Zwischen dem von rechts kommenden Fahrzeug des Klägers und dem des Beklagten zu 1) kam es in Höhe eines Kreuzungsbereichs auf einem Privatgelände, das vom öffentlichen Verkehrsraum durch Poller abgetrennt ist, die nur von bestimmten Personen mittels Chip versenkt werden können, zu einem Verkehrsunfall. Die Vorfahrt war an dieser Stelle nicht durch Verkehrszeichen geregelt. Das OLG Jena hat die Rechts-vor-links-Regel entsprechend angewendet und kommt zu einer Haftungsteilung von 75:25 zu Lasten des Beklagten zu 1). Die StVO sei außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums zwar nicht unmittelbar anwendbar. Hier habe aber der über das Gelände Verfügungsberechtigte am betreffenden Streckenabschnitt das Zeichen 220 (“Einbahnstraße”) aufgestellt und damit konkludent zu verstehen gegeben, dass die Grundregeln der StVO (insgesamt) zu beachten sind (OLG Jena, Urteil vom 04.12.2015, Az. 2 U 326/15).
Die Berufung des Klägers ist zulässig. In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagten, die als Gesamtschuldner haften (§ 115 Abs. 1 Satz 4 VVG), ein Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 1 und 2 StVG, § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB, § 115 Abs. 1 VVG zu.
1. Der Beklagte zu 1 hat gegen die Vorfahrtsregel „rechts vor links” verstoßen, als er mit seinem Skoda Octavia in den Kreuzungsbereich hineinfuhr und dabei mit dem VW Caddy des Klägers zusammenstieß. Anders als die Beklagten und das Landgericht G… meinen, steht dem nicht entgegen, dass sich der streitgegenständliche Straßenabschnitt auf einer privaten, nicht öffentlichen Straße befindet.
a) Nicht-öffentliche Verkehrsflächen sind Straßen, die entweder für jeden Verkehr gesperrt sind oder schon nach ihrer Beschaffenheit offensichtlich nicht zur Verkehrsbenutzung bestimmt sind (Heß, in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23.Auflage, § 1 StVO Rn. 14). Es handelt sich um Flächen, von denen die Allgemeinheit nach dem Willen des Verfügungsbefugten und auch tatsächlich ausgeschlossen ist (Hünnekens/Schulte, BB 1997, 533, 535). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Der Zugang zu dem Straßenabschnitt, auf dem sich der Zusammenstoß ereignet hat, ist nur mittels eines Chips möglich, mit dessen Hilfe der Poller abgesenkt werden kann.
b) Die straßenverkehrsrechtliche Haftung ist jedoch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich der Unfall nicht im öffentlichen Straßenverkehr abgespielt hat. Denn auch dort kommt § 7 Abs. 1 StVG zur Anwendung (OLG Nürnberg, Urteil vom 07.02.1979 – 4 U 74/8 -, VersR 1980, 686).
c) Die Bestimmungen der StVO und damit auch der Grundsatz „rechts vor links” (§ 8 StVO) finden allerdings keine unmittelbare Anwendung, wenn sich der Unfall nicht in einem als öffentlich anzusehenden Verkehrsraum ereignet hat (OLG Rostock, Urteil vom 11.03.2011 – 5 U 122/10 -, juris Rn. 18; KG, Urteil vom 26.05.1986 – 12 U 5340/85 -, VerkMitt 1986, 86; OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.05.2012 – 1 U 8/12 -, VersR 2012, 1579, 1580; Zieres, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Aufl., S. 1075; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., Einleitung Rn. 6).
d) Entgegen der Ansicht der Berufungsbeklagten stand dem Kläger aber gleichwohl gegenüber dem Beklagten zu 1 ein Vorfahrtsrecht zu. Dies folgt aus einer analogen Anwendung des § 8 StVO.
aa) Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.10.1962 – VI ZR 249/61 -, MDR 1963, 41 f., gilt auf einer nicht öffentlichen Verkehrsfläche der straßenverkehrsrechtliche Grundsatz „rechts vor links” dann nicht, wenn eine den besonderen Erfordernissen des Geländes angepasste geschlossene Regelung vorliegt, so dass für die spezielle Vorfahrtregel weder ein Bedürfnis besteht noch Raum ist (vgl. auch Zieres, a.a.O., S. 1075). Legt man diesen Maßstab des Bundesgerichtshofs zugrunde, kommt vorliegend § 8 StVO zumindest in analoger Anwendung zum Tragen. Denn der für das Privatgelände, auf dem sich der Verkehrsunfall vom 10.02.2014 ereignet hat, Verfügungsbefugte hat für die Verkehrsflächen keine spezifische Benutzungsanordnung getroffen.
bb) Auch wenn bei Vorgängen außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums die StVO unmittelbar grundsätzlich nicht anwendbar ist, hängt es von dem Umständen des Einzelfalls und der Situation vor Ort ab, ob gleichwohl eine analoge Anwendung von StVO-Bestimmungen in Betracht kommt (KG, Urteil vom 26.05.1986 – 12 U 5340/85 -, VerkMitt 1986, 86; Urteil vom 30.10.1986 – 12 U 921/86 -, VerkMitt 1987, 56). Dies gilt insbes. dann, wenn der Grundstückseigentümer bzw. Verfügungsbefugte Verkehrszeichen nach dem Muster der Anlage zur StVO anbringt (OLG Frankfurt/M., Urteil vom 14.05.1981 – 9 U 81/80; OLG Köln, Urteil vom 11. 06.1992 – 12 U 240/91 -, OLGR 1992, 392; Urteil vom 23.06.1993 – 13 U 59/93 -, juris Rn. 4; OLG Hamm, Urteil vom 15.03.1993 – 6 U 251/92, OLGR Hamm 1993, 197, 198; Zieres, in: Geigel, a.a.O.; König, a.a.O., § 1 StVO Rn. 16a; Hünnekens/Schulte, a.a.O., S. 536).
Im vorliegenden Fall hat der für den streitgegenständlichen Straßenabschnitt Verfügungsbefugte durch die Aufstellung des Zeichens 220 „Einbahnstraße“ und des Richtzeichens „Einbahnstraße“ konkludent kundgetan, dass die Grundregeln der StVO, zu denen auch die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ gilt, zu beachten sind.
e) Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus der Vorfahrtsverletzung jedoch nicht, dass der Beklagte zu 1 allein für den Zusammenstoß verantwortlich ist. Bei der nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmenden Abwägung ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger seinerseits – worauf die Beklagten zutreffend hinweisen – die sog. halbe Vorfahrt verletzt hat. So dient das Gebot, an eine schwer einsehbare Kreuzung, die nicht durch Verkehrszeichen geregelt ist, nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranzufahren, auch dem Schutz des Wartepflichtigen (BGH, BeckRS 1977, 30398098; OLG Hamm, Urteil vom 06.05.2002 – 13 U 221/01 -, NZV 2003, 377). Gegen dieses Gebot hat der Kläger verstoßen. Wie sich insbes. aus dem Foto Nr. 2 auf Bl. 4 der Ermittlungsakte ergibt, verhinderte der aus Blickrichtung des Klägers auf der rechten Seite stehende Müllcontainer eine uneingeschränkte Sicht nach rechts. Damit war der Kläger gehalten, besonders vorsichtig in den Kreuzungsbereich hineinzufahren. Diese auch den Beklagten zu 1 schützende Pflicht hat er verletzt, so dass ein Mithaftungsanteil in Höhe von 25 % gerechtfertigt ist.
2. Zur einer entsprechenden Haftungsverteilung (75 zu 25) zu Lasten der Beklagten käme man aber auch dann, wenn man – der Ansicht der Beklagten folgend – auf den vorliegenden Fall lediglich den Sorgfaltsmaßstab des § 1 Abs. 2 StVO anlegen würde. Denn bei der Abwägung muss auch das weitere äußere Erscheinungsbild der Kreuzung berücksichtigt werden. Wie sich den zur Akte gereichten Lichtbildern und den beiden Fotos in der Ermittlungsakte entnehmen lässt, hat die asphaltierte Verkehrsfläche, die der Kläger befuhr, erkennbar den Charakter einer Durchgangsstraße. Davon deutlich optisch abgegrenzt ist die gepflasterte Verkehrsfläche, von der der Beklagte zu 1 kam. Sie hat den Charakter einer Parkplatzzufahrt. Angesichts dieser konkreten Situation war der Beklagte zu 1 verpflichtet, besonders sorgfältig darauf zu achten, dass es nicht zu einem Zusammenstoß mit einem Fahrzeug kommt, das die Durchgangsstraße befährt.
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