Der Betroffene fuhr mit seinem Pkw auf einer Autobahn und passierte ein auf dem rechten Fahrstreifen stehendes Unfallfahrzeug. Dabei hielt er sein Mobiltelefon mit der rechten Hand horizontal über dem Lenkrad in Richtung des Unfallfahrzeugs. Dies kann, so das AG Castrop-Rauxel, nur dazu gedient haben, das verunfallte Fahrzeug zu fotografieren oder zu filmen, worin eine Benutzung im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO liege. Es mache keinen Sinn, das Gerät auf diese Weise zu halten, wenn es nur verlegt werden soll.

AG Castrop-Rauxel, Urteil vom 29.01.2019 – 6 OWi – 267 Js OWi 1998/18 – 313/18

Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer zu einer Geldbuße von 125,00 € verurteilt. Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene (§§ 23 Abs. 1a, 49 StVO, 24 StVG, 246.1 BKat).

Gründe

I.

Der am 04.08.1973 in … geborene Betroffene verfügt über geregelte Einkommens-und Familienverhältnisse und ist bislang wie folgt verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten:

Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h, 120,00 € und ein Punkt, Tat vom 02.11.2016, rechtskräftig seit 05.07.2017.

II.

Zur Überzeugung des Gerichts steht folgender Sachverhalt fest:

Am … gegen … Uhr befuhr der Betroffene die Bundesautobahn zwei in Castrop-Rauxel in Fahrtrichtung Oberhausen in Höhe des Autobahnkilometers 433,9 mit dem PKW Peugeot mit dem amtlichen Kennzeichen … . In Höhe des Autobahnkilometers 433,9 war aufgrund eines Verkehrsunfalls die rechte Fahrspur gesperrt. Die mittlere Fahrspur der Bundesautobahn war freigegeben. Der Betroffene befuhr mit dem oben genannten Pkw die mittlere Fahrspur. In Höhe der Unfallstelle hielt der Betroffene ein Mobiltelefon in seiner rechten Hand horizontal über dem Lenkrad und hielt das Mobiltelefon in Richtung des verunfallten Fahrzeuges, während er an dem verunfallten Fahrzeug vorbeifuhr. Der Betroffene benutzte dabei eine Funktion des Mobiltelefones, wahrscheinlich fotografierte oder filmte er das verunfallte Fahrzeug. Dass es sich um ein Mobiltelefon handelte, war dem Betroffenen bewusst.

III.

Dies beruht auf der Einlassung des Verteidigers des Betroffenen, soweit dieser gefolgt werden konnte und den Übrigen, zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismitteln.

1.

Der Betroffene war zunächst zum Termin nicht erschienen. Der Betroffene wurde daher auf Antrag des Verteidigers von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden. Denn der Verteidiger räumte die Fahrereigenschaft ein und gab an, im Übrigen werde der Betroffene selbst keine Angaben zur Sache machen. Bedenken gegen die Entbindung vom persönlichen Erscheinen bestanden nicht, weil der Verteidiger ausweislich der Vollmacht Bl. 21 d.A. auch eine sog. „Vertretervollmacht“ hatte.

Der Verteidiger hat sich anschließend für den Betroffenen wie folgt eingelassen:

Der Betroffene habe keine Funktion seines Mobiltelefons benutzt. Er habe es lediglich vom Beifahrersitz verlegen wollen. Ferner habe der Zeuge an den Vorfall keine konkrete Erinnerung gehabt. Der Verteidiger ist im Übrigen der Ansicht, es sei rechtsfehlerhaft, vom bloßen „in-der-Hand-halten“ des Mobiltelefones auf eine Benutzung desselben im Rechtssinne zu schließen.

Der Verteidiger ist ferner der Ansicht, dass für den Fall einer Verurteilung ein Bußgeld im nicht eintragungsfähigen Bereich ausreiche, den Betroffenen nachdrücklich zu einem verkehrskonformen Verhalten anzuhalten.

2.

Diese Einlassung – sofern man sie überhaupt als zulässige Verteidigererklärung ansehen möchte – wird widerlegt durch die Aussage des Zeugen … und den Inhalt der ihrem wesentlichen Inhalt nach bekannt gegebenen Ordnungswidrigkeitenanzeige Bl. 11, 12 d.A..

a)

Der Zeuge … hat Folgendes ausgesagt:

An den Vorfall selber habe er keine konkrete Erinnerung. Er wisse noch, es habe sich um eine gezielte Verkehrsüberwachung gehandelt. Sein Vorgesetzter habe ihn nämlich extra dafür eingesetzt, eventuelle „Handyverstöße“ zu ahnden. Sein Vorgesetzter habe die Erfahrung gemacht, dass an Unfallstellen auf Autobahnen häufig durch vorbeifahrende PKW-Fahrer Video- und Fotoaufnahmen mit Mobiltelefonen gemacht würden. Der Zeuge könne sich erinnern, am Vorfallstag ca. 20-30 Betroffene erwischt und entsprechende Anzeigen geschrieben zu haben. Er könne sich auch daran erinnern, die jeweiligen Betroffenen genau angesehen zu haben, seinen Mittelfinger und seinen Zeigefinger in Richtung seiner eigenen Augen und dann in Richtung der Betroffenen geschwenkt zu haben um zu signalisieren, er habe sie im Blick. Er sich dann für jeden einzelnen PKW Fahrer die entsprechende Uhrzeit und das Kennzeichen aufgeschrieben und Anzeigen gefertigt. Deswegen könne er auch die Verantwortung für den Inhalt der Ordnungswidrigkeitenanzeige Bl. 11 und 12 d.A. übernehmen.

Die ihrem wesentlichen Inhalt nach bekannt gegeben Ordnungswidrigkeitenanzeige Bl. 11 und 12 d.A. enthält auf Bl. 12 d.A. folgenden Tathergang:

„Der Beamte befand sich an der Unfallstelle hinter dem Abschleppdienst mit klarer Sicht auf den mittleren und rechten Fahrstreifen. Es hatte sich ein leichter Stau gebildet, so dass die Fahrzeuge die Unfallstelle mit geringer Geschwindigkeit passierten. Der BER befuhr den mittleren Fahrstreifen. Es konnte deutlich ein Mobiltelefon in der rechten Hand erkannt werden. Dieses wurde horizontal über dem Lenkrad in Richtung des verunfallten Fahrzeuges gehalten. Personenbeschreibung: Männlich, ca. 35-35 Jahre, Oberlippenbart“

Das Gericht ist nach der Aussage des Zeugen und die Bekanntgabe der Ordnungswidrigkeitenanzeige davon überzeugt, dass der Betroffene tatsächlich vor Ort ein Mobiltelefon in der Hand gehalten und auch dessen Funktion genutzt hat.

Dabei darf sich der Tatrichter nicht damit begnügen, dass der Polizeibeamte, der sich ihr den Vorfall nicht erinnert, lediglich auf die Anzeige Bezug nimmt. Vielmehr muss der Tatrichter klären, ob der Polizeibeamte die volle Verantwortung für den Inhalt der Anzeige übernimmt, in welcher Weise er bei der Anzeigeerstattung beteiligt gewesen und ob und inwieweit ein Irrtum ausgeschlossen ist, und warum es verständlich erscheint, dass der Polizeibeamte den Vorfall nicht mehr in Erinnerung hat, falls insoweit Zweifel einsetzen können (OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2015, 56). Dabei wird auch vertreten, dass zum Beispiel bei qualifizierten Rotlichtverstößen eine bloße Bezugnahme auf die Ordnungswidrigkeitenanzeige ausscheidet, wenn sich in der Anzeige nur stichwortartige Umschreibungen des gesetzlichen Tatbestands und die Tatbestandsnummer befinden (AG Dortmund, Beschluss vom 08.10.2018, BeckRS 2018, 27559 = SVR 2019, 33). Befinden sich aber konkrete und detaillierte Beschreibungen des äußeren Geschehens in der Ordnungswidrigkeitenanzeige, ist die Bezugnahme weiterhin zulässig.

Diesen Anforderungen genügen die Aussage des Zeugen … und die vorliegende Ordnungswidrigkeitenanzeige.

Der Zeuge hat nachvollziehbar erläutert, aufgrund der zahlreichen Vorfälle am Tattag keine Erinnerung mehr an den konkreten Einzelfall zu haben. Er könne aber die Verantwortung für den Inhalt der Ordnungswidrigkeitenanzeige übernehmen. Denn es habe sich um eine gezielte Überwachung gehandelt, der Zeuge sei durch keine anderen Tätigkeiten abgelenkt gewesen. Auch das ist für das Gericht nachvollziehbar, denn Zeuge ist ausweislich seiner eigenen Aussage extra dazu abgestellt worden, vor Ort so genannte „Handyverstöße“ zu beobachten. Ebenfalls nachvollziehbar ist, dass der Zeuge an den Einzelfall keine Erinnerung hat, weil er am Tattag nach eigenen Angaben 20 – 30 “Handyverstöße” geahndet habe.

Entgegen der Ansicht der Verteidigung kann aus dem Inhalt der Ordnungswidrigkeitenanzeige der Schluss gezogen werden, der Betroffene habe eine Funktion des Mobiltelefons benutzt.

Denn die Ordnungswidrigkeitenanzeige enthält detaillierte Angaben zum Beobachtungsort, zur Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeugs des Betroffenen, zur Person des Betroffenen und zur Lage des beobachteten Mobiltelefons in der Hand des Betroffenen.

Dabei sind die Angaben der Ordnungswidrigkeitenanzeige auch für das „Benutzen“ im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO ergiebig. Wer beim Vorbeifahren mit dem PKW ein Mobiltelefon (Smartphone“) horizontal deutlich in Richtung eines verunfallten Fahrzeuges hält kann nach Ansicht des Gerichtes damit auch nur eine Funktion des Mobiltelefones nutzen. Entweder filmt er das verunfallte Fahrzeug oder er fotografiert es. Einen anderen Sinn kann diese äußere Handlung kaum ergeben. Denn wollte der Betroffene sein Mobiltelefon lediglich vom Beifahrersitz verlegen, macht es keinen Sinn, das Mobiltelefon in Richtung des verunfallten Fahrzeuges zu halten. Zumal es beim bloßen Verlegen des Telefones an eine andere Stelle nahegelegen hätte, das Telefon vertikal in die Hand zu nehmen. Vertikal kann ein Mobiltelefon nämlich mit einer Hand viel leichter gefasst und verlegt werden als in horizontaler Position. Es ergibt beim bloßen Verlegen des Telefones keinen Sinn, sich durch horizontales Halten des Telefones das Verlegen unnötig zu erschweren. Im Gegensatz dazu macht es allerdings sehr wohl Sinn, das Mobiltelefon horizontal in Richtung des verunfallten Fahrzeugs zu halten, wenn dabei beispielsweise ein Videofilm des Unfalls gefertigt wird. Das horizontale Halten gewährleistet nämlich ein breites Aufnahmebild, so dass im Anschluss daran ein Video oder Foto mit mehr Details angeschaut werden kann. Insofern macht es auch einen Sinn, das Mobiltelefon extra in Richtung des Unfalles zu halten.

Der Zeuge … bestätigte auf Nachfrage des Gerichts, ihm sei bekannt, dass das bloße Verlegen des Mobiltelefones ohne Nutzen einer Funktion nicht bußgeldbewehrt sei. Hätte es sich aus seiner Sicht um ein Verlegen durch den Betroffenen gehandelt, hätte er die Ordnungswidrigkeitenanzeige nicht geschrieben.

b)

Dass der Betroffene ein Mobiltelefon in der Hand hielt und dessen Funktionen nutzte, war dem Betroffenen bewusst.

IV.

Damit hat sich der Betroffene eines vorsätzlichen Verstoßes nach §§ 23 Abs. 1a, 49 StVO, 24 StVG, 246.1 BKat schuldig gemacht. Anders als vorsätzlich ist ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO wegen des bewussten Aufnehmens des elektronischen Gerätes (hier des Mobiltelefones) nicht denkbar.

Die Tatbestandsnummer 123624 sieht für den Regelfall ein Bußgeld von 100,00 € vor. Der Betroffene verfügt über geregelte Einkommens-und Familienverhältnisse und ist ausweislich des verlesenen Fahreignungsregisterauszuges einmal wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes vorbelastet. Dieser ist auch rechtskräftig. Die Erhöhung des Bußgeldes auf 125,00 € ist daher tat-und schuldangemessen.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1, 465 StPO

Tatbestandsnummern: 123624