Die Sachbearbeiterin der Verwaltungsbehörde hat den Erlass eines Bußgeldbescheids gegen den Betroffenen wegen eines Verkehrsverstoßes verfügt. In der Verfügung war – anders als im elektronisch erstellten Bußgeldbescheid – kein Fahrverbot angeordnet. Das AG Grimma meinte, die anschließende Zustellung des Bußgeldbescheids sei wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen in der Verfügung und dem Bescheid unwirksam und stellte das Verfahren durch Urteil ein. Dieses Urteil wurde vom OLG Dresden aufgehoben: Sowohl der Bußgeldbescheid als auch dessen Zustellung seien wirksam erfolgt. Die Abweichung des Bußgeldbescheids von der Verfügung sei unschädlich (OLG Dresden, Beschluss vom 26.03.2015, Az. OLG 21 Ss 122/15 (B)).

Aktenzeichen: OLG 21 Ss 122/15 (B)
Amtsgericht Grimma 9 OWi 166 Js 13602/14
GenStA Dresden 21 SsBs 122/15

BESCHLUSS

In der Bußgeldsache gegen

Verteidiger:

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Dresden am 26.03.2015

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Leipzig – Zweigstelle Grimma – wird das Urteil des Amtsgerichts Grimma vom 22. Oktober 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Grimma zurückverwiesen.

G r ü n d e :

I.

Mit Urteil vom 22. Oktober 2014 hat das Amtsgericht Grimma das Verfahren aufgrund eines Verfahrenshindernisses wegen Verfolgungsverjährung eingestellt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft Leipzig – Zweigstelle Grimma – mit der von ihr eingelegten Rechtsbeschwerde. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und meint, Verfolgungsverjährung sei nicht eingetreten, weil diese durch Erlass des Bußgeldbescheides, welcher dem Betroffenen binnen zwei Wochen zugestellt worden sei, wirksam unterbrochen worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Grimma vom 22. Oktober 2014 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Grimma zurückzuverweisen.

Mit Beschluss vom 25. März 2015 hat die Einzelrichterin die Sache gemäß § 80 a OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat in der Sache Erfolg.

1.
Die Einstellung des Verfahrens gemäß § 46 OWiG i.V.m. § 206 a StPO war rechtsfehlerhaft. Ein Verfahrenshindernis lag nicht vor, da Verfolgungsverjährung nicht eingetreten ist.

Bei Verkehrsordnungswidrigkeiten beträgt die Frist für die Verfolgungsverjährung drei Monate, solange weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate (§ 24 StVG).

Nachdem dem Betroffenen vorgeworfen wird, am 27. September 2013 die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften überschritten zu haben, wäre drei Monate später Verfolgungsverjährung eingetreten, sofern kein Unterbrechungstatbestand vorlag.

Hier ist die Verfolgungsverjährung jedoch zunächst durch die am 07. November 2013 erfolgte Anordnung der Anhörung des Betroffenen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG rechtzeitig unterbrochen worden, so dass die Frist der Verfolgungsverjährung von dem Zeitpunkt an neu bis zum 06. Februar 2014 lief.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts wurde die Frist jedoch erneut rechtzeitig nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG durch den Erlass des Bußgeldbescheides vom 06. Dezember 2013, welcher dem Betroffenen ausweislich der Postzustellungsurkunde am 11. Dezember 2013, mithin binnen zwei Wochen nach seinem Erlass zugestellt worden ist, unterbrochen.

Sowohl der Bußgeldbescheid vom 06. Dezember 2013 als auch dessen Zustellung an den Betroffenen am 11. Dezember 2013 waren wirksam.

a)
Der Bußgeldbescheid kann – wie vorliegend geschehen – durch die EDV hergestellt werden, wenn dies auf einem für den Betroffenen erkennbaren und nachprüfbaren Willensakt der Behörde beruht, das heißt, wenn der zuständige Sachbearbeiter den Bußgeldbescheid aktenkundig verfügt hat; in diesem Fall übernimmt die EDV die technische Herstellung des Bescheides, dessen Erlass von der Behörde in ihren Willen aufgenommen ist (vgl. nur OLG Stuttgart, NZV 1998, 81; OLG Rostock, Beschluss vom 04. Dezember 1996, Az.: 2 Ss [OWi] 215/96, zitiert nach juris; Göhler, OWiG, 16. Aufl., vor § 65 Rdnr. 4 m.w.N.). Fehlt eine aktenkundige Verfügung des Sachbearbeiters, die ausweist, dass der Bußgeldbescheid das Ergebnis einer individuellen Prüfung der Verwaltungsbehörde ist, so ist er unwirksam (vgl. nur Göhler, a.a.O.). Eine „aktenkundige Dokumentation“ liegt bereits dann vor, wenn sich aus dem Gesamtinhalt der Akten ergibt, dass der Sachbearbeiter die Übersendung des Bußgeldbescheides an den Betroffenen oder seinen Verteidiger verfügt hat; es reicht sogar aus, wenn eine von vornherein aus den Akten ersichtliche Verfügung des Sachbearbeiters nicht gegeben ist, jedoch nachträglich im Wege des Freibeweises festgestellt werden kann, dass der Bußgeldbescheid von dem zuständigen Sachbearbeiter durch Benutzung der EDV-Anlage erlassen worden ist (vgl. nur OLG Rostock, a.a.O.; Göhler, a.a.O., m.w.N.). Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 OWiG werden mit Hilfe der EDV und sonstigen automatischen Einrichtungen erstellte Schriftstücke, insbesondere auch Bußgeldbescheide, in der Form zugestellt, in der sie von der EDV-Anlage hergestellt und ausgedruckt werden (vgl. zu den Einzelheiten, Göhler, a.a.O., § 51 Rdnr. 5 a).

b)
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist der Bußgeldbescheid vom 06. Dezember 2013, der mit Hilfe der EDV hergestellt ist, aufgrund des Umstandes, dass er inhaltlich nicht mit der Verfügung der Sachbearbeiterin vom selben Tag übereinstimmt, weil in der Verfügung anders als im Bußgeldbescheid die Anordnung eines Fahrverbotes nicht enthalten ist, weder unwirksam (vgl. dazu auch OLG Stuttgart, NZV 1998, 81; Göhler, a.a.O., § 66 Rdnr. 54 m.w.N.) noch fehlt es aber auch an einer wirksamen Zustellung des Bescheides. Denn nur schwere Mängel, insbesondere die Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften, machen die Zustellung unwirksam und damit unbeachtlich (vgl. nur Göhler, a.a.O., § 51 Rdnr. 50). Ein derartiger Mangel ist hier jedoch nicht gegeben. Zwar mag ein schwerer Mangel anzunehmen sein, wenn die Ausfertigung des Bußgeldbescheides in wesentlichen Punkten nicht mit der Urschrift des Bescheides übereinstimmt (vgl. nur BGH, NJW 1978, 60 – zur Zustellung einer Urteilsausfertigung; Göhler, a.a.O., § 51 Rdnr. 6 und 50, m.w.N.). Bei der vorliegenden Verfügung der Sachbearbeiterin handelt es sich jedoch gerade nicht um die Urschrift des Bußgeldbescheides, was sich schon daran zeigt, dass weder die Tatzeit, der Tatort oder der Tatvorwurf in der Verfügung näher bezeichnet werden. Dementsprechend unterbricht im Allgemeinen eine Verfügung der Verwaltungsbehörde, die den Ausdruck eines Bußgeldbescheides im EDV-Verfahren anordnet, die Verjährung auch nur dann, wenn sie inhaltlich den Anforderungen eines Bußgeldbescheides nach § 66 Abs. 1 OWiG genügt (vgl. nur OLG Zweibrücken, NStZ 1987, 30; Karlsruher Kommentar, OWiG, 4. Aufl., § 33 Rz. 79; Göhler, a.a.O., vor § 65 Rdnr. 4, m.w.N.). Anderenfalls werden an eine solche Verfügung gerade nicht die inhaltlichen Anforderungen – wie an einen Bußgeldbescheid – gestellt, sondern mit der Verfügung des Sachbearbeiters muss nur der Wille zum Ausdruck kommen, dass der Erlass des Bußgeldbescheides, der im Übrigen durch die EDV technisch hergestellt wird, von der Behörde gewollt ist. Nachdem dies hier bei der Verfügung vom 06. Dezember 2013 der Fall ist, und es sich bei dieser nicht um die Urschrift des Bußgeldbescheides, sondern lediglich um eine behördeninterne Anweisung handelt, ist es für die Wirksamkeit der Zustellung jedoch unerheblich, dass sich die Verfügung der Sachbearbeiterin und der Inhalt des Bußgeldbescheides bezogen auf die Rechtsfolgen inhaltlich nicht vollständig decken. Vielmehr wurde der Bußgeldbescheid in der Form zugestellt, in der er von der EDV-Anlage hergestellt und ausgedruckt worden ist (§ 51 Abs. 1 Satz 2 OWiG).

Nach alledem ist die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung geboten. Die Sache ist an das Amtsgericht Grimma zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch gemacht und die Sache in Abweichung von § 354 Abs. 2 StPO nicht an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Grimma zurückverwiesen hat.

2.
Eine Vorlagepflicht gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 121 Abs. 2 GVG besteht nicht. Die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 16. Oktober 1997 (NZV 1998, 81) ist vor der Neufassung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG mit Gesetz vom 26. Januar 1998 (BGBl. 1998 Teil I Nr. 6, S. 156) getroffen worden.