Die erste von zwei Entscheidungen zum Thema Einsicht in Messdaten, die ich in dieser Woche vorstelle, ruft wieder die Problematik des sog. formellen Aktenbegriffs in Erinnerung. Das AG Stadtroda meint in einem Bußgeldverfahren wegen des Verdachts eines Geschwindigkeitsverstoßes (PoliScan Speed) zu dem Antrag des Verteidigers, Einsicht in die gesamte Messreihe, den Token, das Passwort, die Statistikdatei und die Lebensakte gewähren, dass diese Unterlagen nicht Aktenbestandteil geworden seien und daher im Wege der Akteneinsicht nicht zugänglich gemacht werden könnten. Zu der Entscheidung des OLG Jena bezüglich Einsicht in die Lebensakte meint das AG, diese beziehe sich auf die Hauptverhandlung, nicht das behördliche Verfahren. Möglicherweise ist diese Passage so zu verstehen, dass das AG Einsichtsersuchen von Verteidigern in Messunterlagen wieder in das gerichtliche Verfahren verlagern möchte, während mehrere Oberlandesgerichte (z. B. das Kammergericht und das OLG Frankfurt) darauf hingewiesen haben, dass die Einsichtanträge in Messdaten im Vorverfahren zu stellen und später für das Gericht nicht mehr beachtlich seien, wenn es von der Richtigkeit der Messung überzeugt ist.

AG Stadtroda, Beschluss vom 07.08.2017 – 7 OWi 1367/17

In der Bußgeldsache

gegen

Bevollmächtigter: RA Dirk Rahe, Lahnsteiner Str. 7, 07629 Hermsdorf

hat das Amtsgericht Stadtroda durch Richter … am 07.08.2017 beschlossen:

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet verworfen.
2. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Der Antrag ist zulässig jedoch unbegründet.

Der Betroffene beanstandet, dass ihm im Vorverfahren bestimmte Unterlagen, namentlich die gesamte Messreihe, der Token und das Passwort, die Statistikdatei und die Lebensakte, nicht vorgelegt wurden. Diese Unterlagen sind bislang nicht Aktenbestandteil geworden, so dass sie im Wege der Akteneinsicht auch nicht zugänglich gemacht werden können. Das Recht zur Akteneinsicht begründet keinen Anspruch auf Erweiterung des Aktenbestandes (vgl. ThOLG, Beschluss vom 03.09.2007 – 1 Ws 337/07; ThOLG, Beschluss vom 20.02.2008 – 1 Ss 1/08). Insbesondere ergibt sich aus dem Recht auf Akteneinsicht kein Anspruch hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Akte. Diese Grundsätze werden auch nicht durch den Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 01.03.2016 (ThOLG, Beschluss vom 01.03.2016 – 2 OLG 101 Ss Rs 131/15) berührt, da sich dieser einzig auf die richterliche Aufklärungspflicht in der Hauptverhandlung bezieht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar, § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG.

Vielen Dank an Herrn Rechtsanwalt Dirk Rahe, Sozietät Dr. Zwanziger & Collegen, Gera / Hermsdorf, für die Zusendung dieser Entscheidung.