Dieser Beschluss des LG Mainz befasst sich mit der Einsicht in diverse Messdaten und Geräteunterlagen sowie der Zulässigkeit einer Beschwerde gegen die vor der Hauptverhandlung gefasste Entscheidung des AG Mainz, diese Daten der Verteidigung nicht herauszugeben. Er ist noch vor der eine ähnliche Konstellation betreffenden Entscheidung des LG Trier ergangen und besagt das genaue Gegenteil: Da die Verteidigung nach Herausgabe aus diesen Daten sich ergebende Einwendungen gegen die Richtigkeit der Messung formulieren könnte, denen das Gericht nachgehen müsse und die somit den Umfang der Beweisaufnahme beeinflussten, sei die Beschwerde nach § 305 Satz 1 StPO unzulässig. Ohnehin könne die Einsicht in die ganze Messreihe nicht gewährt werden, da dadurch die Persönlichkeitsrechte anderer Autofahrer verletzt würden. Diese Sichtweise erscheint etwas verkürzt. Das OLG Frankfurt, auf dessen Entscheidung sich das LG Mainz hierzu bezieht, hat eine Einsicht in die Messreihe allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern zunächst nur gefordert, die Verteidigung müsse “tatsachenfundiert vorzutragen, warum er die gesamte Messreihe benötigt und dabei in die grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte Dritter eingreifen will.” Auch sei die Polizei in Rheinland-Pfalz nicht verpflichtet, Lebensakten zu Messgeräten zu führen – leider wird hier nicht auf die Pflicht zur (zeitweisen) Aufbewahrung von Wartungsnachweisen gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG eingegangen.

Der abschließende Hinweis, dass die Nichtherausgabe dieser Daten in der Rechtsbeschwerde überprüft werden könnte, würde im Übrigen voraussetzen, dass das zuständige OLG (hier: Koblenz) dies ebenso sieht und nicht z. B. dem OLG Bamberg folgt. Das LG Trier war sich insoweit weniger sicher und hat die Gefahr, dass die Nichtüberlassung von nicht bei der Akte befindlichen Messdaten nicht zum Erfolg einer Rechtsbeschwerde führt, genügen lassen, um die Nichtherausgabe bereits im Beschwerdeverfahren gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 304 Abs. 1 StPO zu überprüfen.

LG Mainz, Beschluss vom 13.04.2017 – 1 Qs 17/17

Die Beschwerde des Betroffenen gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Mainz vom 14.12.2016 wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Dem Betroffenen wird vorgeworfen, am … um … Uhr auf der BAB 63, Gem. Nieder-Olm, Höhe Abfahrt Nieder-Olm Nord, Fahrtrichtung Alzey als Fahrer des PKW AUDI, amtliches Kennzeichen die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 42 km/h überschritten zu haben. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 60 km/h, die festgestellte Geschwindigkeit – nach Abzug der Toleranz (4 km/h) – 102 km/h.

Das Polizeipräsidium Rheinpfalz – Zentrale Bußgeldstelle – erließ daher gegen den Betroffenen am 28.07.2016 einen Bußgeldbescheid (Az.: …). Gegen diesen legte der Betroffene durch Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 23.08.2016 Einspruch ein.

Im Rahmen des Bußgeldverfahrens beantragte die Verteidigerin erstmals beim Polizeipräsidium Rheinpfalz mit Schreiben vom 10.11.2016, ihr die digitalen Falldaten der gesamten Messserie, das zugehörige Passwort, die Statistik-(Datei) sowie die Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise des Messgerätes seit der ersten Inbetriebnahme zur Verfügung zu stellen. Die Behörde lehnte mit Schreiben vom 16.11.2016 den Antrag der Verteidigerin ab.

Nachdem dieser Antrag durch die Verteidigerin auch an das Amtsgericht Mainz gestellt wurde, lehnte dieses mit Schreiben vom 14.12.2016 den Antrag ebenfalls ab. Hiergegen legte die Verteidigerin des Betroffenen mit Schreiben vom 28.12.2016 Beschwerde ein, mit der sie erneut beantragt, ihr die oben genannten Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Wegen der Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den vorgenannten Schriftsatz der Verteidigung vom 28.12.2016 Bezug genommen (BI. 93 ff. d. A.).

II.

Die Beschwerde ist bereits unzulässig.

Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts Mainz stellt eine Entscheidung dar, die der Urteilsfällung vorausgeht und daher nach § 305 Satz 1 StPO nicht der Beschwerde unterliegt. Denn die angefochtene Entscheidung, mit der das Amtsgericht Mainz die Überlassung der weiteren Messunterlagen abgelehnt hat, steht in einem inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung, dient ausschließlich ihrer Vorbereitung und unterliegt bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung durch das Gericht (vgl. dazu etwa LG Lüneburg, Beschluss vom 27.11.2015, Az. 26 Qs 271/15; LG Aurich, Beschluss vom 22.01.2013, Az. 12 Qs 9/13). Die Frage, ob weitere Akten beizuziehen sind, ist wegen des auch im Ordnungswidrigkeitenverfahrens geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 77 Abs. 1 OWiG) ureigene Aufgabe des Tatgerichts. Lehnt dieses im Zwischenverfahren die Beiziehung weiterer Akten oder Unterlagen mit der Begründung ab, dass es diese für die Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich hält (§ 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG), dient diese Entscheidung ausschließlich der Vorbereitung des Urteils. Soweit im Schrifttum dazu eine andere Auffassung vertreten wird (vgl. etwa KK/Laufhütte, StPO, § 147 Rn. 28) überzeugt diese nicht. Der Antrag der Verteidigerin bezweckt im Ergebnis nichts anderes als den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zu begründen und dadurch in einer späteren Hauptverhandlung auf den Umfang der Beweisaufnahme Einfluss zu nehmen.

Letztlich erweist sich der Antrag der Verteidigerin, das geforderte Material zur Verfügung zu stellen, als Akteneinsichtsbegehren in noch beizuziehende Akten. Nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147 Abs. 1 StPO besteht ein Akteneinsichtsrecht aber nur in solche Aktenbestandteile, die dem Gericht selbst vorliegen oder diesem vorzulegen wären. Bei dem vorliegend verwendeten Geschwindigkeitsmesssystem Vitronic Poliscan Speed handelt es sich um ein sog. standardisiertes Messverfahren, für das in Rheinland-Pfalz keine Lebensakte geführt wird (vgl. Schreiben der Zentralen Bußgeldstelle vom 16.11.2016 an die Verteidigung, BI. 78 d. A.). Schon aus diesem Grund können aber die geforderten Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise des Messgeräts seit der ersten Inbetriebnahme kein Aktenbestandteil sein. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung einer Lebensakte eines Messgeräts gibt es nicht (OLG Frankfurt, NStZ-RR 2016, 320). Im Übrigen hat der Betroffene auch keinen Anspruch auf Beiziehung der kompletten Messreihe, denn es gibt weder einen rechtlichen noch einen sachlichen Grund, dass in die Rechte unbeteiligter Dritter eingegriffen werden darf (ausführlich dazu OLG Frankfurt a.a.O.)

Der Unzulässigkeit der Beschwerde steht auch nicht § 305 Satz 2 StPO entgegen. Denn die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts Mainz kann rückwirkend beseitigt werden, da sie der Rechtsbeschwerde unterliegt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. 473 Abs.1 Satz 1 StPO.

Vielen Dank an Frau Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Bous, für die Zusen­dung die­ser Entscheidung.