Die Betroffene wandte sich u. a. gegen die Verhängung eines Fahrverbots durch das AG und machte geltend, las freigestellte Betriebsrätin dringend auf die Benutzung von Kraftfahrzeugen angewiesen zu sein. Nach Auffassung des OLG Zweibrücken ist jedoch eine Funktion im Betriebsrat von der beruflichen Beschäftigung zu unterscheiden. Es komme allein darauf an, ob der eigentliche Arbeitsplatz durch das Fahrverbot gefährdet sei.

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.01.2019 – 1 OWi 2 Ss Bs 64/18

1. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Speyer vom 25. Mai 2018 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe

Das Amtsgericht hat die Betroffene auf deren rechtzeitig erhobenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 28. Dezember 2017 (Az.: 500.04155516.8) mit Urteil vom 25. Mai 2018 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h mit einer Geldbuße von 160,00 EUR belegt und gegen sie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Betroffenen deckt keinen Rechtsfehler auf, auf den die Entscheidung zu ihrem Nachteil beruhen kann. Der Senat kann die Rechtsbeschwerde im Beschlusswege verwerfen, auch wenn die Generalstaatsanwaltschaft einen Aufhebungsantrag gestellt hat. Denn im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem OWiG kann das Beschwerdegericht – insoweit abweichend vom strafrechtlichen Revisionsverfahren – gemäß § 79 Abs. 5 S. 1 und 2 OWiG die Rechtsbeschwerde des Betroffenen auch dann ohne mündliche Verhandlung durch mit Gründen versehenen Beschluss verwerfen, wenn ein Antrag der Staatsanwaltschaft i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO nicht vorliegt.

I.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts überschritt die Betroffene, die als freigestellte Betriebsrätin bei der R. GmbH tätig ist, am 8. Oktober 2017 als Fahrerin eines PKWs auf der BAB 61 im Bereich des Kilometers 378,1 in Fahrtrichtung Koblenz/Norden die dort mittels Verkehrszeichen angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h – nach Abzug einer Toleranz – um 43 km/h.

II.

Soweit die Betroffene die fehlerhafte Behandlung eines Beweisantrages beklagt, dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch. Denn der Senat kann sicher ausschließen, dass das Urteil auf dem behaupteten Mangel beruht.

1.

Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Der Verteidiger der Betroffenen hat am 11. Mai 2018 in der Hauptverhandlung beantragt, ein dem Antrag beigefügtes Schreiben der Arbeitgeberin der Betroffenen zu der Behauptung zu verlesen, sie verliere im Falle der Anordnung eines Fahrverbots deswegen ihren Arbeitsplatz. Ferner hat er zu demselben Beweisthema die Vernehmung des Leiters der Personalabteilung …, des Zeugen P., beantragt. In das Wissen des Zeugen wurde u.a. gestellt, dass die Betroffene als freigestellte Betriebsrätin dringend auf die Vorhaltung eines Fahrzeugs angewiesen sei, da sie täglich Filialen in Rheinland-Pfalz aufsuchen und Personal betreuen müsse. Diese seien mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht oder nur sehr schwer zu erreichen. Ferner müsse die Betroffene regelmäßig einmal wöchentlich die Verwaltungszentrale in W. aufsuchen. Zudem habe sie ihre gewerkschaftliche Funktion in verschiedenen Gremien wahrzunehmen, die sie sowohl im Landesverband als auch bundesweit wahrzunehmen habe. Der Betroffenen sei es weder möglich, vier Wochen am Stück Urlaub zu nehmen, noch könne die von ihr ausgeführte Tätigkeit für die Dauer des Fahrverbots von einer anderen Kollegin übernommen oder ihr von der Arbeitgeberin eine andere zumutbare Tätigkeit zugeteilt werden. Der Zeuge werde daher auch bestätigen, dass die Betroffene, da sie ihre Arbeitnehmerverpflichtung dann für die Dauer des Fahrverbots nicht nachkommen könne, ihren Arbeitsplatz durch Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung verlieren werde.

Die Bußgeldrichterin hat, nachdem im Hauptverhandlungstermin vom 11. Mai 2018 das vorgelegte Schreiben der Arbeitgeberin der Betroffenen verlesen worden ist, verfügt, dass der Zeuge P. zum Fortsetzungstermin am 18. Mai 2018 geladen werden solle. Zu diesem Termin erschien der Zeuge nicht. Das Protokoll über den weiteren Fortsetzungstermin am 25. Mai 2018, zu dem der Zeugen ebenfalls nicht erschienen war, enthält folgenden Eintrag:

„Das Gericht weist darauf hin, dass nach derzeitiger Ansicht erhebliche Bedenken bezüglich der Arbeitgeberbescheinigung bestehen. Angesichts der Dauererkrankung des Zeugen P. wäre eine zeugenschaftliche Vernehmung eines anderen Mitarbeiters der Personalabteilung angezeigt.“

Eine Entscheidung über den Antrag auf Einvernahme des Zeugen P. hat das Amtsgericht bis zum Urteilserlass nicht verkündet. In den schriftlichen Urteilsgründen hat das Amtsgericht ausgeführt, dass sich der Verdacht aufgedrängt habe, dass es sich bei dem verlesenen Schreiben der Arbeitgeberin um eine Gefälligkeitsbescheinigung handle, da diese erst nach einem Hinweis des Gerichts auf den Kündigungsschutz des § 15 KSchG in der Hauptverhandlung vom 11. Mai 2018 vorgetragen worden sei. Hierauf und auf die Notwendigkeit einer zeugenschaftlichen Vernehmung eines Personalmitarbeiters des Arbeitgebers der Betroffenen sei hingewiesen worden. Obwohl der von der Betroffenen genannte Zeuge P. wegen einer dauerhaften ansteckenden Erkrankung verhindert gewesen sei, seien trotz ausdrücklicher Befragung keine (weiteren) Beweis- oder Beweisermittlungsanträge gestellt worden.

2. Die Verfahrensrüge, mit der die Betroffene die unterlassene Entscheidung über den Antrag auf Vernehmung des Zeugen P. beanstandet, dringt nicht durch.

a) Es bestehen bereits durchgreifende Bedenken an der Zulässigkeit der Rüge. Denn die Betroffene hat in der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift entgegen § 344 Abs. 2 S. 2 StPO (vgl. Dahs, Die Revision im Strafprozess, 9. Aufl., Rn. 491) nicht alle Verfahrenstatsachen vorgetragen, die erforderlich sind, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung zu ermöglichen, ob das Urteil auf dem behaupteten Fehler beruhen kann. Ob ein Urteil auf einer unterbliebenen Vernehmung eines Zeugen beruhen kann, hat das Rechtsbeschwerdegericht unter Berücksichtigung aller Umstände zu prüfen. Hierzu gehören insbesondere die Urteilsgründe und das dort niedergelegte Beweisergebnis sowie die Verfahrensvorgänge, aus denen sich Anhaltspunkte ergeben können, welche Bedeutung die Zeugenaussage für die Entscheidung des Gerichts hätte erlangen können (vgl. zur Revision: BGH, Urteil vom 31.01.1996 – 2 StR 596/95, NStZ 1996, 400). Nach diesen Maßstäben ist der Rechtsbeschwerdevortrag in entscheidungserheblicher Weise unvollständig. Denn die Betroffene verschweigt, dass die Bußgeldrichterin am 17. Mai 2018 ein Faxschreiben an den Verteidiger der Betroffenen gerichtet hat, wonach der Zeuge P. dauerhaft erkrankt sei und auf absehbare Zeit einen Gerichtstermin nicht wahrnehmen könne. Ferner hat die Bußgeldrichterin dem Verteidiger mitgeteilt, dass nach Auskunft des Syndikusanwalts der Arbeitgeberin ein Kollege des Zeugen im Hinblick auf das genannten Beweisthema in Betracht käme, dieser aber am vorgesehenen Fortsetzungstermin vom 18. Mai 2018 verhindert sei, weshalb die Aufhebung dieses Termins erfolgt sei. Ferner enthält die Verfahrensakte einen Telefonvermerk der Bußgeldrichterin vom 17. Mai 2018, nach dem in Absprache mit dem Verteidiger der Termin vom 18. Mai 2018 (doch) bestehen bleibe; auch dieser Vermerk bleibt in der Rechtsbeschwerdebegründung unerwähnt. Diesen Umständen kommt indes maßgebliches Gewicht im Rahmen der Prüfung bei, ob das Verteidigungsverhalten durch das Unterlassen einer förmlichen Zurückweisung des Beweisantrages beeinträchtigt worden sein kann. Es wäre daher mitzuteilen gewesen.

b) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.

Zwar bedarf auch im Bußgeldverfahren die Zurückweisung eines Beweisantrages gem. § 244 Abs. 6 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG eines jedenfalls knapp zu begründenden Beschlusses (vgl. Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl. § 77 Rn. 23). Der Senat kann aber ausschließen, dass das Urteil auf dem Unterlassen einer förmlichen Bescheidung des Beweisantrages beruhen könnte. Denn es liegt auf der Hand, dass der Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit des Zeugen (§ 244 Abs. 3 S. 2 Alt. 7 StPO) gegeben gewesen war (vgl. zum fehlenden Beruhen bei Offenkundigkeit des Ablehnungsgrundes: BGH, Urteil vom 19.10.2011 – 1 StR 336/11, juris Rn. 29; OLG Schleswig, Beschluss vom 16.07.2001 – 1 Ss OWi 149/01, SchlHA 2002, 169). Dass der Zeuge, wie von der Bußgeldrichterin in den Urteilsgründen unterstellt, an einer dauerhaften ansteckenden Erkrankung gelitten hat, wird von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt. Aufgrund der oben näher beschriebenen Mitteilung der Bußgeldrichterin vom 17. Mai 2018 war der Verteidigung zudem bekannt gewesen, dass die Bußgeldrichterin wegen der Erkrankung des Zeugen dem Antrag nicht Folge leisten werde. Für die Betroffene konnte daher nicht zweifelhaft sein, dass das Gericht die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Zurückweisung des Antrages mit dem Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit für gegeben gehalten hat, zumal es im Termin vom 25. Mai 2018 erneut auf die „Dauererkrankung des Zeugen P.“ hingewiesen und die Verteidigung aufgefordert hat, einen anderen Mitarbeiter der Arbeitgeberin der Betroffenen zu benennen.

3.

Die daneben erhobene Aufklärungsrüge, mit der die Rechtsbeschwerde beanstandet, dass die Bußgeldrichterin „nicht andere Mitarbeiter aus der Personalabteilung“ vernommen hat, ist bereits nicht in zulässiger Weise erhoben. Denn die Aufklärungsrüge ist nur dann in zulässiger Form erhoben, wenn das Beweismittel konkret bezeichnet wird, dessen der Tatrichter sich hätte bedienen sollen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 244 Rn. 102 m.w.N.). Daran fehlt es, weil die Rüge diejenigen Mitarbeiter, deren unterlassene Vernehmung die Rechtsbeschwerde moniert, nicht konkret benennt. Hinzutritt, dass die Rechtsbeschwerde den wesentlichen Inhalt des Einlassungsschreibens „welches als Anlage 1 zum Protokoll vom 11. Mai 2018 genommen wurde“ und aus dem sich u.a. „die Notwendigkeit der unterlassenen Beweiserhebung“ ergeben soll, nicht mitteilt.

III.

Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben.

Insbesondere sind die Ausführungen des Amtsgerichts zur – hier bejahten – Verhältnismäßigkeit des verhängten (Regel-)Fahrverbots rechtlich nicht zu beanstanden. Die Funktion eines Betroffenen als freigestellter Betriebsratsvorsitzender ist von seiner beruflichen Beschäftigung zu trennen. Maßgeblich für die Frage der wirtschaftlichen Existenzgefährdung ist nicht, ob ein Betroffener seine Funktion als Betriebsratsvorsitzender aufgrund des verhängten Fahrverbots verlieren wird, sondern, ob darüber hinaus auch der Arbeitsplatz, von dem er für die Dauer dieser Tätigkeit freigestellt ist, im Falle des Vollzugs eines Fahrverbots ernstlich gefährdet wäre (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22.08.2005 – 3 Ss OWi 421/05, jurionRS 2005, 23969). Hierfür besteht auf Grundlage der Urteilsfeststellungen indes kein Anhalt. Das Amtsgericht hat hinreichend belegt, weshalb es – anders als in der Fallgestaltung, die der von der Rechtsbeschwerde zitierten Entscheidung KG NZV 2010, 46 zugrunde gelegen war – von einer Unwirksamkeit eines auf das Fahrverbot gestützten Kündigungsbegehrens durch die Arbeitgeberin der Betroffenen ausgegangen ist.

Hinzu kommt, dass es der Betroffenen nach den vom Amtsgerichts getroffenen Feststellungen im Jahr 2018 möglich gewesen war, drei Wochen Urlaub am Stück zu nehmen. Dass das Amtsgericht unter Berücksichtigung der gewährten Viermonatsfrist (§ 25 Abs. 2a StVG) hieraus den Schluss gezogen hat, dass es der Betroffenen und ihrer Arbeitgeberin für die darüber hinausreichende Zeitdauer möglich ist und zugemutet werden kann, einen Fahrdienst in Anspruch zu nehmen, ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 02.08.2005 – 3 Ss OWi 468/05, juris Rn. 10).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO i.V.m. § 46 OWiG.