Dieser Beschluss des LG Aachen passt ganz gut zu der Thematik des Arbeitskreises III des 56. Verkehrsgerichtstages (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort). Er betrifft zunächst die Zustellung eines nicht übersetzten Strafbefehls an eine nicht deutsch sprechende Person in den Niederlanden. Das LG Aachen geht – nach der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens und einer dazu ergangenen Entscheidung des EuGH (C-278/16) – davon aus, dass § 37 Abs. 3 StPO auch Strafbefehle erfasst und damit die Einspruchsfrist mangels wirksamer Zustellung nicht in Gang gesetzt worden sowie eine Verfristung des Einspruchs nicht gegeben sei.

Zudem weist die Kammer darauf hin, dass für die Berechnung des bedeutenden Schadens bei der Frage der Regelentziehung gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB es nicht auf den Brutto-, sondern den Netto-Reparaturkostenbetrag ankomme. Auch Verbringungskosten des beschädigten Fahrzeugs seien nicht einzurechnen.

LG Aachen, Beschluss vom 13.11.2017 – 66 Qs 10/16

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Düren vom 28.01.2016 – 17 Cs 521/15 – aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Verwerfung seines Einspruchs gegen den Strafbefehl des AG Düren vom 02.11.2015 – 17 Cs 521/15 – ist begründet.

Das Amtsgericht Düren hat den Einspruch des Angeklagten zu Unrecht als verfristet verworfen. Denn der Strafbefehl vom 02.11.2015 ist dem Angeklagten bis zum heutigen Tag noch nicht wirksam zugestellt worden, weshalb die hiergegen eröffnete Einspruchsfrist von zwei Wochen (§ 410 Abs. 1 StPO) noch gar nicht in Gang gesetzt worden ist.

Eine wirksame Zustellung des Strafbefehls vom 02.11.2015 an den in den Niederlanden lebenden und der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten setzt gemäß § 37 Abs. 3 StPO die Beifügung dessen Übersetzung in die niederländische Sprache voraus. Denn der Begriff „Urteil“ in § 37 Abs. 3 StPO ist im Licht des Europäischen Rechts dahin auszulegen, dass hiermit auch Strafbefehle gemeint sind. Dies ergibt sich aus dem in diesem Verfahren ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12.10.2017 – C-278/16 = NZV 2017, 530 mit Anmerkung von Sandherr.

Die Kammer weist bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass entgegen der Formulierung im Strafbefehl vom 02.11.2015 der hier relevante Fremdschaden sich nicht auf 1.647,11 €, sondern allenfalls auf den von der Firma Autohaus K in dem Kostenvoranschlag vom 06.08.2015 bezifferten Netto-Reparaturkostenbetrag von 1.384,13 € belaufen dürfte (vgl. LG Gera, NZV 2006, 105; Krumm, NJW 2012, 829, 830; Quarch, in: Buck/Krumbholz, Der Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, 2. Aufl. 2013, § 13 Rn. 56). Von diesem Betrag dürften noch die angesetzten Verbringungskosten i.H.v. 107,50 € abzuziehen sein (vgl. Krumm a. a. O.; Quarch a. a. O., Rn. 55), so dass sich letztlich ein dem Angeklagten für den Fall seines Schuldspruchs gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zur Last zu legender Unfallschaden von nur 1.276,63 € ergeben dürfte. Damit dürfte bei dem hier streitigen Unfallereignis nach keiner der gegenwärtig vertretenen Meinungen (vgl. dazu Quarch, Der grenzwertige Grenzwert, in: ACE-Verkehrsjurist 2/2016, S. 1 ff.) ein bedeutender Schaden im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu bejahen sein. Ein Regelfall des Fahrerlaubnisentzugs nach dieser Norm dürfte deshalb hier zu keinem Zeitpunkt vorgelegen haben.