Dem ehemals Beschuldigten wurde Trunkenheit im Verkehr vorgeworfen. Zwei Stunden nach der mutmaßlichen Tat am 15.01.2017 wurde er von Ermittlungsbeamten in der Wohnung angetroffen. Dabei äußerte er, das Fahrzeug geführt zu haben, sich sonst aber nicht zu äußern. Die erste daraufhin abgenommene Blutprobe ergab einen Wert von 1,56 Promille, eine weitere ca. 30 Minuten später 1,42 Promille. Über seine Verteidigerin behauptete er am 30.08.2017, nach Ankunft in der Wohnung am 15.01.2017 Alkohol konsumiert zu haben. Dies wiederholte er in der Hauptverhandlung. Das Amtsgericht sprach ihn frei und stellte später fest, dass er auf Grund der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz zu entschädigen sei. Das LG meint, eine Entschädigung sei nach § 5 Abs. 2 StrEG wegen grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen: Der Beschuldigte habe nach Belehrung über den Tatvorwurf einen Tatverdacht gegen sich selbst durch Enräumung der Fahrereigenschaft erhärtet, habe den Nachtrunk erst über ein halbes Jahr später vortragen lassen. Dies könnte dann anders bewertet werden, wenn der Beschuldigte sich überhaupt nicht geäußert hätte.

LG Saarbrücken, Beschluss vom 05.06.2018 – 8 Qs 38/18

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Amtsgerichts Merzig vom 21.03.2018 (Az.: 16 Cs 86/17) aufgehoben.

2. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wird festgestellt, dass eine Entschädigung aufgrund der Sicherstellung des Führerscheins und der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ausgeschlossen ist.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 02.11.2017 sprach das Amtsgericht Merzig – Zweigstelle Wadern – den ehemals Beschuldigten vom Vorwurf der Trunkenheit im Verkehr aus tatsächlichen Gründen frei. Der Führerschein wurde dem Angeklagten am 02.11.2017 ausgehändigt und die Beschlagnahme desselben aufgehoben. Den Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Amtsgerichts Saarbrückens vom 22.05.2017 (Az.: 8 Gs 1330/17) hob das Amtsgericht Merzig mit Beschluss vom 03.11.2017 auf. Eine Entscheidung über die Entschädigung des ehemals Beschuldigten nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) traf das Amtsgericht nicht.

Dem war vorausgegangen, dass der ehemals Beschuldigte am 15.01.2017 circa zwei Stunden nach der mutmaßlichen Tat von den Ermittlungsbeamten in seiner Wohnung angetroffen worden war und diesen gegenüber nach Belehrung angab, selbst das fragliche Fahrzeug geführt zu haben. Zu dem weiteren Tatvorwurf äußerte er sich zunächst nicht. Die daraufhin abgenommene erste Blutprobe wies einen Wert von 1,56 Promille, die rund 30 Minuten später entnommene zweite Blutprobe einen solchen von 1,42 Promille Blutalkoholkonzentration auf. Im Rahmen einer am 30.08.2017 über seine Verteidigerin erfolgten Einlassung gab der Betroffene schließlich an, er habe nach seiner Rückkunft in seiner Wohnung „mindestens fünf Flaschen dunkles Kellerbier à 0,5 l und mindestens zwei gut gefüllte Gläser Rotwein getrunken“ (Bl. 55 der Akte). Diese Angaben wiederholte er im Rahmen der mündlichen Hauptverhandlung.

Bereits am Tag der Urteilsverkündung legte die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Merzig Berufung ein, welche sie mit Telefax vom 14.05.2018, eingegangen beim Amtsgericht Merzig am 15.05.2018, zurücknahm. Mit Datum vom 23.11.2017 beantragte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken nach § 8 StrEG nachträglich festzustellen, dass die Landeskasse gemäß §§ 2 Abs. 1, 5 Abs. 2 StrEG nicht verpflichtet sei, dem ehemals Beschuldigten für die Dauer der Sicherstellung des Führerscheins vom 09.06.2017 bis zum 02.11.2017 Entschädigung zu leisten.

Mit Beschluss vom 21.03.2018 stellte das Amtsgericht Merzig fest,

„dass der rechtskräftig durch Urteil des Amtsgerichts Merzig vom 02.11.2017 freigesprochene Angeklagte für den Schaden, der durch die stattgefundenen Strafverfolgungsmaßnahmen entstanden ist, insbesondere durch die Beschlagnahmemaßnahmen vom 09.06. bis 02.11.2017, zu entschädigen ist […]“ (Blatt 112 der Akte).

Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft mit Datum vom 11.04.2018, eingegangen bei dem Amtsgericht Merzig am 16.04.2018, sofortige Beschwerde ein, welcher das Amtsgericht Merzig ausweislich Blatt 118 der Akte nicht abhalf.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat auch in der Sache Erfolg.

Dabei kann dahinstehen, ob das Amtsgericht auch nach erstinstanzlichem Verfahrensabschluss und nach Einlegung der Berufung und daher entgegen seiner Annahme der „Rechtskraft“, zu einer Entscheidung über die Entschädigung des ehemals Beschuldigten unter Anwendung von § 8 Abs. 1 S. 2 StrEG zuständig war (sich für eine weite Auslegung von § 8 Abs. 1 StrEG aussprechend: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. 3. 1999, Az.: 1 Ws 120-99, NJW 1999, 2830; ablehnend: OLG München, Beschluss vom 03.12.1996, Az.: 2 Ws 536/96 K, zitiert nach juris), da die Entschädigung des ehemals Beschuldigten zumindest wegen dessen grob fahrlässiger (Mit-)Verursachung der Strafverfolgungsmaßnahme ausgeschlossen ist.

Der ehemals Beschuldigte hat vorliegend grob fahrlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 StrEG gehandelt, da er in ungewöhnlichem Maße die Sorgfaltspflicht außer Acht ließ, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen (vergleiche zum Begriff der „groben Fahrlässigkeit“ BGH, Beschluss vom 17.07.1974, Az.: 2 StR 92/74, BeckRS 1974, 00116). Maßgeblich war dabei auf den Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme abzustellen (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 60. Aufl. 2017, Anh 5 StrEG, § 5, Rn. 10).

Der ehemals Beschuldigte hat vorliegend nach Belehrung über den Tatvorwurf der Trunkenheit im Verkehr Angaben gemacht, die den gegen ihn bestehenden Tatverdacht entscheidend erhärteten. Denn er hat gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten die in Rede stehende Fahrt zugestanden und seine Fahrereigenschaft ausdrücklich eingeräumt. Erst mit Schriftsatz vom 30.08.2017, mithin rund sechs Monate nach dieser Einlassung, ließ er über seine Verteidigerin den Nachtrunk vortragen, der letztlich zu dem freisprechenden Urteil führte. Das bloße Verschweigen des Nachtrunks wäre unter Umständen dann unschädlich gewesen, hätte sich der ehemals Beschuldigte überhaupt nicht zur Sache geäußert (§ 5 Abs. 2 S. 2 StrEG). Das hat er hingegen nicht getan, vielmehr hat er mit seiner teilgeständigen Einlassung zur Untermauerung des bestehenden Tatverdachts in erheblichem Maße beigetragen. Ein verständiger Mensch in der Situation des ehemals Beschuldigten hätte den Polizeibeamten, die bei ihm in direktem zeitlichem Zusammenhang mit der vorgeworfenen Tat erschienen waren, ohne schuldhaftes Zögern auch mitteilen können, dass umfangreicher Nachtrunk gehalten wurde (Geppert in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, § 69, Rn. 208; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.09.1977, Az.: 4 Ws 118/77, NJW 1978, S. 1017; zur Frage der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 S. 2 StrEG bei nicht sachgerechten Mitwirkung des Beschuldigten an einem Alkoholtest (bejahend): LG Passau, Beschluss vom 17.12.1985, Az.: 1 Qs 197/85, JurBüro 1986, S. 1218). Denn das Verschweigen wesentlicher entlastender Umstände durch einen – wie hier – jedenfalls teilweise aussagebereiten Beschuldigten führt zur Versagung einer Entschädigung, wenn der Umstand dem Beschuldigten bekannt war und es sich um einen für seine Verteidigung wesentlichen entlastenden Punkt handelte, wie dies beim Verschweigen eines Nachtrunkes bei einem teilweise aussagewilligen Beschuldigten in aller Regel zu bejahen ist. Hat sich daher ein der Trunkenheit am Steuer verdächtiger Beschuldigter teilweise zur Sache eingelassen, dabei aber einen ihn entlastenden Nachtrunk verschwiegen, hat er die daraufhin gegen ihn angeordnete Führerscheinmaßnahme in grob fahrlässiger Weise selbst verursacht, sodass er demzufolge bereits nach § 5 Abs. 2 S. 1 StrEG kraft Gesetzes von einer Entschädigung ausgeschlossen ist (Geppert, a.a.O., OLG Frankfurt am Main, a.a.O.).

Es besteht vorliegend auch kein Anlass zu der Annahme, dass der ehemals Beschuldigte zu einer entsprechenden Mitteilung aufgrund seiner körperlichen oder geistigen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen wäre oder, dass er nicht merkte, durch sein Verhalten den gegen ihn gerichteten Tatverdacht zu erhärten.

Der Hinweis auf den Nachtrunk hätte das Ergebnis der Blutprobe, das maßgeblich zur Begründung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis und der Beschlagnahme des Führerscheins herangezogen wurde, in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und dem Antrag der Staatsanwaltschaft vom 23.11.2017 zu entsprechen.