Quelle: ACBahn, Wikimedia Commons

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Der Betroffene und sein Verteidiger hatten den Verhandlungssaal verlassen, um sich zu besprechen, nachdem der Vorsitzende auf Wunsch des Verteidigers die Verhandlung unterbrochen hatte. Drei Minuten später hat der Vorsitzende die Verhandlung fortgesetzt und den Betroffenen und seinen Verteidiger aufrufen lassen. Als diese nach weiteren vier Minuten nicht erschienen waren, verwarf das AG Tiergarten den Einspruch. Im Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung rechtlichen Gehörs und gibt an, dass er den Vorsitzenden wegen eines vorangegangenen gerichtlichen Schreibens (Hinweis auf die Möglichkeit einer deutlich erhöhten Geldbuße) abgelehnt hätte, wäre der Einspruch nicht verworfen worden. Das Rechtsmittel hatte Erfolg (KG, Beschluss vom 05.11.2014, Az. 3 Ws (B) 575/14):

2. Der überwiegend durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesene und auch dem Prozessurteil entsprechende Sachvortrag der Rechtsbeschwerde belegt weder, dass der Betroffene einem Fortsetzungstermin ferngeblieben ist, noch lässt er erkennen, dass der Betroffene sich aus der Hauptverhandlung vorzeitig entfernt hat. Protokoll, Urteil und Rechtsbeschwerde lassen nämlich nicht erkennen, dass die Unterbrechung durch den Vorsitzenden befristet worden wäre. Mag einem Betroffenen und seinem Verteidiger bei dieser Sachlage beim Überschreiten einer längeren Zeit auch ein prozessordnungswidriges Agieren vorzuhalten sein, so lässt das hier festgestellte Verhalten jedenfalls nicht darauf schließen, dass der Betroffene sich vorzeitig aus dem Saal entfernt hat. Erst recht bei der hier – zumal nur stillschweigend – auf drei bis höchstens sieben Minuten begrenzten Unterbrechung war der vom Amtsgericht gezogene Schluss, der Betroffene habe sich aus der Hauptverhandlung entfernt, verfrüht. Er lag tatsächlich und rechtlich fern, zumal der Betroffene seine Sachen im Saal zurückgelassen hatte.

3. Allein dieser Rechtsfehler führt nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Denn bei der hier in Rede stehenden Geldbuße von 35,- Euro kann die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG wegen der fehlerhaften Anwendung von Verfahrensrecht, zu dem § 74 Abs. 2 OWiG gehört, nicht zugelassen werden. Die Verwerfung verletzt aber den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).

Der Einwand, das Urteil beruhe auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, muss mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Den sich daher aus §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Anforderungen entspricht die Antragsschrift. Der Rechtsmittelführer hat dargelegt, was er im Fall seiner Anhörung geltend gemacht hätte. (…)

b) Die Rechtsmittelschrift legt aber substantiiert dar, dass der Betroffene, wäre er gehört worden, den Vorsitzenden aus Anlass des gerichtlichen Schreibens vom 4. September 2014 abgelehnt hätte. Zwar findet sich in der veröffentlichten Rechtsprechung und in der Literatur immer wieder die Formulierung, die Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erfordere die Darstellung, welcher Sachvortrag des Betroffenen übergangen worden ist, und die Richterablehnung ist kein Vortrag zur Sache, sondern betrifft die Ausübung eines prozessualen Rechts. Im Ergebnis kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG auch das Anrecht schützt, mit Anträgen zum Verfahren gehört zu werden, die unmittelbaren Einfluss auf die Urteilsfindung haben können. Das ist hier der Fall.

4. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben, und die Sache war zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.