Es ist es in aller Regel ausreichend, wenn sich dem Urteil entnehmen lässt, dass sich der Tatrichter der Möglichkeit bewusst war, in Ausnahmefällen von der Regelfolge des Fahrverbotes absehen zu können. Hat der Tatrichter konkrete Anhaltspunkte, die ein Absehen von dem Regelfahrverbot rechtfertigen könnten, muss er ihnen nachgehen. Er ist jedoch nicht von sich aus gehalten, die privaten bzw. beruflichen Auswirkungen dieser Maßregel aufzuklären, wenn ihr lediglich mit pauschalen Einwänden entgegen getreten wird.

Wie schon im Sachverhalt, welcher dem Beschluss des KG vom 12.03.2012 – 3 Ws (B) 71/12 zugrundelag, war auch hier problematisch, dass der erlaubt abwesende Betroffene die Verteidigung nicht ausreichend informiert hatte. Der Verteidiger als Vertreter nach § 73 Abs.3 OWiG konnte keine Ausführungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen und den sonstigen Voraussetzungen zur Darlegung einer unverhältnismäßigen Härte tätigen. Vor diesem Hintergrund, sei- obwohl die Sachrüge mit der Beanstandung des Rechtsfolgenausspruchs im Grundsatz durchdringe- davon auszugehen, dass die Tatrichterin in der Hauptverhandlung keine weiteren Feststellungen dazu habe treffen können, wie der Betroffene durch das Fahrverbot belastet werde. Dies wiederum versetze den Senat in die Lage, nach § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst zu entscheiden.

KG, Beschluss vom 06.04.2018 – 3 Ws (B) 82/18

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. Dezember 2017 wird verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt, nach § 25 Abs. 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und nach § 25 Abs. 2a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

1. Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Schuldspruch wendet, ist es aus den Gründen der dem Betroffenen bekannten Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft unbegründet (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).

2. Mit der Beanstandung des Rechtsfolgenausspruchs dringt die Sachrüge im Grundsatz durch. Das Urteil lässt nicht erkennen, dass der Tatrichterin die Möglichkeit bewusst war, dass von der Verhängung des Fahrverbots – bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße – abgesehen werden kann, wenn der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch hierdurch erreicht werden kann (BGH NZV 1992, 117; OLG Köln NZV 2001, 391 mwN; OLG Naumburg zfs 2001, 382; OLG Rostock zfs 2001, 383).

Im Urteil wird die gesamte Rechtsfolgenentscheidung mit einem Satz begründet. Er lautet: „Gegen ihn war die nach dem Bußgeldbescheid vorgesehene Regelgeldbuße von 200 Euro festzusetzen und darüber hinaus das vorgesehene Fahrverbot von einem Monat zu verhängen.“

Weder dieser knappe Satz noch andere Ausführungen im Urteil ermöglichen es dem Senat nachzuvollziehen, dass sich die Tatrichterin der (rechtlichen) Möglichkeit einer „Kompensation“ bewusst war. Im Gegenteil lässt die gewählte Formulierung besorgen, dass sie, wie die Rechtsbeschwerde nicht ohne Grund meint, von einem „Automatismus“ der aufgrund des Bußgeldkatalogs zu verhängenden Rechtsfolgen ausgegangen ist und das ihr durch § 25 StVG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat.

3. Bei dieser Sachlage wäre im Normalfall der Rechtsfolgenausspruch nebst den dazu gehörigen Feststellungen aufzuheben, und das Amtsgericht müsste erneut entscheiden. An einer so genannten Durchentscheidung (§ 79 Abs. 6 OWiG) ist das Rechtsbeschwerdegericht bei einem auf die Rechtsfolgen bezogenen Darstellungs- und Begründungsmangel in der Regel gehindert.

Der hier zu entscheidende Fall weist insoweit jedoch eine Besonderheit auf, die den Senat ausnahmsweise in die Lage versetzt, selbst zu entscheiden: Der Betroffene war in der Hauptverhandlung erlaubt abwesend, und er ist durch seinen Verteidiger vertreten worden. Der Verteidiger hat ausweislich der Urteilsgründe keine Ausführungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen machen können, und er hat, so versteht der Senat das Urteil, demzufolge auch nicht im Ansatz darlegen können, dass der Betroffene durch das Fahrverbot mehr als durch die erhöhte Geldbuße belastet wird. Erst recht hat der Verteidiger nicht dargelegt, dass der Betroffene durch das Fahrverbot überhart getroffen wird.

Es versteht sich von selbst, dass ein Betroffener, der sich durch einen Rechtsanwalt nach § 73 Abs. 3 OWiG vertreten lässt, seinen Vertreter über die Umstände zu unterrichten hat, über die er nach § 111 OWiG Auskunft geben muss (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Juli 2016 – 3 Ws (B) 357/16 -). Tut er dies nicht und versetzt er seinen Vertreter auch nicht in die Lage, über seine persönlichen und sonstigen beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Angaben zu machen, so begibt er sich der Möglichkeit, auf dieser Grundlage zu vom Bußgeldkatalog abweichenden, gegebenenfalls günstigeren Rechtsfolgen zu gelangen. Denn diese Umstände sind aufgrund der Regel-Ausnahme-Systematik der BKatV nicht von vornherein Gegenstand der Amtsaufklärung, sondern der Verteidiger, der zugleich Vertreter ist, hat umfassend zu den konkreten Auswirkungen der Nebenfolge und namentlich zu Fahrverbotshärten vorzutragen und sie gegebenenfalls zu belegen (vgl. Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen 4. Aufl., § 6 Rn. 216); er muss sich darauf proaktiv berufen (vgl. Krumm, aaO, § 22 Rn. 90).

Auf dieser Grundlage geht der Senat davon aus, dass die Tatrichterin in der Hauptverhandlung keine weiteren Feststellungen dazu treffen konnte, wie der Betroffene durch das Fahrverbot belastet wird. Dies wiederum versetzt den Senat in die Lage, nach § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst zu entscheiden.

4. Die rechtsfehlerfrei festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung erfüllt den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV iVm Nr. 11.3.7. der Tabelle 1 c. Hiernach sind im Regelfall eine Geldbuße von 200 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot (§ 25 Abs. 1 Satz 1 StVG) zu verhängen.

Der Senat ist sich bei der Bemessung der Rechtsfolgen der Möglichkeit bewusst, vom regelhaft vorgesehenen Fahrverbot abzusehen, wenn es dessen Besinnungs- und Warnfunktion ausnahmsweise nicht bedarf oder wenn diese – gleichfalls ausnahmsweise – durch eine spürbar erhöhte Geldbuße erreicht werden kann. Hierfür spricht hier aber auf der Ebene des Handlungs- und Erfolgsunrechts nichts: Die Tat hebt sich nicht mildernd von der Mehrzahl der sonstigen Fälle, die dem Regelfall unterliegen, ab.

Dies gilt auch für die Möglichkeit, dass das Fahrverbot den Betroffenen überhart treffen könnte. Unabhängig davon, dass der Betroffene nach § 111 OWiG im Grundsatz verpflichtet ist, seinen Beruf mitzuteilen, hat er hier jedenfalls von der Möglichkeit, seinen ausgeübten Beruf zu bezeichnen und geltend zu machen, dass ihn ein Fahrverbot beruflich oder privat mehr als eine Geldbuße oder sogar überhart trifft, keinen Gebrauch gemacht. Der Senat hat daher keinen Anlass, über die Sanktionsempfindlichkeit des Betroffenen zu spekulieren, und erkennt auf der Grundlage der der Tatrichterin möglich gewesenen Feststellungen unter Berücksichtigung der rechtsfehlerfrei festgestellten Tat, der fehlenden Vorbelastungen und der weiteren namentlich in § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG bezeichneten Umstände auf die Regelgeldbuße von 200 Euro und das einmonatige Regelfahrverbot. Zugleich räumt der Senat dem Betroffenen den durch § 25 Abs. 2a StVG ermöglichten Vollstreckungsaufschub ein.

5. Die eigene Sachentscheidung findet im Tenor keinen Niederschlag, weil das angefochtene Urteil im Ergebnis bestätigt wird (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1981, 2478 mwN).

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 1 OWiG iVm § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Einen wesentlichen Teilerfolg, der zu einer Auslagenerstattung nach § 473 Abs. 4 StPO Anlass geben könnte, hat der Betroffene nicht erzielt.