Das AG St. Ingbert hat sich in diesem Urteil wieder mit dem Messgerät Leivtec XV3 befasst. Anders als in einem älteren Urteil desselben Gerichts hat es sich an der Löschung verschiedener Messdaten, die Sachverständige bei älteren Software-Version für nachträgliche Überprüfungen des Messergebnisses heranziehen konnten, nicht gestört. Diese Daten seien nur von Belang, wenn bereits ein Anhaltspunkt für einen Messfehler vorliege, was hier aber nicht der Fall sei. Die Ende des vergangenen Jahres vom AG Jülich aufgeworfenen Bedenken betreffend die Beeinflussbarkeit durch elektromagnetische Felder führten ebenfalls nicht zum Entfallen der Messung im standardisierten Verfahren. Der Sensorik des Geräts liege ein optisches Messverfahren zugrunde, welches unempfindlich gegenüber Magnetfeldern sei. Die Messsicherheit sei nicht beeinträchtigt.

AG St. Ingbert, Urteil vom 21.03.2018 – 4 OWi 42360/17

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h zu einer Geldbuße von 70,00 € verurteilt.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: §§ 41, I i. V. m. An I. 2, 49 StVO, 24 StVG, 11.3.4 BKat.

Gründe:

I.

Der betroffene PKW-Führer befuhr am …03.2017 um 16.49 Uhr in Lebach außerhalb geschlossener Ortschaft die B269 in Höhe Baustoffe Rosport mit dem Kleintransporter … amtliches Kennzeichen … in Fahrtrichtung Körprich mit einer Geschwindigkeit von 71 km/h (nach Toleranzabzug von 3 km/h). Die Geschwindigkeit wurde mittels des gültig geeichten Messgerätes Leivtec XV 3, Geräte-Nr. 1 00294, Softwareversion 2.0, Gebrauchsanweisung vom 01.12.2014, gemessen. Die eichrechtlichen Sicherungen wurden geprüft und waren unversehrt, die Bedienung erfolgte durch den geschulten Messbeamten D. nach Maßgabe vorzitierter Gebrauchsanweisung.

Etwa 150 Meter vor der Messstelle in Fahrtrichtung des Betroffenen gesehen befand sich das die Geschwindigkeit auf 50 km/h beschränkende Verkehrszeichen 274, welches vom Betroffenen auch wahrgenommen werden konnte.

II.

Die Feststellungen beruhen, was die Fahrereigenschaft betrifft, auf der geständigen Einlassung des Betroffenen, der auszugsweisen Verlesung des Messprotokolls Blatt 2 der Akten, der auszugsweisen Verlesung des Eichscheins Blatt 3 der Akten, der in Augenscheinnahme der Beweisfotos mit Fallprotokoll Blatt 5 der Akten sowie der Verlesung der Datenleiste Blatt 7 der Akten sowie der Vernehmung des Zeugen D. Wegen der Einzelheiten des Messungendebildes mit Signaturzeichen wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf Blatt 5 der Akten verwiesen.

III.

Die Messung erfolgte im standardisierten Messverfahren. Die dagegen vorgebrachten Einwände greifen nicht durch, wozu noch ausgeführt werden wird.

Bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem hier verwendeten Messgerät Leivtec XV 3 handelt es sich um eine solche in einem standardisierten Messverfahren. Die Überprüfung und Zulassung des Messgerätes durch die PTB bietet grundsätzlich eine ausreichende Gewähr dafür, dass die Messung bei Einhaltung der vorgeschriebenen Bedingungen für den Einsatz auch im Einzelfall ein fehlerfreies Ergebnis liefert. Die Einstufung als standardisiertes Messverfahren hat zu Folge, dass sich das Tatgericht auf die Mitteilung des verwendeten Messverfahrens, welches Gegenstand der Verurteilung ist, der gefahrenen Geschwindigkeit und der gewährten Toleranz beschränken kann. Dies gilt selbstverständlich dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gebrauchsanweisung für das Messgerät nicht eingehalten worden ist oder wenn Messfehler konkret behauptet werden. Der verlesenen Datenleiste ist die gemessene Geschwindigkeit von 74 km/h zu entnehmen. Der Toleranzabzug von 3 km/h wurde vorgenommen. Das Messungendebild mit Datenleiste und Signaturschlüssel gibt keinerlei Anhaltspunkte für Fehlmessungen oder Fehlauswertungen. Beanstandungen der technischen Handhabung bei Messung und Auswertung sind auch nicht vorgetragen oder ersichtlich.

Die Einwände der Verteidigung, die auch den Beweisanträgen zu Grunde liegen, sind rechtlicher Art und beschäftigen sich mit Fragen der Zuständigkeit, der Einhaltung des Datenschutzes, der Rekonstruierbarkeit des Messergebnisses und des Verlustes der Zulassung zur Verwendung des Messgerätes.

1. Zuständigkeit:

Das erkennende Gericht ist zuständig. Soweit die Verteidigung auf das Gerichtsstrukturreformgesetz (Gesetz Nr. 1912 vom 30.11.2016) abhebt und zwar auf die den Grundsatz der perpetuatio fori beachtenden Artikel 7, verkennt die Verteidigung zweierlei:

1. ist die fehlende bundesgesetzliche Öffnung durch die Einführung des § 17 c GVG durch Gesetz vom 04.07.2017 mit Wirkung vom 13.07.2017 mittlerweile erfolgt und

2. liegt eine nicht beendete Hauptverhandlung überhaupt nicht vor. Eine nichtbeendete Hauptverhandlung ist eine unterbrochene Hauptverhandlung im Sinne § 229 Abs. 1, 2 StPO, die nicht von Vorne begonnen werden muss. Im vorliegenden Falle war die Hauptverhandlung aber nicht lediglich unterbrochen, sondern ausgesetzt, sodass mit ihr von neuem zu beginnen war. Deshalb lag – unbeschadetes § 17 c GVG- keine nichtbeendete Hauptverhandlung vor, sondern eine beendete, mit der Folge, dass nicht vor dem Amtsgericht Merzig weiter zu verhandeln war, sondern vor dem nunmehr zuständigen Amtsgericht St. Ingbert.

2. Datenschutz:

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird weder durch Beobachtung noch durch Anfertigung und Auswertung von Geschwindigkeitsmessungen und des dabei angefertigten Bildmaterials beeinträchtigt.

Dies alles ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach manchen Missverständnissen hinreichend geklärt und kann auch der Verteidigung nicht entgangen sein, auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.07.2010 Az. 2 BvR 759/10 wird verwiesen. Allerdings ist bislang noch niemand auf die Idee gekommen, dass ein Messbeamter nicht auf den Monitor schauen darf. Wenn aber das Anfertigen und Auswerten des Bildmaterials, also gespeicherter Daten, erlaubt ist, ist dies erst recht die bloße Beobachtung im Vorfeld. Ein Beweisverwertungsverbot besteht folglich nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist vielmehr das praktizierte Verfahren gerade zu geboten angesichts des bezweckten Schutzes der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben.

3. Rekonstruierbarkeit des Messergebnisses:

Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise eines Geschwindigkeitsmessgerätes, dass eine Bauartzulassung der physikalisch technischen Bundesanstalt erhalten hat, begründet nach der Rechtsprechung des Saarländischen Oberlandesgerichts (Beschluss vom 10.07.2017, Az. Ss Rs 14/2017 (49/17 OWi)) keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses. Zutreffend führt das Oberlandesgericht aus, dass die genaue Funktionsweise von Messgeräten auch in den Bereichen der Kriminaltechnik und der Rechtsmedizin nicht bekannt ist, ohne dass in soweit jeweils Zweifel an der Verwertbarkeit der Gutachten aufgekommen wären, die auf den von diesen Geräten gelieferten Messergebnissen beruhen. Der Verwertbarkeit eines Messergebnisses steht nach der Rechtsprechung des Saarländischen Oberlandesgerichtes nicht entgegen, dass ein Sachverständiger mangels Zugangs zu Patent- u. Urheberrechtlich geschützten Herstellerinformationen die genaue Funktionsweise des Gerätes die Messwertbildung nicht im Einzelnen nachvollziehen kann. Eine nähere Überprüfung des gemessenen Geschwindigkeitswertes sei danach nur geboten, wenn sich im konkreten Anhaltsfalle Anhaltspunkte für eine Fehlmessung ergeben. Solche sind im vorliegenden Falle nicht vorgetragen. Nur dann nämlich wäre das Nichtspeichern von Daten überhaupt für die Einzelfallentscheidung von Belangen.

4. Verlust der Gerätezulassung/Magnetfeldresistenzprüfung:

Die bloße Bezugnahme auf ein mit der Rechtsbeschwerde angegriffenes Urteil eines Amtsgerichts und die Behauptung, eine Magnetfeldresistenzprüfung hätte sich vor Zulassung des Gerätes auch auf die beiden Ausrichtungen Y -Achse und X-Achse erstrecken müssen, sodass von einer unwirksamen/ fehlerhaften Zulassung des Gerätes auszugehen sei, ist nicht geeignet, die Fehlerhaftigkeit der konkreten Messung zu indizieren, noch ist sie geeignet, die Anwendung der Grundsätze zum standardisierten Messverfahren in Frage zu stellen.

Dazu wäre vielmehr erforderlich gewesen darzustellen, wie sich das Fehlen von Magnetfeldresistenzprüfungen der beiden Achsen überhaupt auf die Messwertbildung auswirken kann. Wenn eine solche Auswirkung überhaupt nicht möglich ist, ist nicht ersichtlich, warum die Prüfung vor Zulassung hätte vorgenommen werden müssen. Dabei ist über dies zu beachten, dass Magnetfeldprüfungen bei Geräten erforderlich sind, die aufgrund ihrer konstruktiven Eigenschaften gegenüber einem Magnetfeld Empfindlichkeit zeigen können. Die zentrale Sensorik bei Leivtec VX 3 ist Teil eines optischen Messverfahrens. Wie ein solches optisches Messverfahren auf Magnetfelder überhaupt reagieren sollte, ist nicht aufgezeigt. Auch bei der Zulassung eines Messgerätes sind nämlich nur solche Prüfungen vorzunehmen, die in dem PTB-Anforderungen bzw. den diesen zu Grunde liegenden gesetzlichen Regelungen vorgesehen sind. Das darüber hinaus Weitere möglich sind, ist eine Binsenweisheit. Darum geht es jedoch nicht, sondern alleine darum, ob sie auch erforderlich waren bzw. sind, um einen sicheren Messbetrieb zu gewährleisten. Deshalb ist auch in der bei Zulassung gültigen PTBA 18.11 festgehalten, welche Anforderungen im Regelfall an Geschwindigkeitsmessgeräte zu stellen sind. Zugleich ist aber auch festgehalten, dass Zulassungen auch möglich sind bei Abweichungen von der Regel, wenn die Messsicherheit auf andere Weise gewährleistet ist. In der derzeit gültigen Fassung verhält sich Ziff. 3.10.3 PTBA 1201 zur elektromagnetischen Empfindlichkeiten unter Verweis auf eine Anlage. Ein die Messsicherheit berührender Verstoß gegen die bei Zulassung des Gerätes anzuwendenden Prüfvorschriften oder deren Fehlerhaftigkeit bzw. Unvollständigkeit mit Auswirkungen auf das Messergebnis – und darauf kommt es unter dem Grundsatz der Gewährleistung der Messsicherheit überhaupt nur an – ist nicht ansatzweise nachvollziehbar dargestellt, sodass das Gericht nach wie vor von einem standardisierten Messverfahren und der von der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätze ausgehen darf.

Wenn das Amtsgericht Jülich ausführt, aufgrund unterlassener Berücksichtigung zweier Achsen sei zu Gunsten des Betroffenen im Zweifel von einer Notwendigkeit der gesamten Prüfung auf Magnetfeldresistenz auszugehen, überzeugt dies das erkennende Gericht angesichts des vorstehenden und aus den PTB-Anforderungen Ablesbaren geradezu nicht. Weil selbstverständlich Umweltbedingungen Auswirkungen auf ein Messergebnis haben können, müssen deren möglichen Einflüssen Grenzen gesetzt werden und zwar durch Definition von Einfluss und Störgrößen. Prinzipiell können in einem Gerät beliebig viele magnetfeldempfindliche Teile verbaut werden und die Geräte wären dennoch zulassungsfähig, wenn durch geeignete Maßnahmen gleichwohl der Ausschluss von Fehlmessungen sichergestellt werden könnte. Das von der Verteidigung zitierte Urteil des Amtsgericht Jülich lässt gerade nicht erkennen, ob und warum die Nichtprüfung von Y u- Z-Achsen messergebnisbeeinflussend sein sollte. Es lässt auch eine Beschäftigung mit den messrechtlichen Begriffen Einfluss- und Störgrößen und deren Inbezugsetzung zu bereits berücksichtigten Fehlerteleranzen vermissen. Ein Gutachten, welches Anlass zur weiterer Aufklärung gäbe, müsste das Gegenteil des antizipierten Behördengutachtens der PTB zum Ergebnis haben, nämlich die klare Aussage: “Das Gerät misst über die bereits berücksichtigten Toleranzen hinaus falsch, weil physikalische Wirkmechanismen bestehen, die unter den Verwendungsbedingungen des Gerätes Messwertrelevanz und ihre Ursache in elektromagnetische oder magnetischer Einwirkung auf die Y und Z-Achse haben.” Kurz: Die Messsicherheit ist ohne Zusatzprüfungen der vorgenannten beiden Achsen nicht gewährleistet. Eine derartig klare Aussage vermag das Gericht dem von der Verteidigung zitierten Urteil nicht zu entnehmen.

Aus dem Messprotokoll ist ferner erkennbar, dass das Messgerät von einem geschulten Messbeamten entsprechend der Bedienungsanleitung eingerichtet und benutzt wurde. Die Bedienungsanleitung wiederum stellt klar, dass der vorliegende Fall verwertbar ist, denn im Messungendebild befindet sich ebenso wie im Messungstartbild als einziges Fahrzeug das des Betroffenen in dessen Fahrtrichtung. Die Messrahmenauswertung erfolgte fehlerfrei, die Fehlertoleranz wurde berücksichtigt.

IV.

Damit hat sich der Betroffene eines fahrlässigen Verstoßes gegen die außerhalb geschlossene Ortschaft beschränkte Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2, 49 StVO, 24 StVG, 11.3.4 BKat schuldig gemacht, denn bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte der Betroffene erkennen können und müssen, dass durch Verkehrszeichen die Geschwindigkeit wie beschrieben beschränkt war.

Es wurde der für den Verkehrsverstoß geltende Regelsatz festgestellt.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWIG, 465 Abs. StPO.

Vielen Dank an Frau Rechtsanwältin Zimmer-Gratz, Bous, für die Zusendung der Entscheidung.