Ein aktueller Beschluss des BGH befasst sich mit der Unterbrechung der Verfolgungsverjährung durch die Beauftragung eines Sachverständigen, wie sie § 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB und § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG vorsehen ist. Dazu führt der BGH aus, dass – speziell bei mehreren Gutachten – nicht jede Inanspruchnahme eines Gutachters als “Beauftragung” die Vorauassetzungen des Unterbrechungstatbestandes erfüllt. Wird der Sachverständige um Erläuterung oder Ergänzung seines bereits erstatteten Gutachtens gebeten, reicht dies für eine Unterbrechung der Verjährung nicht aus.
BGH, Beschluss vom 10.08.2017 – 3 StR 227/17
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 16. Januar 2017 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall IV.1. der Urteilsgründe wegen fahrlässiger verspäteter Insolvenzantragstellung verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der fahrlässigen verspäteten Insolvenzantragstellung, des Betruges in fünf Fällen sowie der Vereitelung der Zwangsvollstreckung schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger verspäteter Insolvenzantragstellung in zwei Fällen, Betruges in fünf Fällen sowie Vereitelung der Zwangsvollstreckung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensbeanstandungen und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und hat insoweit zum Schuldspruch den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Soweit der Angeklagte im Fall IV.1. der Urteilsgründe wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung betreffend die F. GmbH verurteilt worden ist, ist das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, weil hinsichtlich dieser Tat mit Ablauf des 6. Oktober 2014 das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
Die Verjährungsfrist der fahrlässigen Insolvenzverschleppung, die gemäß § 15a Abs. 1, 4 und 5 InsO mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bedroht ist, beträgt drei Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB) und begann hier mit Beendigung der Tat durch den Beschluss des Amtsgerichts Nordhorn zur Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der F. GmbH mangels Masse am 18. Februar 2011 zu laufen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 166/08, BGHSt 53, 24, 26). In der Folgezeit wurde die Verjährung mehrfach unterbrochen, zuletzt durch die Durchsuchungsanordnungen des Amtsgerichts Osnabrück vom 7. Oktober 2011 (§ 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB). Eine weitere Unterbrechung innerhalb der hierdurch neu in Gang gesetzten Frist wurde nicht herbeigeführt.
Insbesondere war die in den betreffenden Zeitraum fallende Beauftragung des Sachverständigen Dr. H. durch die Staatsanwaltschaft Osnabrück am 4. Juli 2014 nicht geeignet, eine verjährungsunterbrechende Wirkung zu entfalten. Zwar wird die Verjährung gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB durch die Beauftragung eines Sachverständigen durch einen Richter oder Staatsanwalt unterbrochen, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben worden ist. Jedoch gilt dies nicht ausnahmslos. Die Vorschriften über die Unterbrechung der Verjährung sind als Ausnahmevorschriften eng auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1979 – 4 StR 127/79, BGHSt 28, 381, 382; Beschluss vom 22. Mai 2006 – 5 StR 578/05, BGHSt 51, 72, 79). Hieraus folgt für die Regelung des § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB, dass nicht jede Inanspruchnahme eines Gutachters die Voraussetzungen einer “Beauftragung” im Sinne dieser Norm erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1979 – 4 StR 127/79, BGHSt 28, 381, 382). Eine Einschränkung ist unter anderem in den Fällen der mehrfachen Einholung von Sachverständigengutachten geboten. Diese können jeweils nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten, wenn entweder die Person des Sachverständigen ausgewechselt oder demselben Sachverständigen ein völlig neues Beweisthema aufgegeben wird (LK/Schmid, StGB, 12. Aufl., § 78c Rn. 27; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 78c Rn. 11). Letzteres setzt dabei voraus, dass der Sachverständige bei seiner erneuten Inanspruchnahme damit beauftragt wird, nunmehr zu einer weiteren Frage, die nicht bereits Gegenstand des ersten Auftrages war, gutachterlich Stellung zu nehmen (BayObLG, Beschluss vom 11. Oktober 1976 – 1 Ob OWi 291/76, BayObLGSt 1976, 114, 116). Demgegenüber reicht es nicht aus, wenn er lediglich um Erläuterung oder Ergänzung eines bereits erstatteten Gutachtens gebeten wird (BayObLG aaO; LK/Schmid aaO; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch aaO). In diesem Sinne sind auch Handlungen eines Richters oder Staatsanwalts, die der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens nachfolgen und die auf die Präzisierung der Ausführungen des Sachverständigen oder die Beseitigung von Unklarheiten gerichtet sind, ebenso wie Fragen an den Sachverständigen im Rahmen seiner Vernehmung über das Gutachten nicht als neue Aufträge anzusehen (BayObLG aaO).
Nach diesen Maßstäben konnte die Beauftragung des Sachverständigen Dr. H. am 4. Juli 2014 keine verjährungsunterbrechende Wirkung im Sinne des § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB entfalten, da die Staatsanwaltschaft Osnabrück denselben Sachverständigen bereits am 2. August 2011 damit betraut hatte, ein betriebswirtschaftliches Sachverständigengutachten (unter anderem) zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der F. GmbH und der Erkennbarkeit dieses Umstandes für die Geschäftsführer zu erstellen. Der Auftrag vom 4. Juli 2014 umfasste auch kein neues Beweisthema. Der Sachverständige wurde insoweit lediglich um “ergänzende Stellungnahme” gebeten, ob das zwischenzeitlich eingegangene Vorbringen des Verteidigers etwas am Ergebnis des auf den Auftrag vom 2. August 2011 hin erstatteten Gutachtens vom 29. Februar 2012 ändere. Bereits die Bezeichnung der Zielrichtung des neuerlichen Auftrags als “ergänzende gutachterliche Stellungnahme” sowie die ausdrückliche Bezugnahme auf das Ausgangsgutachten verdeutlichen den Rekurs auf das diesem zugrunde liegende Beweisthema. Eine positive Umschreibung eines davon abzugrenzenden oder darüber hinausgehenden, eigenständigen Themenbereichs ist der Auftragsverfügung vom 4. Juli 2014 nicht zu entnehmen. Der Umstand, dass der Verteidiger des Angeklagten zwischenzeitlich zu dem tatgegenständlichen Verdacht der Insolvenzverschleppung betreffend die F. GmbH Stellung genommen und den Vorwurf zurückgewiesen hatte, vermag daran nichts zu ändern. Dies allein reicht nicht aus, um der Fragestellung des Auftrags vom 4. Juli 2014 die inhaltliche Qualität eines eigenen Beweisthemas zu verleihen. Die nunmehr vorliegende Stellungnahme des Verteidigers betraf stattdessen lediglich die tatsächliche Grundlage für die Bearbeitung des bereits im Auftrag für das Ausgangsgutachten definierten Beweisthemas und hätte bereits dort Berücksichtigung gefunden, wenn sie seinerzeit bekannt gewesen wäre. In diesem Fall hätte es jedenfalls insoweit einer neuerlichen, ergänzenden Inanspruchnahme des Sachverständigen auch nicht bedurft.
Sonstige verjährungsunterbrechende Maßnahmen nach § 78c Abs. 1 StGB wurden innerhalb der durch die letzte Unterbrechung am 7. Oktober 2011 neu in Gang gesetzten Frist nicht veranlasst. Die diesbezüglich zeitlich nächste Handlung bestand in dem – später wieder zurückgenommenen – Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gegen den Angeklagten vom 7. Juli 2015 (§ 78c Abs. 1 Nr. 6 StGB), der jedoch erst am 13. Juli 2015 beim Amtsgericht Nordhorn einging und damit außerhalb des maßgebenden Zeitraums lag.
2. Die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Tat zu Fall IV.1. der Urteilsgründe hat die aus der Entscheidungsformel ersichtliche Änderung des Schuldspruchs zur Folge. Der dadurch bedingte Wegfall der zugehörigen Einzelstrafe führt hier jedoch nicht zur Aufhebung der Gesamtstrafe; diese hat vielmehr Bestand. In Anbetracht der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von sieben Monaten, fünf Monaten, drei Mal drei Monaten und zwei Mal zwei Monaten ist mit Blick auf die im eingestellten Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten auszuschließen, dass das Landgericht bei entsprechender Teileinstellung des Verfahrens auf eine niedrigere als die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
3. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
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