Das AG wies den Betroffenen in einer Bußgeldsache in der Hauptverhandlung darauf hin, dass statt einer fahrlässigen Geschwindigkeitsübertretung auch eine Verurteilung wegen Vorsatz in Betracht komme. Die Verteidigerin erklärte schließlich, den Einspruch auf die Rechtsfolgenseite zu beschränken. Auf Nachfrage des Gerichts meinte sie, die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung solle dennoch überprüft werden. Dies erachtete das Gericht als widersprüchlich und sah die Beschränkung des Einspruchs als unwirksam an. Dem folgte auch das OLG Frankfurt und führte ergänzend aus, dass die Schuldform nicht losgelöst von den Rechtsfolgen betrachtet werden könne und in Situationen, in denen die Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung naheliegt, eine Beschränkung des Einspruchs generell nicht möglich sei. Sonst könnte der Betroffene entsprechend der Rosinentheorie (nur) die gerichtliche Überprüfung von Tatsachen, die für ihn nachteilig sind, unterbinden. Damit steht allerdings eine Abweichung zu der kürzlich vorgestellten Entscheidung des OLG Oldenburg im Raum (Beschluss vom 23.03.2016, Az. 2 Ss OWi 52/16).

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Friedberg vom 3. November 2015 wird verworfen, weil die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf das Rechtsbeschwerdevorbringen hin keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat.
2. Der Betroffene hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Ausführungen bedarf es vorliegend nur zu der Frage der Wirksamkeit der Beschränkung des Rechtsmittels nach § 67 Abs. 2 OWiG.

I.

Nach den Feststellungen hat das Regierungspräsidium … gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 13.07.2015 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb von geschlossenen Ortschaften um 59 km/h eine Geldbuße von 300,- Euro festgesetzt und ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet.

Hiergegen hatte der Betroffene zunächst form- und fristgerecht voll umfänglich Einspruch eingelegt.

Das Gericht wies den Verteidiger und den Betroffenen darauf hin, dass vorliegend eine Verurteilung wegen Vorsatz in Betracht käme. Im Rahmen der Beweisaufnahme wurde durch die Verteidigung die Richtigkeit der Messung bestritten und hierzu Beweisanträge gestellt. Schließlich wurde der Einspruch auf die Rechtsfolgenseite beschränkt. Auf die Frage des Gerichts, weshalb der Einspruch nicht vollständig zurückgenommen werde, wenn doch die Richtigkeit der Messung nunmehr zugestanden werden solle, erklärte die Verteidigerin, dies solle schon noch überprüft werden können. Gründe, die eine geringere Geldbuße oder ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen könnten, hatte sie indes nicht genannt.

Das Amtsgericht hat die Beschränkung des Einspruches vorliegend als unwirksam bewertet und den Betroffenen mit dem angegriffenen Urteil vom 03.11.2015 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 480,- Euro und einem Fahrverbot von 1 Monat verurteilt.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Versagung der Einspruchsbeschränkung rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft ist mit ihrer Zuschrift vom 22.01.2016 der Verteidigung in diesem Punkt beigetreten.

II.

Das Amtsgericht ist zu Recht von einem unbeschränkten Einspruch ausgegangen. Die Einspruchsbeschränkung nach § 67 Abs. 2 OWiG war vorliegend unwirksam.

§ 67 Abs. 2 OWiG entspricht vom Wortlaut den §§ 410, sowie §§ 318, 344 Abs. 1 StPO. Diese Vorschriften dienen allesamt der Strafrechtsbeschleunigung, indem dem Beschuldigten die Möglichkeit eingeräumt wird, seine Rechtsmittel auf die Punkte zu beschränken, die seiner Meinung nach der Erörterung bedürfen, was sich im Ergebnis dann auch in der Kostentragung niederschlägt.

Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung ist, da das deutsche Strafrecht vom Grundprinzip der materiellen Wahrheitsermittlung geprägt ist, weshalb z. Bsp. auch Geständnisse auf ihre Richtigkeit überprüft werden müssen, dass zunächst die Erklärung der Beschränkung unmissverständlich und ernst gemeint sein muss. Als Prozesserklärung ist die Beschränkungserklärung darüber hinaus bedingungsfeindlich.

Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben sind. Wenn nach den Feststellungen das zunächst verfolgte Einspruchsziel die Überprüfung der Richtigkeit der Messung ist und nach der erklärten Einspruchsbeschränkung auf die Rechtsfolgen auf Nachfragen des Gerichts dann aber gleichwohl an der Überprüfung der Messung festgehalten wird, ist dieses Vorgehen der Verteidigung widersprüchlich. Denn mit einer wirksamen Einspruchsbeschränkung ist genau das Angriffsziel, nämlich die Überprüfung der Messung auf ihre Richtigkeit im Falle der Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung, der gerichtlichen Prüfung entzogen. Wenn dann das Amtsgericht angesichts dieses rechtlich widersprüchlichen Agierens der Verteidigerin zu Gunsten des Betroffenen das ursprüngliche Angriffsziel, nämlich die Richtigkeit der Messung zu überprüfen, als Ziel des Einspruchs annimmt, zumal hinsichtlich der Rechtsfolgen gerade keine Bedenken geltend gemacht werden, ist die Annahme der Unwirksamkeit des Einspruchsbeschränkungserklärung zwingend. Dieses Vorgehen des Amtsgerichts wirkt sich auch nur zu Gunsten des Betroffenen aus. Dem Betroffenen und der Verteidigerin hätte es freigestanden, die vom Amtsgericht transparent in der Hauptverhandlung geäußerte Bewertung durch entsprechendes wirksames prozessuales Handeln in die vom Betroffenen gewünschte Richtung zu lenken. Macht er von seinen prozessualen Möglichkeiten keinen wirksamen Gebrauch, hat er seine Dispositionsbefugnis insoweit – wie vom Amtsgericht zutreffend bewertet – ausgeübt.

Neben der vorliegenden widersprüchlichen und damit unwirksamen Beschränkungserklärung ist die Beschränkung auch materiell-rechtlich unwirksam gewesen. Die Schuldform kann nicht ohne weiteres losgelöst von den Rechtsfolgen betrachtet werden.

Den Beschränkungsvorschriften im OWiG und in der StPO ist nach ständiger Rechtsprechung gemeinsam, dass der Angriff nur auf die Beschwerdepunkte beschränkt werden kann, die eigenständig für sich alleine geprüft und bewertet werden können.

Bei einem Geschwindigkeitsverstoß, der wie hier nach der ständigen Rechtsprechung der meisten Oberlandesgerichte in Deutschland so hoch ist, dass der sogenannte doppelte Vorsatz, d. h. der Vorsatz bezogen auf die Geschwindigkeitsbeschränkung und die danach folgende vorsätzliche Entscheidung, diese zu missachten, mehr als naheliegt, ist die daraus folgende Bewertung für die Rechtsfolgenseite in aller Regel zwingend.

Das war vorliegend ganz besonders deswegen von Bedeutung, weil in dem Bußgeldbescheid üblicherweise lediglich in einer Kurzform nur Tatort, Tatzeit und die konkrete Tathandlung genannt werden. Die Rahmenumstände, in denen die Tathandlung begangen worden ist, sind anders als z. B. beim wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in einer Anklage in einem Bußgeldbescheid gerade nicht genannt. Deswegen geht zu Gunsten des Betroffenen in Bußgeldbescheiden in Verkehrssachen die Bußgeldbehörde vom Regelfall der Fahrlässigkeit aus und bemisst daran die Rechtsfolgen. Eröffnet der Betroffene durch seinen Einspruch die vollständige Überprüfung der Tathandlung durch das Gericht und weist das Amtsgerichts darauf hin, dass nach der richterlichen Bewertung der Aktenlage statt Fahrlässigkeit eine vorsätzliche Begehung in Betracht kommt und damit auch eine vom Bußgeldbescheid abweichende Rechtsfolge (§ 265 StPO), kann der Betroffene nicht wirksam diesen Zusammenhang dadurch unterbrechen, dass er wie nach der Rosinentheorie sich die Punkte im Tatgeschehen herauspickt, die für ihn möglicherweise günstig sind und alle diejenigen, die für ihn nachteilig wirken, wegbeschränkt. Das Gericht hat das Tatgeschehen im Ganzen zu bewerten. Deswegen greift nach der Einspruchseinlegung auch nicht das Verschlechterungsverbot. Die Schuldform und die Rechtsfolgen sind auf das Engste miteinander verbunden. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass der Gesetzgeber in nahezu allen Straftatbeständen aber auch im Bußgeldbereich unterschiedliche Strafrahmen dafür vorsieht, abhängig davon, ob das Delikt fahrlässig oder vorsätzlich begangen wurde. Dass im Bußgeldbereich bei Verkehrsdelikten, mit bundesweit ca. 500.000 amtsgerichtlichen Verfahren im Jahr, alleine aus prozeßokönomischen Gründen zu Gunsten des Betroffenen grundsätzlich von Fahrlässigkeit ausgegangen wird, begründet keine Sonderregel für die Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung, zumal der Gesetzgeber auch in § 67 Abs. 2 OWiG den gleichen Wortlaut verwendet hat wie auch in §§ 410, sowie §§ 318, 344 Abs. 1 StPO.

Soweit sich aus der von der Generalstaatsanwaltschaft zitierten unveröffentlichten Entscheidung des Senats (2 Ss-OWi 786/11) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Bamberg NStZ-RR 2008, 119 [OLG Bamberg 19.10.2007 – 3 Ss OWi 1344/07] etwas anderes ergeben sollte, lagen dem ausschließlich prozeßökonomische Erwägungen zu Grunde (vgl. OLG Bamberg NStZ-RR 2008, 119 Rn. 7 [OLG Bamberg 19.10.2007 – 3 Ss OWi 1344/07]).