Martin Vogler, Wikimedia Commons

Gemäß § 839 Abs. 3 BGB entfällt ein Amtshaftungsanspruch, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Über § 839a Abs. 2 BGB gilt dies auch für die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen. Der BGH hat nun entschieden, dass die Einholung eines Privatgutachtens nicht als Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB anzusehen ist. Die Einholung und Vorlage eines Privatgutachtens, um Einwände gegen ein gerichtliches Gutachten zu substantiieren, könne die Aussicht dafür erhöhen, dass das Gericht ein weiteres Gutachten einholt. Zu dieser Einholung sei eine Partei im Zivilprozess aber nicht verpflichtet, so dass ein Unterlassen auch nicht anspruchsausschließend wirken könne (BGH, Beschluss vom 27.07.2017 – III ZR 440/16).

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Tombrink, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Pohl beschlossen:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 20. Juli 2016 – 4 U 102/13 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 86.976,69 €.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten, einen Facharzt für Psychiatrie, unter dem Vorwurf der Erstattung eines fehlerhaften Gerichtsgutachtens gemäß § 839a BGB auf Schadensersatz in Anspruch. Das Gutachten erstattete der Beklagte in einem Zivilprozess des Klägers gegen ein Versicherungsunternehmen, in dem es um die Geltendmachung von Ansprüchen auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ging und der für den Kläger ohne Erfolg blieb.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

1. Soweit das Berufungsgericht – jedenfalls – ein grobes Verschulden des Beklagten im Sinne von § 839a Abs. 1 BGB verneint hat, lässt dies einen Grund zur Zulassung der Revision nicht erkennen. Der Senat sieht von einer näheren Begründung gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ab.

2. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die – vom Berufungsgericht offen gelassene – Frage, ob die Haftung des Beklagten wegen schuldhaften Nichtgebrauchs eines Rechtsmittels nach § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, nicht entscheidungserheblich an. Ein Revisionszulassungsgrund ist insoweit nicht gegeben. Allerdings sieht der erkennende Senat Anlass für den Hinweis, dass die Auffassung des Berufungsgerichts (dessen Entscheidung unter anderem in MDR 2016, 1203 veröffentlicht worden ist), wonach die Einholung eines Privatgutachtens als “Rechtsmittel” im Sinne dieses Haftungsausschlusses anzusehen sei, von Rechtsfehlern beeinflusst ist.

a) Als “Rechtsmittel” kommen zwar auch solche Behelfe in Betracht, die sich unmittelbar gegen das fehlerhafte Gutachten selbst richten und die bestimmt und geeignet sind, eine auf das Gutachten gestützte instanzbeendende gerichtliche Entscheidung zu verhindern. Zu denken ist insoweit etwa an Gegenvorstellungen und Hinweise auf die Unrichtigkeit des Gutachtens (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO), an Anträge, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, oder an formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen (Ober-) Gutachtens gemäß § 412 Abs. 1 ZPO (Senat, Beschluss vom 28. Juli 2006 – III ZB 14/06, NJW-RR 2006, 1454, 1455 Rn. 11 und Urteil vom 5. Juli 2007 – III ZR 240/06, BGHZ 173, 98, 100 f Rn. 8).

b) Nicht unter die “Rechtsmittel” im Sinne von § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3 BGB fällt indessen die Einholung eines Privatgutachtens, um Einwände gegen ein beanstandetes gerichtliches Sachverständigengutachten zu substantiieren (so auch BeckOGK/Dörr, BGB, § 839a Rn. 67 [Stand: 1. April 2017]; Staudinger/Wöstmann, BGB [2013], § 839a Rn. 27 mwN aus dem Schrifttum; wohl auch MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl., § 839a Rn. 40; a. A. OLG Celle, DS 2012, 82, 83; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 15. Oktober 2012 – 3 O 3620/12, BeckRS 2014, 15746). Zwar mag die Einholung und Vorlage eines Privatgutachtens die Aussicht dafür erhöhen, dass das Prozessgericht einem Antrag auf Einholung eines neuen (Ober-) Gutachtens Folge leistet (OLG Celle aaO S. 83 f; LG Nürnberg-Fürth aaO). Eine nicht sachkundige Partei ist jedoch generell nicht verpflichtet, zur Substantiierung ihrer Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten einen Privatgutachter zu konsultieren (BGH, Urteile vom 19. Februar 2003 – IV ZR 321/02, NJW 2003, 1400 f; vom 18. Oktober 2005 – VI ZR 270/04, NJW 2006, 152, 154 Rn. 15 und vom 8. Juli 2008 – VI ZR 259/06, NJW 2008, 2846, 2849 Rn. 27; s. auch Dörr aaO; Wagner aaO). Dementsprechend kann es ihr nicht im Sinne von § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3 BGB anspruchsausschließend zur Last fallen, wenn sie dies unterlassen hat.