidrig geparkten oder verunfallten Fahrzeugs im Wege der Ersatzvornahme begründet (…). Dies gilt auch dann, wenn sich die Behörde zur Durchführung des Abschleppvorgangs der Hilfe eines Privaten bedient (…). Der Verwaltungsträger hat daher für schuldhafte Pflichtverletzungen – auch seines Erfüllungsgehilfen – einzustehen und Schadensersatz zu leisten, wobei ihm im Gegensatz zur Amtshaftung die Beweislast für fehlendes Verschulden obliegt.

Auch ein Anspruch aus § 7 StVG sei zu verneinen:

Da das Fahrzeug des Klägers auf den Abschleppwagen gehoben und auf diesem abtransportiert worden ist, bilden beide Fahrzeuge jedenfalls eine Betriebseinheit (…). Die Haftung des Halters aus § 7 Abs. 1 StVG erstreckt sich aber nicht auf Schäden an dem gehaltenen oder dem mit diesem eine Betriebseinheit bildenden Fahrzeug.