Das OLG Brandenburg musste sich mit der Thematik des Einsatzes Privater bei der Bußgeldbehörde auseinandersetzen. Einen Verstoß gegen den Grundsatz, dass diese Herrin des Verfahrens bleiben muss, liege nicht vor, wenn durch Mitarbeiter der Privatfirma lediglich Protokollblätter mit dem Aktenzeichen der Bußgeldstelle versehen und anschließend eingescannt werden. Die Kontrolle über die Messdaten habe die Verwaltungsbehörde hierdurch nicht verloren.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.07.2019 – (1 B) 53 Ss-OWi 285/19 (169/19)
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 13. Februar 2019 wird gemäß §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO aus den in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 14. Mai 2019 ausgeführten Gründen, die durch das Vorbringen mit Verteidigerschriftsatz vom 11. Juni 2019 nicht entkräftet werden, als offensichtlich unbegründet verworfen.
Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die ihm in diesem entstandenen notwendigen Auslagen (§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Gründe
Der Senat nimmt Bezug auf die Gründe der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg, die durch das Vorbringen mit dem Verteidigerschriftsatz nicht erschüttert werden.
Zu ergänzen ist lediglich Folgendes:
1. Hinsichtlich der Rüge der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung ergibt sich die Unzulässigkeit der erhobenen Verfahrensrüge zudem daraus, dass die Rechtsbeschwerde bereits nicht mitteilt, was den Betroffenen an der Teilnahme an der Augenscheinnahme der zu Vergleichszwecken beigezogenen Dokumente gehindert hat, da er insofern freiwillig auf Verteidigungsrechte verzichtet hat. Der Senat kann deshalb nicht prüfen, ob durch die Verweigerung der Unterbrechung der Hauptverhandlung um mehr als 30 Minuten überhaupt eine Beschränkung der Verteidigerrechte vorliegt, zumal es sich nach den Urteilsgründen bei den zum Zwecke des Vergleichs in Augenschein genommenen Unterschriften um solche handeln soll, die vom Betroffenen auf dem Protokoll seiner im beigezogenen Strafverfahren erfolgten Beschuldigtenvernehmung im Beisein einer Polizeibeamtin geleistet worden sein sollen.
2. Die Formalbeanstandung, das Urteil beruhe auf einem Beweisverwertungsverbot, weil Mitarbeiter des privaten Unternehmens „T… GmbH“ aktiv in das Bußgeldverfahren eingegriffen und dadurch widerrechtlich hoheitliche Tätigkeiten ausgeübt hätten, erweist sich als unbegründet. Nach den allein maßgeblichen Urteilsfeststellungen wurde das Protokollblatt im Rahmen des Scanvorganges in der Zentralen Bußgeldstelle durch einen Mitarbeiter der T… GmbH, welche durch die Bußgeldstelle mit dem Einscannen der Vorgänge beauftragt war, handschriftlich um das Aktenzeichen der Zentralen Bußgeldstelle ergänzt. Eine weitere Tätigkeit durch Mitarbeiter der „T… GmbH“ im vorgenannten Bußgeldverfahren hat das Urteil nicht festgestellt und wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht behauptet.
Dass Ordnungsbehörden private Firmen bei der Verkehrsüberwachung hinzuziehen dürfen, ist obergerichtlich geklärt. Bei der Verkehrsüberwachung ist, wie auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, die Hinzuziehung privater Firmen möglich, solange die Ordnungsbehörde Herrin des Verfahrens bleibt (vgl. OLG Frankfurt NJW 1995, 2570, NStZ-RR 2003, 342; Beschluss vom 03.09.2014 – 2 Ss-OWi 655/14 -, juris). Es ist erforderlich aber auch ausreichend, dass die Ordnungsbehörde die Kontrolle über die Ermittlungsdaten, die ihrer Entscheidung über die Durchführung eines Bußgeldverfahrens zu Grunde liegen, behält sowie Herrin über die Entscheidung bleibt, ob und gegen wen sie ein Ermittlungsverfahren bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren einleitet (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18. April 2016 – III-2 RBs 40/16 –, Rn. 1, juris).
Vorliegend ergeben sich aus dem Urteil keine Hinweise darauf, dass die Vergabe der Bürotätigkeiten an die „T… GmbH“ rechtswidrig war, die Zentralen Bußgeldstelle die Kontrolle über die Messdaten an das für sie arbeitende private Unternehmen abgegeben haben könnte oder bei der Übertragung der Aufgaben an das private Unternehmen willkürlich zu Lasten des Betroffenen oder unter bewusster Missachtung der für sie geltenden Bestimmungen gehandelt hat, weshalb ein Beweisverwertungsverbot nicht besteht (vgl. OLG Frankfurt NJW 1995, 2570, 2571; NStZ-RR 2003, 342; OLG Naumburg, Beschluss vom 7. Mai 2012 – Ss (Bz) 25/12 -; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 18. Mai 2017 – Ss Bs 8/2017 (8/17 OWi) -).
3. Nach den Urteilsfeststellungen haben sich die Zeugen PM K… und POMin J… zu einer allgemeinen Verkehrskontrolle entschieden, nachdem sie das vom Betroffenen ohne Besonderheiten oder Auffälligkeiten gesteuerte Fahrzeug bemerkten. Nachdem der Zeuge PM K… Alkoholgeruch bei dem Betroffenen wahrgenommen hatte, fragte er diesen, ob er mit einer freiwilligen Atemalkoholkontrolle mit dem „normalen“ Drägergerät einverstanden sei, was der Betroffene bejahte. Soweit die Rechtsbeschwerde das Fehlen einer Belehrung des Betroffenen über seine Rechte bereits zu diesem Zeitpunkt rügt und hieraus auf eine Unverwertbarkeit des Messergebnisses schließt, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.
Vielmehr würde auch eine -hier nicht vorliegende- unterbliebene Belehrung über die Freiwilligkeit der Maßnahme nicht zu einem Verwertungsverbot führen.
Gesetzlichen Regelungen kann eine solche Pflicht nicht entnommen werden. Der Gesetzgeber hat Belehrungspflichten nur in besonderen Fällen geregelt. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO sieht die Belehrung des Beschuldigten über sein Schweigerecht vor. Letztgenannte Vorschrift gilt ihrem Wortlaut nach allein für Vernehmungen. Eine entsprechende Anwendung auf andere Fälle kommt nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber in anderen Fällen eine Belehrungspflicht ausdrücklich geregelt hat, wie etwa in § 81 h Abs. 4 StPO, und deshalb eine Regelungslücke nicht besteht.
So muss nach § 81 h Abs. 4 StPO der Betroffene im Falle einer DNA-Reihenuntersuchung darüber belehrt werden, dass diese Maßnahme nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden darf. Selbst bei Blutentnahmen nach § 81 a StPO ergibt die Rechtslage nichts anderes. Anerkannt ist zwar, dass die Einwilligung des Beschuldigten eine richterliche Anordnung entbehrlich macht. Diese Einwilligung muss ausdrücklich und eindeutig sein. Dabei muss der Beschuldigte in der Regel auch über sein Weigerungsrecht belehrt werden (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 2005, 399). Dabei geht es in den Fällen, in denen eine förmliche richterliche Anordnung rechtmäßig wäre, nicht um die freiwillige Hingabe eines für die Ermittlungsbehörden sonst nicht zur Verfügung stehenden Beweismittels, sondern nur um einen Verzicht auf die Einhaltung einer verfahrensmäßigen Absicherung der Beschuldigtenrechte, der den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit nicht unmittelbar betrifft (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 16. April 2013 – (2 B) 53 Ss-OWi 58/13 (55/13) –).
Dass der Betroffene zu dem Atemalkoholtest gezwungen wurde, wird von der Rechtsbeschwerde nicht behauptet.
4. Auch soweit der Betroffene die fehlerhafte Ablehnung seines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, dass die Unterschriften auf dem Messprotokoll nicht vom Betroffenen stammen, rügt, wäre die Verfahrensrüge ungeachtet ihrer Unzulässigkeit nicht begründet. Die auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG gestützte Ablehnung des Beweisantrages ist aus Sicht des Rechtsbeschwerdegerichts rechtlich nicht zu beanstanden, da das Gericht aus eigener Sachkunde entscheiden konnte, dass sich aus dem Vergleich mit den in Augenschein genommenen, im beigezogenen Strafverfahren in Anwesenheit einer Polizeibeamtin geleisteten, Unterschriften des Betroffenen zwanglos ergebe, dass es sich bei den Unterschriften auf dem Messprotokoll um die des Betroffenen handelt.
Zwar ist der Rechtsbeschwerde zuzugeben, dass das amtsgerichtliche Urteil an dieser Stelle der Beweiswürdigung etwas unklar formuliert ist, indes lässt sich das tatsächlich Gemeinte unschwer herauslesen.
5. Auch die Sachrüge verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg.
Es kann dahinstehen, ob die Würdigung der Aussage des Betroffenen durch das Amtsgericht zu beanstanden ist, da das Urteil auf den möglicherweise rechtsfehlerhaften Erwägungen nicht beruht.
Aus der Beweiswürdigung wird nämlich deutlich, dass die Bußgeldrichterin ihre Überzeugung von der vom Betroffenen begangenen Ordnungswidrigkeit tragend aus den Aussagen der Polizeibeamten und der sonstigen Beweismittel gewonnen hat.
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