Julen Parra, Wikimedia Commons

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Hier wurde nach einem qualifizierten Rotlichtverstoß vom Fahrverbot unter Verdopplung des Bußgelds mit der Begründung abgesehen, dass ein Augenblicksversagen vorgelegen habe, offenbar habe der Betroffene eine Fußgängerampel mit der für den fließenden Verkehr maßgeblichen Ampel verwechselt. Dem OLG hat das für ein Absehen vom Fahrverbot nicht gereicht; es hat die Einschätzung als “unhaltbar” verworfen. Die Beachtung der – richtigen – Ampel sei eine einfach zu erfüllende Mindestanforderung an jeden Verkehrsteilnehmer, sodass eine Verwechslung nur als grobe Fahrlässigkeit angesehen werden könne. Daher sei ein Absehen vom Fahrverbot nicht möglich (OLG Bamberg, Beschluss vom 10.08.2015, Az. 3 Ss OWi 900/15).

1. Gegen den Betroffenen war gemäß §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 26a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV i.V.m. lfd. Nr. 132.3 BKat neben einer Geldbuße von 200 € die Anordnung eines Fahrverbots für die Dauer eines Monats wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel zu anzuordnen. Dies hat das Amtsgericht auch nicht verkannt, jedoch von der Anordnung eines Fahrverbots bei gleichzeitiger Erhöhung des als Regelsatz vorgesehenen Bußgeldes auf 400 € mit der Begründung abgesehen, zu Gunsten des Betroffenen sei von einem „Augenblicksversagen“ auszugehen, wie es auch dem sorgfältigsten Kraftfahrer unterlaufen könne. In diesem Zusammenhang finden sich keine näheren Ausführungen dazu, worin der Tatrichter dieses „Augenblicksversagen“ erkennen möchte.

2. Diese Erwägung ist schon deswegen nicht haltbar, weil das Amtsgericht verabsäumt, die Umstände, aus denen es auf ein „Augenblicksversagen“ schließt, überhaupt zu benennen. Aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils kann allenfalls gemutmaßt werden, dass der Tatrichter die von ihm angenommene Verwechselung des Rotlichts mit dem Grünlicht der in gleicher Richtung führenden Fußgängerampel insoweit als maßgeblich ansieht. Sollte dies vom Amtsgericht so gemeint sein, wäre diese Einschätzung freilich gänzlich unhaltbar. Denn ein sog. Augenblicksversagen, welches ein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen würde, scheidet in Fällen grober Pflichtverletzung von vornherein aus (vgl. BGHSt 43, 241). Im Falle einer Verwechslung einer Fußgängerampel mit der für den fließenden Verkehr maßgeblichen Lichtzeichenanlage kann aber schlechterdings nur von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden. Denn es handelt sich bei der Verpflichtung zur Unterscheidung einer Fußgängerampel und der für den Kraftfahrer maßgeblichen Ampel um eine grundlegende, auch völlig einfach zu erfüllende Mindestanforderung, die ein Verkehrsteilnehmer in jeder Lage ohne weiteres bewältigen muss. Eine derartige Verwechslung lässt – wenn und soweit keine weiteren besonderen Umstände hinzutreten – nur den Schluss auf eine außerordentlich gravierende Pflichtverletzung des Betroffenen zu, bei der ein Absehen vom Regelfahrverbot nicht gerechtfertigt ist.

III. Nach alledem ist auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mitsamt der Kostenentscheidung aufzuheben. Wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung den gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 353 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Ergänzend bemerkt der Senat:

Entgegen der Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft sind die Feststellungen des Amtsgerichts zum Vorliegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes ausreichend. Es ist im angefochtenen Urteil hinreichend beschrieben, dass der Rotlichtverstoß zu einem Zeitpunkt begangen wurde, als das Rotlicht bereits länger als eine Sekunde angedauert hatte. Dies genügt für einen qualifizierten Verstoß. Die Frage, ob die Beweiswürdigung der rechtlichen Nachprüfung standhält, stellt sich wegen der wirksamen Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch nicht, weil das Rechtsbeschwerdegericht in einem solchen Fall die Beweiswürdigung einer Überprüfung auf Rechtsfehler nicht zu unterziehen hat.