Endlich wieder eine (Akten-)Einsichtsentscheidung von einem Landgericht: Dass das Rechtsmittel der Beschwerde gegen eine Ablehnung der Akteneinsicht oder Einsicht in Messdaten durch das Amtsgericht nicht nur vom LG Trier für zulässig gehalten wird, zeigen zwei aktuelle Beschlüsse des LG Baden-Baden. In einem ersten Beschluss (vom 10.09.2018) wurde eine solche Beschwerde gegen die (formlose) Mitteilung des AG Rastatt, dass ein Einsichtsrecht nur in die Falldatei des Betroffenen, nicht aber in die Geschwindigkeitsmessungen anderer Fahrzeugführer bestehe, für zulässig, aber – unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des OLG Düsseldorf und OLG Frankfurt – für unbegründet erachtet.

Eine Gegenvorstellung u. a. mit dem Hinweis auf einen Beschluss des OLG Karlsruhe zum Einsichtsrecht in Messgeräte-Bedienungsanleitungen hatte dann Erfolg. Es sei davon auszugehen, dass das OLG Karlsruhe diese Rechtsprechung auf die Einsicht in Messdaten übertrage, was die Kammer dazu “nötige”, die Verwaltungsbehörde zur Überlassung der Messdaten an die Verteidiung anzuweisen.

In der JurPC (Web-Dok. 138/2018) habe ich zu dem Beschluss eine Anmerkung veröffentlicht.

LG Baden-Baden, Beschluss vom 14.09.2018 – 2 Qs 104/18

In dem Bußgeldverfahren gegen

Verteidiger:
Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Winkelstraße 24, 66359 Bous, Gz.: 5823

wegen Ordnungswidrigkeit

hier: Beschwerde des Betroffenen …

hat das Landgericht Baden-Baden – 2. Strafkammer (Große Strafkammer) – durch die unterzeichnenden Richter am 14. September 2018 beschlossen:

Auf die Gegenvorstellung des Betroffenen wird der Beschluss der Kammer vom 10.09.2018 dahingehend abgeändert, dass die zuständige Verwaltungsbehörde angewiesen wird, die Daten derjenigen Messreihe, die den laut Bußgeldbescheid begangenen Verkehrsverstoß des Betroffenen erfasst hat, – ggf. in anonymisierter Form – der Verteidigung zugänglich zu machen.

Die Kosten des gesamten Beschwerdeverfahrens und die in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen des Betroffenen werden – ebenfalls in Abänderung des Beschlusses vom 10.09.2018 – der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

Die von der Verteidigung angeführte Rechtsprechung des OLG Karlsruhe – B. v. 12.01.2018 – 2 Rb 8 Ss 839/17 -, wonach es Ausfluss des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK) sei, dass dem Betroffenen auf seinen Antrag hin auch nicht bei den Akten befindliche amtliche Unterlagen, die er für die Prüfung des Tatvorwurfs benötige, zur Verfügung zu stellen seien, nötigt die Kammer trotz der damit verbundenen Erschwernisse für das Verfahren, ihre Entscheidung – mit der entsprechenden Kostenfolge (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO analog) – entsprechend dem Tenor abzuändern, da zu erwarten ist, dass das OLG Karlsruhe als zuständiges Rechtsbeschwerdegericht die genannte, explizit nur auf die Bedienungsanleitung eines Messgeräts bezogene Rechtsprechung angesichts deren allgemeiner Formulierung auch auf die Bereitstellung von Messdaten erstrecken wird. Dem Schutzinteresse der von der Messreihe erfassten anderen Verkehrsteilnehmer kann durch Anonymisierung ihrer Daten Rechnung getragen werden.

Vielen Dank an Frau Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Bous, für die Zusendung dieser Entscheidung.