Das AG verurteilte den Betroffenen wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerorts um 31 km/h unter Berücksichtigung zweier Voreintragungen zu einer Geldbuße von 170 Euro sowie einem einmonatigen Fahrverbot. Das Einlassungsverhalten des Betroffenen wird im Urteil nicht erwähnt; zudem fehlten einige Angaben zu den Voreintragungen. Die Rechtsbeschwerde hatte deshalb Erfolg.
OLG Koblenz, Beschluss vom 21.11.2021 – 2 OWi 32 SsBs 240/21
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Montabaur vom 14. Juli 2021 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Montabaur zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Montabaur hat den Betroffenen wegen einer am 4. Februar 2020 als Führer eines Pkw außerhalb geschlossener Ortschaften begangenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h zu einer Geldbuße von 170,00 Euro verurteilt. Außerdem ist gegen den Betroffenen ein mit der Anordnung nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt worden.
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 6. Oktober 2021 beantragt zu entscheiden wie erkannt. Der Verteidiger hat von der ihm eingeräumten Möglichkeit der Stellungnahme zum Votum der Generalstaatsanwaltschaft keinen Gebrauch gemacht.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge – zumindest vorläufig – Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an dieselbe Abteilung der Vorinstanz (§ 79 Abs. 6 OWiG). Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.
Das Urteil weist einen sachlich-rechtlichen Fehler zu Lasten des Betroffenen auf.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu folgendes ausgeführt:
„Das Urteil lässt nicht erkennen, ob sich der Betroffene in der Hauptverhandlung geäußert oder von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Auch bleibt unklar, ob und aus welchen Gründen der Tatrichter eine eventuelle Einlassung für widerlegt angesehen hat. Diese Säumnis stellt jedenfalls dann einen sachlich rechtlichen Mangel des Urteils dar, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich der Betroffene in eine bestimmte Richtung verteidigt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter die Bedeutung der Erklärung verkannt oder sie rechtlich unzutreffend gewürdigt hat. Insbesondere dann, wenn der Betroffene konkrete Einwendungen gegen die Messung erhoben hat, muss sich das Tatgericht damit auseinandersetzen. Ob dies der Fall war und einen Grund zu einer eingehenderen Auseinandersetzung – die grundsätzlich beim Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens nicht erforderlich ist – geboten hätte, kann das Rechtsbeschwerdegericht aber nur dann beurteilen, wenn die Einlassung des Betroffenen in ihren wesentlichen Grundzügen mitgeteilt wird. Auch hinsichtlich der Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs bedarf es der Mitteilung der Einlassung des Verfolgten. Nur in diesem Fall kann der Senat prüfen, ob der Sachverhalt Besonderheiten aufweist, welche es ausnahmsweise gebieten, von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.10.2006 – 1 Ss 55/06, BeckRS 2006, 13397). Nur in sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen von geringer Bedeutung kann unter Umständen auf die Wiedergabe der Einlassung ohne Verstoß gegen die materiell-rechtliche Begründungspflicht verzichtet werden. Wird ein Fahrverbot verhängt, so liegt ein derartiger Fall geringer Bedeutung allerdings bereits deshalb nicht vor (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 05.07.2007 – 2 Ss 114/07, BeckRS 2007, 11770; OLG Köln, Beschluss vom 11.03.2011 – 1 RBs 52/11, BeckRS 2011, 6306). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf diesem Fehler beruht, sodass dieser Fehler zur Aufhebung führen muss.“
Dem schließt sich der Senat nach eigener kritischer Prüfung an. Das Urteil war daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben, §§ 353 Abs. 2 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG und die Sache zur neuen Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht zurückzuverweisen, § 79 Abs. 6 OWiG.
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat noch darauf hin, dass – wenn das Gericht auch die Voreintragung vom 12. Februar 2020 bußgelderhöhend berücksichtigen will – es einer vollständigen Darstellung des relevanten Inhaltes dieser Voreintragung bedarf. Die Generalstaatsanwaltschaft hat darauf bereits wie folgt zutreffend hingewiesen:
„Will das Gericht allerdings – wie vorliegend – die Voreintragungen des Betroffenen neben der Anordnung eines Fahrverbots bußgelderhöhend berücksichtigen, muss das Urteil die noch verwertbaren Voreintragungen vollständig und präzise wiedergeben (vgl. Lay, in: BeckOK Straßenverkehrsrecht, 15.07.2021, OWiG, § 79, Rn. 317). Hierzu gehört insbesondere – neben dem Eintritt der Rechtskraft und der Rechtsfolge – auch der Erlasszeitpunkt und die Mitteilung der Tatzeit (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25.09.2019 – 202 ObOWi 1845/19, BeckRS 2019, 28055). (…) Denn erforderlich ist jedenfalls die Feststellung, dass dem Betroffenen im Zeitpunkt seiner erneuten Verfehlung die Vorbelastung bekannt war. Nur dann hat er nachweislich und vorwerfbar eine gegen ihn ergangene sanktionsmäßige Warnung negiert.“
Einen Kommentar schreiben