Nachdem der Bußgeldsenat des OLG Frankfurt kürzlich schon an anderer Stelle in der Kritik stand, hat mich auch dieser Beschluss (vom 14.01.2015, Az. 2 Ss-OWi 14/15) etwas erstaunt. Folgendes war passiert: Der Betroffene hatte sich zur Hauptverhandlung, es ging um einen Geschwindigkeitsverstoß, für den durch Bußgeldbescheid eine Geldbuße in Höhe von 140 EUR festgesetzt worden war, verspätet. Sein Verteidiger, der eine Vertretungsvollmacht zu den Akten reichte, beantragte gemäß § 73 Abs. 2 OWiG die Entbindung des Betroffenen. Dies lehnte das Gericht ab, da ein solcher Antrag vor der Hauptverhandlung zu stellen sei (dabei stützte es sich auf einen Beschluss OLG Köln NZV 1999, 436) und verwarf den Einspruch. Der Verteidiger beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Begründung, die Vorgehensweise des Amtsgerichts verletze das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör. Das zuständige OLG Frankfurt hob allerdings nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, das Urteil auf, sondern verwarf den Zulassungsantrag mit der Begründung, es sei bereits obergerichtlich geklärt, dass ein Entbindungsantrag auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung gestellt werden könne. Selbst wenn das Amtsgericht den Betroffenen zu Unrecht nicht vom Erscheinen entbunden hätte – wovon das OLG in der weiteren Begründung offenbar ausgeht – liege nur ein Fehler im Einzelfall vor, den das Amtsgericht in Zukunft wohl auch nicht mehr wiederholen würde. Die Versagung rechtlichen Gehörs, die einen (eigenen) Zulassungsgrund darstellt, vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG, wird in den Gründen nicht einmal erwähnt, obwohl andere Gerichte in dieser Situation durchaus eine Gehörsverletzung angenommen haben, u. a. das KG (3 Ws (B) 406/14), das OLG Celle (NZV 2010, 420) und das OLG Hamm (2 Ss OWi 348/06). Auch das BVerfG hat an anderer Stelle bereits ausgeführt (BVerfGK 5, 337): “Dass eine Verletzung rechtlichen Gehörs schon deshalb unbeachtlich wäre, weil sie lediglich einen Einzelfall betrifft, entbehrt jedenfalls jeder Grundlage.

2 Ss-OWi 14/15
(71 OWi – 34 Js 9984/14 AG Bad Hersfeld)

In der Bußgeldsache

g e g e n

Verteidiger: Rechtsanwalt Dirk Rahe, Hermsdorf

w e g e n  Verkehrsordnungswidrigkeit

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Senat für Bußgeldsachen – durch den Einzelrichter am 14. Januar 2015  b e s c h l o s s e n :

1. Der Zulassungsantrag des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 22. Oktober 2014 wird verworfen, weil eine Nachprüfung der Entscheidung weder zur Fortbildung des Rechts noch wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (§ 80 Abs. 1, 2 OWiG).
2. Damit gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWiG).
3. Die Kosten des Verfahrens hat der Betroffene zu tragen (§§ 473 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG).

G r ü n d e :

Bei einem reinen Prozessurteil wie dem nach § 74 Abs. 2 OWiG kommt eine Zulassung nur aufgrund einer ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge in Betracht.

Der Beschwerdeführer rügt vorliegend, dass der durch seinen Verteidiger am 22.10.2014 nach Aufruf der Sache gestellte Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen zu Unrecht abschlägig beschieden worden sei.

Zur Fortbildung des Rechts ist die Zulassung der vorliegenden Rechtsbeschwerde nicht geboten. Denn unter welchen Voraussetzungen einem Entbindungsantrag stattzugeben ist, ist bereits hinreichend geklärt (vgl. etwa OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 23.10.2012 – 2 Ss-OWi 841/12 – und vom 29.05.2009 – 2 Ss-OWi 261/09 -). Weiterhin ist obergerichtlich ebenfalls geklärt, dass ein Entbindungsantrag auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung nach Aufruf der Sache gestellt werden kann, sofern noch nicht zur Sache selbst verhandelt worden ist (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.01.2014 – 2 Ss-OWi 1173/14 -; Beschluss vom 07.01.2010 – 2 Ss-OWi 643/09).

Die Überprüfung einer Einzelfallentscheidung – wie sie hier angestrebt wird – soll durch das Zulassungsverfahren gerade nicht ermöglicht werden. Das heißt, selbst wenn das Amtsgericht die Entbindung fehlerhaft beschieden hätte, kann der Beschwerdeführer damit nicht gehört werden, solang sichergestellt ist, dass die Einheitlichkeit der Rechtsordnung nicht gefährdet ist. Fehler im Einzelfall sind vom Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen worden. Es muss hinzukommen, dass eine grundsätzliche Frage betroffen ist, dass sie schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsanwendung auslösen würde oder dass ohne die höchstrichterliche Entscheidung mit weiteren Fehlentscheidungen in gleichgelagerten Fällen gerechnet werden kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht die fehlerhafte Auslegung des § 73 Abs. 2 OWiG in künftigen Verfahren wiederholen wird.

Richter am Oberlandesgericht

Vie­len Dank an Herrn Rechts­an­walt Dirk Rahe, Sozie­tät Dr. Zwan­zi­ger & Col­le­gen, Gera / Herms­dorf, für die Zusen­dung die­ser Entscheidung.