Hier ein weiterer Beschluss aus Bayern zur (Akten-)Einsicht in digitale Messdaten einer Geschwindigkeitsmessung. Anders als (gestern veröffentlicht) das AG Würzburg hat das AG Fürth dem Polizeiverwaltungsamt Straubing aufgegeben, außer der Gerätestammkarte (Lebensakte) auch die digitalen Messdaten mit Token an den Verteidiger zu übermitteln. Dies gebiete das Recht auf Verteidigung; die genannten Unterlagen seien Aktenbestandteile. Und es fügt hinzu: Die Handhabung des Polizeiverwaltungsamtes, in jedem Bußgeldverfahren die Messdaten (auch die einzelne Messdatei eines Betroffenen) nur auf richterlichen Beschluss herauszugeben, habe keinerlei gesetzliche Grundlage und sei daher willkürlich. Das Verfahren nach § 62 OWiG werde auf diese Weise von der Verwaltungsbehörde missbraucht.

AG Fürth, Beschluss vom 06.10.2017 – 461 OWi 430/17

Die Weigerung der Behörde verletzt das Recht auf Verteidigung und rechtliches Gehör. Es geht vorliegend nicht um Unterlagen, die erst im Wege von noch vorzunehmenden Ermittlungshandlungen zur Akte gelangen können. Auf derartige Unterlagen bezogene Anträge wären im Verfahren des § 62 OWiG unzulässig, da dieses Verfahren kein Instrument darstellt, um bestimmte Ermittlungshandlungen der Bußgeldbehörde in einem anderen laufenden Verfahren zu erzwingen.

Zur Akte des Bußgeldverfahrens gehören hier indes die verschriftet bzw. als Dateien verwaltungsintern vorliegenden Unterlagen zum eingesetzten Gerät bzw. zum Messeinsatz, in dessen Rahmen der Betroffene gemessen und beanstandet wurde. Deshalb umfasst das Recht auf Akteneinsicht sämtliche im Tenor genannten Bestandteile.

Die Verweigerung dessen beschwert den Betroffenen unmittelbar, der ohne die hier geforderten Unterlagen die Einhaltung der technischen wie rechtlichen Anforderungen an die ihn betreffende Messung nicht prüfen kann, verbunden mit einer Entscheidung darüber, ob ein Einspruch eingelegt bzw. fortgeführt werden soll oder nicht bzw. mit welchem Vorbringen.

Konkrete, schon vorliegende Einwendungen des Betroffenen gegen das Messergebnis setzt das Recht auf Akteneinsicht nicht voraus. Soweit datenschutzrechtliche Aspekte zu beachten sind, mag vor Durchführung der Akteneinsicht Anonymisierung erfolgen.

Dass ein richterlicher Beschluss Voraussetzung für die Gewährung der Einsicht in hier genannte Unterlagen sei, wie das Polizeiverwaltungsamt meint, ist abwegig, auch wenn es der Wunschvorstellung zweier bayerischer Ministerien entsprechen mag. Zwar bleibt im Verfahren des § 62 OWiG dem Gericht verfahrensbedingt nichts anderes übrig, als durch Beschluss über einen Antrag gem. § 62 0WiG zu entscheiden. Gleichwohl wäre es Missbrauch des Instituts dieses Verfahrens, würde die Verwaltung es mit ihrer Verfahrensweise auf diesen Beschluss anlegen, um dann endlich Akteneinsicht zu gewähren.

Weder hier noch im Verfahren nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gibt es eine Rechtsnorm, die einen Beschluss vorschreibt, wie es das Polizeiverwaltungsamt meint, im Anschluss an ministerielle Vorstellungen voraussetzen zu dürfen; diese Behördenpraxis ist am Maßstab des Gesetzes willkürlich.

So ist auch in einem laufenden Bußgeldverfahren das Prozessgericht keineswegs gehalten, einen Beschluss zu fassen, wenn es einen Gutachter damit beauftragt, die Richtigkeit und Verwertbarkeit der Messung aus technischer Sicht umfassend gutachterlieh zu prüfen. Dem Verfahrenszweck genügt dann ebenso z. B. die Beauftragung des Gutachtens im Rahmen seiner Ladung zum Termin, damit der Sachverständige unter Vorweisen dieses Auftrages mit Aktenzeichen für die Behörde nachvollziehbar, befugt, vom Gericht erkennbar beatiftragt, vom Polizeiverwaltungsamt die hier genannten Unterlagen bzw. Dateien mit Token zur Einsicht zwecks Vorbereitung gemäß Anforderung zur Einsicht und Vorbereitung seines Gutachtens erhält. Hier einen Beschluss zu fordern, wie wiederholt beobachtet, wäre Förmelei ohne Rechtsgrundlage.