Die Klägerin verlangt von ihrem allgemeinen Haftpflichtversicherer Zahlung bzw. Freistellung von Ansprüchen nach einem Schadensereignis. Nachdem eine Zeugin, welche die Klägerin besucht hatte, ihren Pkw vor deren Haus abgestellt hatte, löste der Ehemann der Klägerin bei dem Pkw der Zeugin durch das geöffnete Fenster die Handbremse und schob ihn am Türrahmen um einige Zentimeter nach vorne, um seinen Anhänger vor das Gartentor schieben zu können. Nun kam es wie es kommen musste: Der Ehemann vergaß, die Handbremse wieder anzuziehen und war bereits dabei, sich von dem Pkw abzuwenden. In diesem Moment rollte der Pkw rückwärts vom Stellplatz in Richtung Straße und stieß gegen die Gartenmauer eines Nachbarn. Gestritten wurde um Zahlung der Reparaturkosten wegen der an dem Pkw entstandenen Schäden sowie Freistellung von Ansprüchen der Zeugin auf Grund ihres Höherstufungsschadens, nachdem die Beklagte als Haftpflichtversicherer für den Pkw der Zeugin den Schaden an der Mauer reguliert hat.

Das AG Saarlouis hält vorliegend die in den Versicherungsbedingungen enthaltene Benzinklausel für einschlägig, so dass kein Anspruch gegen die Beklagte gegeben sei. Für das Führen bzw. den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs sei unschädlich, dass der Motor nicht in Betrieb gesetzt wurde. Auch auf die geschobene Strecke von nur wenigen Zentimetern komme es dabei nicht an (AG Saarlouis, Urteil vom 24.07.2017 – 28 C 250/17 (70)).

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus einem Allgemeinen Haftpflichtversicherungsvertrag Ansprüche auf Zahlung und Freistellung aufgrund eines Vorfalles vom 28. 08. 2016 geltend. Mitversicherte Person ist ihr Ehemann, der Zeuge F.

Bestandteil des Versicherungsvertrages ist u.a. folgende Klausel:

“Nicht versichert ist die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führer eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs sowie eines versicherungspflichtigen Anhängers wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs/Anhängers verursacht werden.”

Der Zeuge F. meldete der Beklagten einen Schaden am Fahrzeug der Zeugin S. sowie einen Schaden an einer Mauer. Hierbei schilderte er, die Zeugin S. habe am 28.8.2016 anlässlich eines Besuchs bei der Klägerin ihren PKW auf dem Stellplatz der Klägerin und ihres Ehemannes neben dessen Anhänger abgestellt. Da er den Anhänger vor das Gartentor schieben und dort beladen wollte, jedoch der Wagen der Zeugin den Weg versperrte, habe er sich durch die offene Seitenfenster des Pkw’s gebeugt, die Handbremse gelöst und das Fahrzeug am Türrahmen um einige Zentimeter nach vorne geschoben. Anschließend habe er vergessen, die Handbremse anzuziehen, so dass der Wagen rückwärts vom Stellplatz in Richtung Straße gerollt , gegen eine Mauer gestoßen sei und diese beschädigte.

Hinsichtlich der Beschädigungen an ihrem Fahrzeug holte die Zeugin S. ein Gutachten bei der Firma GFU GmbH ein, welches den Brutto-Wiederbeschaffungswert auf 4575 € sowie den Restwert auf 500 € bezifferte. Der Ehemann der Klägerin zahlte an die Zeugin wegen der Beschädigungen den Betrag von 4075 €.

Hinsichtlich des Sachschadens an der Mauer in Höhe von 4771,90 € sowie des Gutachterhonorars nahm die Zeugin S. die Beklagte als ihre Kfz-Haftpflichtversicherung in Anspruch, welche beide Beträge bezahlte. Dies führte dazu, dass der Beitrag der Zeugin zu ihrer Haftpflichtversicherung im Jahr 2017 sich auf 628,91 € belief, während er für das Jahr 2016 noch 287,79 € betragen hatte. Auf die Schadenmeldung des Zeugen F. lehnte die Beklagte unter Hinweis auf vorzitierte Klausel jedwede Entschädigungsleistungen ab.

Die Klägerin behauptet,

ihr Ehemann habe entsprechend seiner Schadenmeldung am 28. 08. 2016 die Schäden zulasten der Zeugin F. verursacht.

Sie beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Zeugen F. 4075 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.3.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte zu verurteilen, den Zeugen F. von den Ansprüchen der Zeugin S. in Höhe von 341,20 € freizustellen
3. Die Beklagte zu verurteilen an den Zeugen F. außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.3.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung,

dass das schädigende Ereignisaufgrund der vorzitierten sog. Benzinklausel nicht vom Versicherungsschutz umfasst sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus einem zwischen den Parteien bestehenden Allgemeinen Haftpflichtversicherungsvertrag zu.

Die Eintrittspflicht der Beklagten für die Folgen eines Vorfalls vom 20.06.2016 ist auch unter Zugrundelegung der Hergangsschilderung der Klägerin durch die sog. Benzinklausel, die Bestandteil des Versicherungsvertrages wurde, ausgeschlossen. Somit kann dahingestellt bleiben, ob sich der Schaden auch tatsächlich auf diese Art und Weise ereignete.

Nach der Klausel ist u.a. nicht versichert die Haftpflicht des Führers eines Kraftfahrzeuges wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden.

Der Ehemann der Klägerin war Führer des Pkws der Zeugin S., als er es nach Lösen der Handbremse wegschob, um Platz für seinen Fahrzeughänger zu schaffen.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, NJW 2017,388, BGH, r +s 2007,102). Bei einem in der Rechtssprache üblichen Begriff ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (BGH r+s 1986, 148).

So verhält es sich beim verwendeten Begriff des (Fahrzeug-)Führers: Das Führen eines Fahrzeugs zählt zu den zentralen Begriffen des Straßenverkehrsrechtes (vgl. etwa §§ 2,18 StVG, 2 Absatz 3a s. 1 StVO sowie 315c, 316 StGB), so dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer den in der Klausel verwendeten Begriff des Führens ebenso wie in den Straßenverkehrsrechtnormen verstehen darf (Landgericht Hildesheim, Urteil vom 21.12.1999, 3 O 202/98 juris; zum Begriff des Fahrers ebenso: BGH NJW 1963, 43). Dies wird letztlich auch durch die Verwendung weiterer (Rechts-)Begriffe in der Klausel -Besitzer, Halter, Eigentümer- bestätigt.

Danach führt ein Kraftfahrzeug, wer es unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein-oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fortbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt. Ein Fahrzeugführer muss sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen Einrichtungen des Fahrzeuges bedienen, die für seine Fortbewegung bestimmt sind (h. M., Vergleiche BGH NJW 2015,1124 Freymann/Wellner, juris PK-StrVerkR, 1. A. 2016 § 18 StVG Rn. 7, Burhoff, VA 2006, 107).

Dabei schließt der Umstand, dass der Zeuge F. nach Hergangsschilderung der Klägerin das Fahrzeug nicht mittels eigener Motorkraft fortbewegte, die Führereigenschaft nicht zwingend aus (Freymann/Wellner jurisPK aaO § 18 StVG Rn. 7, Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs § 4 Rn. 11.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es im Haftpflichtrecht anerkannt, dass Führer eines Kraftfahrzeuges(§ 18 StVG) derjenige sein kann, der bei ausgeschaltetem Motor lenkt, seine maschinellen Einrichtungen (Bremsen u.ä.) bedient und auf diese Weise die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug ausübt. (BGHSt 14,185 zu § 24 StVG).

Dabei ist auch die Länge der zurückgelegten Strecke unerheblich für die Feststellung, ob jemand ein Kfz geführt hat oder nicht (BGH aaO), weshalb es auch nicht entscheidungserheblich darauf ankommt, dass der Pkw von dem Zeugen nur wenige Zentimeter nach vorne geschoben worden sein soll.

Der Zeuge hatte nach dem Lösen der Handbremse die tatsächliche Sachherrschaft über das Fahrzeug, die Aufgaben eines Fahrzeugsführers und die ausschließliche Entscheidungsbefugnis über dessen Fortbewegung und die Fahrtrichtung übernommen.

Die Eigenschaft des Zeugen als Fahrzeugführer bestand auch noch zum Zeitpunkt der Schadenentstehung, auch wenn der Zeuge beim – von ihm ungewollten – Losrollen des Fahrzeuges schon wieder im Begriff gewesen sein soll, sich von diesem zu entfernen, der Verschiebevorgang für ihn bereits abgeschlossen war.

Anders als etwa bei § 316 StGB kann die Eigenschaft als Fahrzeugführer in Ansehung (und im Sinne) der Haftungsvorschrift des § 18 Absatz 1 StVG auch nach dem Abstellen des Fahrzeugs noch fortdauern, solange das Fahrzeug sich im Sinne des § 7 Absatz 1 StVG im Betrieb befindet; dies ist etwa der Fall, wenn das Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt worden ist, von ihm betriebstypische Gefahren ausgehen, zu deren Minderung der das Fahrzeug Abstellende Sicherungsmaßnahmen zu treffen hatte, und noch kein anderer die Führung des Fahrzeuges übernommen hat (Freymann/Wellner aaO Rn. 13, König in: Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht § 18 StVG Rn. 2).

Dies ist jedoch vorliegend der Fall gewesen, da das Fahrzeug der Zeugin S. vor dem Anwesen der Klägerin, mithin im öffentlichem Verkehr, abgestellt war (so ausdrücklich Schriftsatz vom 7.10.2016 Seite 2: “vor dem Anwesen”) , von dort auch gegen die Nachbarmauer stoßen konnte und Ursache des Schadenseintritts die fehlende Sicherungsmaßnahmen, nämlich das nochmalige Anziehen der Handbremse war.

Der Schaden ist auch beim Gebrauch des Pkws der Zeugin S. verursacht worden.

Der Begriff des Gebrauchs schließt den Betrieb im Sinne des § 7 StVG ein und geht noch darüber hinaus (BGHZ 75, 45).

Eine hiernach geforderte typische Fahrerhandlung liegt vor, wenn sie in den gesetzlichen oder durch die Verkehrsauffassung bestimmten Aufgabenkreis des Fahrers fällt und in Zusammenhang mit einer bestimmten Fahrt geschieht (BGHZ 78, 52).

Indem der Zeuge Fritz nach dem von ihm vorgenommenen Positionswechsel des Pkws vergaß, die Handbremse wieder anzuziehen, hat sich eine Gefahr verwirklicht, die dem Fahrzeuggebrauch eigen ist und diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist (vergleiche Prölss Martin BesBed PHV Nummer 3 Rn. 10, 11, 28 Aufl. 2010).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre gesetzlichen Grundlagen in den §§ 708 Nummer 11,711 ZPO.