Dieser (unvollständigen) OLG-Entscheidung liegt, wenn man die Daten vergleicht, vermutlich ein Beschluss des AG Gießen aus 2013 zu Grunde. Dieses hat den Betroffenen vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen. Ein Beweisverwertungsverbot hat es daraus gefolgert, dass die das Messgerät betreibende Gemeinde nicht, wie laut Erlass des Ministeriums gefordert, die Einrichtung der Anlage mit der Hessischen Polizeischule abgestimmt hat. Es hat u. a. ausgeführt, mit der Regelung sei bezweckt, dass stationäre Messanlagen nur an Unfallschwerpunkten oder anderen schutzwürdigen Bereichen vorkommen. Diese Vorgabe sei von der Stadt bewusst aus fiskalischen Erwägungen umgangen worden. Dem OLG Frankfurt hat das für ein Beweisverwertungsverbot nicht gereicht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.03.2015, Az. 2 Ss-OWi 959/13): Eine bewusste Umgehung der Vorgaben habe das Amtsgericht zwar ordnungsgemäß festgestellt. Wäre die Anlage – im Falle einer ordnungsgemäßen Anhörung – genehmigt worden, wäre dieser Verstoß aber unbeachtlich. Denn ein Beweiserhebungsverbot komme nur in Betracht, wenn die (bewusste!) Umgehung zugleich auch willkürlich erfolgt sei. Und selbst dann sei noch nichts über die Unverwertbarkeit gesagt. Trotz Willkür und eines rein fiskalischen Interesses der Stadt würde schließlich der Verkehrsverstoß nicht weniger ahndungsbedürftig und -würdig. Da sind andere OLGs, auch wenn es um Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften geht, weniger zurückhaltend. Konsequenterweise müsste sich das OLG Frankfurt nun fragen: Gibt es überhaupt Fälle, in denen ein Beweisverwertungsverbot in Betracht kommt?

Den Betroffenen dürfte jedenfalls freuen, dass ihm vermutlich ein Fahrverbot (Überschreitung um 33 km/h innerorts) erspart bleibt. Auch wenn man dem OLG im Hinblick auf die vorsätzliche Tatbegehung folgt, liegen zwischen dem Tattag (13.11.2012) und der OLG-Entscheidung (25.03.2015 – und das AG muss ja auch noch einmal entscheiden) schon deutlich mehr als zwei Jahre. Es sei denn, dass ein solcher Zeitablauf in Hessen ebenfalls irrelevant ist.

I. Das Regierungspräsidium hat mit Bußgeldbescheid vom 3.1.2013 gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h eine Geldbuße von 160 EUR festgesetzt, sowie ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Auf den vom Betroffenen eingelegten Einspruch hin, hat das Amtsgericht Gießen ihn durch den angegriffenen Beschluss gem. § 72 OWiG freigesprochen. Das Amtsgericht Gießen hat seinen Freispruch i.E. damit begründet, dass die durchgeführte Geschwindigkeitsmessung der Stadt G willkürlich ist und deren Ergebnis deswegen nicht verwertet werden darf.

Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Gießen führt auf Sachrüge hin zur Aufhebung des Beschlusses.

II. Eine Geschwindigkeitsmessung führt selbst wenn sie unter bewusster Umgehung von verwaltungsinternen Richtlinien ergangen ist, nicht per se zu einer willkürlichen Messung und damit zur Unverwertbarkeit des Messergebnisses.

Mit dem Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums in Kassel vom 3.1.2013 wurde dem Betr. vorgeworfen, am 13.11.2012 um 7:58 Uhr in G, Ortsteil B, R-Straße in Höhe Hausnummer 2 als Führer des Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen die dort innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h – nach Abzug der Toleranz – um 33 km/h überschritten zu haben.

Die mit dieser Messanlage gewonnenen Ergebnisse sind nach Ansicht des Amtsgerichts deswegen unverwertbar, weil die Stadt G die Einrichtung dieser stationären Messanlage unter bewusstem Verstoß gegen den Erlass des Hessischen Ministeriums des Inneren und für Sport – LPP 23 Mi-66k 12 – v. 6.1.2006 (StAnz. 2006, 286), welcher die Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden regelt, begangen hat. Das Amtsgericht folgert aus diesem bewussten Verstoß gegen die Erlasslage, dass die Aufstellung der Messanlage damit willkürlich und in Folge dessen die Verwertung des durch die Messanlage gewonnenen Beweismittels unverwertbar ist.

Dieser Ansatz greift zu kurz. Er berücksichtigt nicht ausreichend die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Beweiserhebungsverbot und Beweisverwertungsverbot (vgl. BVerfG NJW 2000, 3557 m.w.N.).

Das Amtsgericht hat vorliegend zutreffend dezidiert dargelegt, dass die Stadt G die verwendete Messanlage unter Verstoß gegen die Erlasslage aufgestellt hat, namentlich es bewusst unterlassen hat, die Hessische Polizeischule/Polizeiakademie Hessen zu der geplanten Errichtung an der gegenständlichen Örtlichkeit anzuhören und insbesondere die verkehrstechnische Notwendigkeit einer stationären Messanlage mit der Polizei abzustimmen. Dass das AG aus den im Einzelnen dargelegten wechselseitigen Schreiben und insbesondere der Stellungnahme der Polizeiakademie Sachbereich Verkehrssicherheit vom 25.4.2013, in dem ausdrücklich eine erfolgte Einbindung in die Prüfung zur Notwendigkeit einer derartigen Messanlage verneint wird, den Schluss zieht, dass die Stadt G die bei vergleichbaren anderen Anlagen in ihrem Gemeindegebiet der Erlasslage entsprechend die Polizeiakademie eingebunden hat, hier bewusst unter Umgehung der bekannten Erlasslage gehandelt hat, ist wenn auch nicht zwingend, ein möglicher und, da tatsachenfundiert begründet, vom Rechtsbeschwerdegericht hinzunehmender Schluss.

Das Amtsgericht hat allerdings übersehen, dass hier der bewusste Verstoß gegen verwaltungsinterne Richtlinien schon nicht automatisch den Vorwurf der Willkür nach sich zieht (Beweiserhebungsverbot) und in der Folge erst recht nicht zwingend zur Unverwertbarkeit von Beweismitteln führt (Beweisverwertungsverbot).

So kann von willkürlicher Umgehung von verfahrensinternen Regelungen nur dann ausgegangen werden, wenn ausgeschlossen ist, dass ein regelgerechtes Verhalten die ergriffene Maßnahme nicht ermöglicht hätte. Dabei ist der Sinn und Zweck der missachteten Regelung in die Abwägung mit einzubeziehen. Die Anhörungs- und Abstimmungsnotwendigkeit mit der Polizeischule/Polizeiakademie Hessen, gegen die hier verstoßen wurde, dient der Feststellung einer verkehrstechnischen Notwendigkeit zur Errichtung einer stationären Messanlage. Bei bewusster Umgehung von verwaltungsinternen Richtlinien, ist deshalb in einer zweiten Stufe zu prüfen, ob diese Messanlage hätte aufgestellt werden können, wenn sie den Richtlinien entsprechend vorher geprüft worden wäre (Grundsatz des rechtmäßigen Alternativverhaltens). Erst wenn dieser zweite Prüfungsschritt ergibt, dass die Anlage auch nicht genehmigungsfähig wäre, mit anderen Worten, eine verkehrstechnische Notwendigkeit zur Messung ausgeschlossen ist, kann daraus der Schluss der willkürlichen Aufstellung gezogen werden, wenn festgestellt wird, was dann die Motivlage der Kommune ist und diese Motivlage möglicherweise rein fiskalisch begründet ist, wovon wohl das Amtsgericht ausgeht.

Das erscheint vorliegend aber fraglich, da die Messung bei einer Durchgangsstraße innerhalb der Ortschaft erfolgt ist. Die Einhaltung der innerorts üblichen 50 km/h, die auch jeder Verkehrsteilnehmer kennt und die innerhalb umbauter Örtlichkeit auch als innerorts erkannt werden muss, ist i.d.R. aus Gründen der Verkehrssicherheit geboten. Möglicherweise darüber hinaus gehende fiskalische Interessen der Kommune sind dann nicht handlungsführend.

Sollten neue Feststellungen ergeben, dass vorliegend keine Messung aus Gründen der Verkehrssicherheit geboten ist, sondern aus rein fiskalischen Gründen erfolgt, folgt daraus zwar ein Beweiserhebungsverbot, aber nicht zwingend auch die Unverwertbarkeit des hier erfolgten Messergebnisses (Beweisverwertungsverbot).

Nach der in der Rspr. vertretenen sog. „Abwägungstheorie“ (vgl. BVerfG NJW 2012, 907, 911; BGHSt 19, 325, 331; ders. 34, 39, 53; ders. 38, 214 jew. m.w.N.) sind Gewicht des Verfahrens Verstoßes und seine Bedeutung für die rechtlich geschützte Sphäre des Betroffenen bei der Abwägung ebenso zu beachten wie die Schwere des durch das Beweismittel nachgewiesenen Verstoßes gegen die Rechtsordnung.

Das Amtsgericht wird insoweit mit in die notwendige Abwägung einzustellen haben, dass der Betroffene, wenn sich der Vorwurf bestätigt, in einer umbauten Ortschaft, die als solche zu erkennen ist, statt der erlaubten 50 Km/h tatsächlich 83 Km/h gefahren ist. Das geht bei natürlicher Betrachtung nur vorsätzlich, da sowohl die Geschwindigkeitsbeschränkung zur Kenntnis genommen als auch die nicht unerhebliche Überschreitung bewusst und gewollt vorgenommen wurde. Damit ist für die übrigen Verkehrsteilnehmer, namentlich Fußgänger aber auch der innerorts naturgemäß langsame Autoverkehr durch Ein- und Ausfahrten etc. eine nicht unerhebliche Gefährdung in Kauf genommen worden und zwar alleine um des eigenen schnelleren Fortkommens willen. Demgegenüber steht ein, – wenn Willkür gegeben ist rein fiskalisches Interesse der Kommune. Dass macht den Verstoß des Betroffenen deswegen nicht weniger ahndungsbedürftig und ahndungswürdig.