Auch Verwaltungsgerichte müssen sich mit standardisierten Messverfahren beschäftigen, etwa dann, wenn nach einem Verkehrsverstoß der Fahrzeugführer nicht festgestellt werden kann und die zuständige Behörde das Führen eines Fahrtenbuchs (§ 31a StVZO) anordnen möchte. Im Verfahren vor dem VG Düsseldorf monierte der klagende Fahrzeughalter die mangelnde Überprüfbarkeit des Messgeräts Poliscan Speed. Das VG hat sich jedoch der herrschenden Ansicht der Oberlandesgerichte (siehe z. B. OLG Schleswig-Holstein: Poliscan Speed und ES 3.0 sind standardisierte Messverfahren) angeschlossen, wonach es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt und die genaue Funktionsweise des Geräts auch nicht privaten Sachverständigen bekannt sein muss (Urteil vom 22.09.2014, Az. 6 K 8838/13):
(Der Einschätzung des OLG Düsseldorf: Beschluss vom 14. Juli 2014, Az. IV-1 RBs 50/14) schließt sich der Einzelrichter an. Ergänzend und vertiefend sei angemerkt, dass eine eingeschränkte Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit des Messverfahrens und der mit dem Gerät PoliScan F1 HP gewonnenen Messergebnisse keinen greifbaren Zweifel an deren Rechtsstaatlichkeit aufwerfen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Gesetzgeber Geschwindigkeitsüberschreitungen der in Rede stehenden Art in § 24 Abs. 1 StVG und § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO nicht als kriminelles Unrecht, sondern nur als Ordnungswidrigkeit bewertet hat, das deshalb im Bußgeldverfahren zu ahnden ist. Dieses ist aber schon im Hinblick auf seine vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet. Dem würde zuwiderlaufen, wäre der Tatrichter gehalten, die Messpräzision in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Einflussfaktoren zu prüfen. Dies würde die Beweisaufnahme unnötig belasten, zumal es dazu regelmäßig der Hinzuziehung eines Gutachters oder sogar mehrerer Sachverständiger bedürfte; es wäre bei den Massenverfahren wegen Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit unverhältnismäßig und ist auch kein Gebot der Einzelfallgerechtigkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es – wie in der Rechtsprechung anerkannt ist – selbst auf dem Gebiet der exakten Naturwissenschaften ein absolut sicheres Wissen nicht gibt; ebenso wenig ist bei Messungen im Bereich von Naturwissenschaften eine absolute Genauigkeit erreichbar.
Entscheidend ist, dass das Messsystem in aller Regel korrekte Geschwindigkeitswerte ermittelt. Unerheblich ist, aufgrund welcher Rechenvorgänge dies stattfindet. Diese werden bei anderen Messverfahren ebenfalls nicht in allen Einzelheiten offengelegt. Im Übrigen ist es dem Betroffenen unbenommen, sich die für eine Entscheidung über die Rüge konkreter Fehlerquellen erforderliche Tatsachengrundlage etwa durch Einsicht in die Gebrauchsanweisung – ggf. im Wege der Akteneinsicht – zu verschaffen.
Hierin liegt auch keine Verletzung des Justizgewährungsanspruchs aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, wie sie der Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 17. September 2014 unter Hinweis auf eine von ihm zu einem Parallelfall erhobene Verfassungsbeschwerde vom 12. September 2014 – diese betrifft einen Verkehrsverstoß des Klägers auf der G. Brücke vom 4. Juli 2013 – (Bl. 152 ff. E. . Gerichtsakte) gerügt hatte. Namentlich der Vorwurf, die Grundsätze des standardisierten Messverfahrens verletzten den von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG mit umfassten Anspruch des Bürgers auf wirksame und möglichst lückenlose gerichtliche Kontrolle, trifft nach vorstehenden Ausführungen nicht zu. Im Übrigen braucht die richterliche Überzeugung nicht auf absoluter, das Gegenteil denknotwendig ausschließender und darum von niemandem anzweifelbarer Gewissheit zu beruhen. Genügend, aber auch erforderlich ist ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass eine andere Auffassung bei vernünftiger Überlegung nicht denkbar ist und dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt. Dabei haben solche Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und sich lediglich auf die Annahme einer bloß gedanklichen, abstrakt theoretischen Möglichkeit gründen.
Dass der Gerätehersteller Vitronic und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) die für eine Nachprüfung notwendigen Daten im Hinblick auf Urheber- und Patentschutzrechte nicht veröffentlichen, steht damit der Verwertbarkeit des Messergebnisses grundsätzlich – so auch hier – nicht entgegen. (…) Die dem externen Gutachter nur eingeschränkt mögliche Plausibilitätskontrolle begründet ebenfalls keine Unverwertbarkeit der Messung. Der Offenlegung aller Einzeldaten der Messdatei, mit denen sich der geräteinterne Rechenvorgang des Messgeräts bis auf den letzten detaillierten Rechenvorgang überprüfen lässt, obwohl die geräteinternen Rechenoperationen von einer offiziellen Stelle bereits geprüft und zugelassen wurden, bedarf es mit Blick auf vorstehende Ausführungen vorliegend nicht.
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