Die Beschwerdeführerin legte gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch per unsignierter E-Mail ein, welche die Verwaltungsbehörde zur elektronischen Akte nahm. Nach Abgabe der Sache über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht verwarf dieses den Einspruch wegen des Formmangels als unzulässig. Hiergegen legte die Betroffene sofortige Beschwerde ein und bat um Mitteilung über das Eingangsdatum des Rechtsmittels beim Beschwerdegericht, unter welchem Aktenzeichen es geführt werde, die Gewährung rechtlichen Gehörs bezüglich der Nichtabhilfeentscheidung sowie Mitteilung der Namen der zur Entscheidung berufenen Richter. Das Landgericht verwarf die Beschwerde als unbegründet, ohne dass der Betroffenen die erbetene Mitteilung gemacht wurde. Hiergegen wendete sich die Betroffene mit der Gehörsrüge (§ 33a StPO). Das Landgericht hat daraufhin das Verfahren in die Lage vor Erlass des Beschlusses, mit dem die Beschwerde verworfen wurde, zurückversetzt. Die Kammer habe die Bitte um Mitteilung der genannten Daten im Schreiben der Betroffenen versehentlich übersehen und diese dadurch in ihrem Anspruch auf rechtliche Gehör verletzt.

LG Kassel, Beschluss vom 06.02.2018 – 8 Qs 34/17

Der Beschluss des Landgerichts Kassel vom 11.12.2017 wird aufgehoben und das Verfahren in die Lage zurückversetzt, die vor dem Erlass dieses Beschlusses bestand.

Der Beschwerdeführerin wird ergänzendes rechtliches Gehör gewährt. Sie erhält Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme bis zum 21.02.2018.

Nach Ablauf der Stellungnahmefrist wird in der Sache erneut entschieden.

Gründe

I.

Gegen die Beschwerdeführer erging am 24.07.2017 ein Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Kassel wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit. Dieser wurde ihr am 29.07.2017 mit einer Rechtsmittelbelehrung zugestellt. Mit E-Mail vom 31.07.2017 legte die Betroffene Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Die Mail wurde zur elektronischen Akte genommen. Die Verwaltungsbehörde übersandte den Vorgang an die Staatsanwaltschaft Kassel, die die Akte aufgrund des Einspruchs der Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid dem Amtsgericht vorlegte und beantragte, aus den Gründen des Bußgeldbescheides auf die dort ausgesprochene Rechtsfolgen zu erkennen.

Mit Verfügung vom 18.08.17 wies das Gericht die Betroffene darauf hin, dass beabsichtigt sei, den Einspruch kostenpflichtig als unzulässig zu verwerfen, da er nicht formgerecht eingelegt worden sei. Ein Einspruch per E-Mail sei nicht zulässig. Zugleich wurde der Betroffenen eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen gewährt. Diese Verfügung wurde am 04.09.17 von der Geschäftsstelle ausgeführt.

Mit Telefax vom 06.09.17 führte die Betroffene unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Rostock u.a. aus, dass danach ihr Einspruch per E-Mail zulässig sei.

Mit Beschluss vom 06.09.17 verwarf das Amtsgericht Kassel den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig und führt dazu umfangreich aus, dass der Einspruch nicht den Vorschriften über die Einspruchseinlegung genüge. Ein Einspruch sei schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde einzulegen. Eine einfache E-Mail ohne qualifizierte Signatur genüge diesen Formerfordernissen nicht.

Gegen diesen am 08.09.17 zugestellten Beschluss legte die Betroffene mit Telefax vom 09.09.17 sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung wird ausgeführt, dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei, da das Amtsgericht noch vor Ablauf der ihr gesetzten Stellungnahmefrist entschieden habe. Das gerichtliche Schreiben vom 18.08.17 sei ihr erst am 05.09.17 zugegangen, so dass die Stellungnahmefrist noch bis zum 19.09.17 gelaufen sei. In der Sache wird die Argumentation aus dem Telefax vom 06.09.17 wiederholt.

Zugleich bat sie in diesem Schreiben darum mitzuteilen, wann ihr Rechtmittel bei dem Beschwerdegericht eingegangen sei, unter welchem Aktenzeichen dies dort geführt werde, ihr rechtliches Gehör bezüglich einer eventuellen Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts zu gewähren und ihr die Namen der zur Entscheidung berufenen Richter mitzuteilen.

Mit weiterem Schreiben vom 14.09.2017 erklärte sie, unter Vorlage der Kopie eines amtsgerichtlichen Schreibens vom 18.08.2017, dass ihr darin die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung angekündigt worden sei.

Mit Beschluss der Kammer vom 11 .12.2017 wurde die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 06.09 .2017 als unbegründet verworfen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit Schreiben vom 17.12.2017 u.a. mit dem Antrag, das Verfahren wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 33a StPO in die Lage zurückzuversetzen, in der es sich vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses befunden habe.

Zu ihrem Antrag führt sie aus, dass sie mit Schreiben vom 09.09.17 darum gebeten habe, mitzuteilen wann ihr Rechtmittel bei dem Beschwerdegericht eingegangen sei, unter welchem Aktenzeichen dies dort geführt werde, ihr rechtliches Gehör bezüglich einer eventuellen Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts zu gewähren und ihr die Namen der zur Entscheidung berufenen Richter mitzuteilen, was sämtlich nicht geschehen sei. Im Übrigen sei ihr Vortrag aus dem Schreiben vom 14.09.2017 in dem landgerichtlichen Beschluss nicht berücksichtigt worden.

Mit weiterem Schreiben vom 18.12.2017 bittet sie (erneut) um Auskunft, wann die Weitergabe der Akte an das Landgericht durch das Amtsgericht verfügt worden sei und wann diese bzw. ihr Schreiben vom 14.09.2017 bei der Geschäftsstelle der zuständigen Kammer eingegangen sei.

II.

Der Antrag der Betroffenen auf Nachholung des rechtlichen Gehörs ist zulässig und begründet.

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 33a StPO sind erfüllt. Die Betroffene rügt schlüssig, das Beschwerdegericht habe in seinem Verwerfungsbeschluss ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

Der Betroffenen steht auch gegen den Verwerfungsbeschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, da eine weitere Anfechtung nach den §§ 46 OWiG, 310 Abs. 2 StPO nicht stattfindet.

Begründet ist der Antrag, wenn die behauptete Gehörsverletzung tatsächlich stattgefunden hat, für den erlassenen Beschluss entscheidungserheblich war und die getroffene Entscheidung den Betroffenen gegenwärtig noch beschwert.

So liegt der Fall hier. Die Kammer hat den hier entscheidenden Absatz in dem Schreiben der Betroffenen vom 09.09.2017, in dem diese darum gebeten hatte mitzuteilen, wann ihr Rechtmittel bei dem Beschwerdegericht eingegangen sei, unter welchem Aktenzeichen dies dort geführt werde, ihr rechtliches Gehör bezüglich einer eventuellen Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts zu gewähren und ihr die Namen der zur Entscheidung berufenen Richter mitzuteilen, versehentlich übersehen und damit den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt.

Dies ist auch entscheidungserheblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.01.2015, Az. 2 BvR 2592/14). Schließlich ist die Betroffene durch die aufgrund dessen zu ihrem Nachteil ergangene Beschwerdeentscheidung auch weiterhin beschwert.

Das Beschwerdeverfahren war deshalb in die Lage vor Erlass des angefochtenen Beschlusses zurück zu versetzen und der Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren.

Insoweit wird folgendes mitgeteilt:

Das Amtsgericht Kassel hat die Akten mit Verfügung vom 26.09.2017 kommentarlos der Staatsanwaltschaft übersandt, die deren Weiterleitung an das Landgericht am 04.10.2017 verfügt hat.

Die Akten sind am 05.10.2017 beim Landgericht Kassel eingegangen.

Das Beschwerdeverfahren wird hier unter dem Az. 8 Qs 34/17 geführt.

Eine Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts hat es nicht gegeben. Eine solche ist bei sofortigen Beschwerden rechtlich auch nicht vorgesehen.

Die Namen der zur Entscheidung berufenen Richter lauten wie folgt: Vors. Richter am Landgericht …, Richter am Landgericht … und Richter …

Das Schreiben der Betroffenen vom 14.09.2017 ist am 18.09.2017 zur Akte gelangt, befand sich in der Akte und wurde von der Kammer zur Kenntnis genommen.

Es besteht Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme bis zum 21.02.18.