Das in einer öffentlichen Straße abgestellte Fahrzeug der Betroffenen war vorne und hinten mit Videokameras ausgestattet, welche dauerhafte Aufzeichnungen des Verkehrsraums anfertigten. Grund für diese Überwachungsmaßnahme waren nach Angaben der Betroffenen, dass ihr Fahrzeug in der Vergangenheit von Unbekannten beschädigt worden war. Von den Kameras wurden zum Tatzeitpunkt zumindest drei Fahrzeuge mit ihren amtlichen Kennzeichen erfasst. Nachdem ein anderes Fahrzeug den Wagen der Betroffenen seitlich streifte und sich anschließend entfernte, übergab die Betroffene die Videoaufnahmen der Polizei.

Das Amtsgericht verurteilte die Betroffene wegen vorsätzlichen unbefugten Erhebens und Verarbeitens nicht allgemein zugänglicher personenbezogener Daten (§ 43 Abs. 2 Nr 1 Alt. 1, 2 BDSG) zu einer Geldbuße von 150 Euro. Das permanente und anlasslose Filmen des Bereichs um das eigene Fahrzeug stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Es gehe nicht an, dass 80 Millionen Bundesbürger mit Kameras herumlaufen um irgendwelche Situationen zwecks Aufdeckung von potentiellen Straftaten aufzunehmen. Zudem werde auf die Videoüberwachung nicht hingewiesen. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

AG München, Urteil vom 09.08.2017 – 1112 OWi 300 Js 121012/17

1. Die Betroffene … ist schuldig des im Bußgeldbescheid des Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht vom 7.2.2017 enthaltenen tateinheitlichen vorsätzlichen Verstoßes gegen § 43 II Nr. 1 Alt. 1 und 2 BDSG.

2. Gegen sie wird eine Geldbuße in Höhe von 150 ,- Euro festgesetzt.

3. Sie trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften:

§§ 43, 28, 6 b BDSG, § 46 OWiG, 464, 465 StPO.

Gründe:

I.

Die Betroffene wurde auf ihren Antrag vom persönlichen Erscheinen zum Termin entbunden. Der Verteidiger trug zu den persönlichen Verhältnissen vor, dass die Betroffene in geordneten Verhältnissen lebe und ca. 1.500,00 EUR monatlich netto verdiene.

Über Vorahndungen ist dem Gericht nichts bekannt geworden.

II.

Am 11.08.2016 von ca. 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr parkte die Betroffene ihren PKW BMW X1, amtliches Kennzeichen … in der Mendelssohnstraße in München. Das Fahrzeug war vorne und hinten mit einer Videokamera ausgestattet. Die Kameras fertigten laufend Videoaufzeichnungen des vor und hinter dem Fahrzeug befindlichen öffentlichen Verkehrsraums. Diese Aufzeichnungen sind gespeichert worden. Durch diese Weise wurden mindestens drei andere Fahrzeuge, die sich vor oder hinter dem Straßenraum des geparkten Fahrzeugs befanden, aufgezeichnet; die amtlichen Kennzeichen dieser drei Fahrzeuge waren erkennbar. Die Videoaufzeichnungen wurden durch die Betroffene der Polizei übergeben, da ein anderes Fahrzeug das geparkte Fahrzeug gestreift und beschädigt hat und sie in Gestalt der Videoaufzeichnungen Beweismittel für die von ihr angenommene Unfallflucht des/der Fahrer/Fahrerin des Fahrzeugs der Polizei vorgelegt hat.

III.

Durch ihren Verteidiger ließ die Betroffene vortragen, dass der tatsächliche Geschehensablauf eingeräumt werde. Darüber hinaus machte der Verteidiger folgende weiteren Ausführungen:

Er sei der Auffassung, dass die Zulässigkeit von “Dashcams” im deutschen Straßenverkehr noch nicht abschließend geklärt worden sei und auch der Staat hat eine große Zahl von Daten der Bürger ohne Anlass und klar umrissenen Verwendungszweck erhebe und speichere. Dies stehe dem Datenschutzinteresse des einzelnen diametral entgegen. Die Daten könnten jederzeit vernetzt werden. Dies stehe Privatpersonen nicht zu. Und der Bürger habe weder einen Vorteil von der Datensammlung, noch kann er mit den Daten etwas anfangen, wenn ihm der Zugang zu den entsprechenden Register der Zulassungsstellen z. b. für ein Nummernschild nicht möglich ist. Auch rufe die Polizei geradezu die Bürger auf, Upload-Portale zur Verfügung zu stellen und diese auswerten zu können (zuletzt beim Berliner Anschlag vor Weihnachten). Die Betroffene habe hier keine anderen Personen “ausspionieren” wollen. Im April sei das Fahrzeug der Mandantin mutwillig und erheblich durch unbekannte Täter beschädigt worden, so dass für den Fall erneuter Beschädigungen Beweise habe sichern wollen. Durch die Aufnahme von Autokennzeichen seien keine schützenswerten Daten erhoben und gespeichert worden. Es sei der Mandantin nur darauf angekommen, potentielle Täter einer Sachbeschädigung am PKW ermitteln zu können. Die einzelnen Fahrer der entsprechenden vor oder hinter dem PKW parkenden Autos seien nicht erkennbar gewesen. Nur die Nummernschilder seien erkennbar gewesen, weitere entferntere Personen nicht. Die Betroffene habe kein Interesse gehabt, irgendwelche Bilder von Personen zu verwenden; diese seien vielmehr nur Beiwerk der jeweiligen Aufnahme gewesen. Eine Verwendungsabsicht sei erst dann gegeben gewesen, wenn es tatsächlich zu einer Beschädigung am Fahrzeug der Betroffenen gekommen wäre. Dies war. dann ja auch der Fall. Darüber hinaus überwiege das abstrakte Interesse des Fahrzeugeigentümers an der Durchsetzung von Ansprüchen gegen mögliche Schädiger; der Anspruchsteller habe im Zivilrecht insoweit die Beweispflicht. Dies werde ihm durch die Videoaufnahmen ermöglicht. Dies ergebe sich aus der Wertung des § 6 b Abs. 3 S. 2 BDSG. Im Übrigen handelt es sich um Daten, die allgemein zugänglich i. S. v. § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG seien. Darüber hinaus handele es sich um Daten, die der Durchführung eines Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen dienen würden. Letztendlich sei das Erheben von Daten nicht ordnungswidrig gewesen, da es nur zu einem persönlichen Zweck erfolgt sei. Dies gelte auch für das Speichern der Daten. Darüber hinaus liege ein rechtfertigender Notstand gem. § 16 OWiG vor. Im Übrigen liege bei der Betroffenen ein unvermeidbarer Verbotsirrtum nach § 11 Abs. 2 OWiG vor.

IV.

Die Betroffene hat sich daher nach Auffassung des Gerichtes zweier tateinheitlicher vorsätzlicher Verstöße gegen § 43 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 und 2 BDSG, § 19 OWiG schuldig gemacht.

Nach Auffassung des Gerichtes wurden unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhoben und verarbeitet. Personenbezogene Daten liegen nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 BDSG vor. § 1 Abs. 2 Ziffer 3 BDSG ist nicht einschlägig, zumal es sich nicht um Daten gehandelt hat, die ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erhoben bzw. gespeichert worden sind. Dies gilt jedenfalls nicht dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, durch zwei Kameras Aufzeichnungen des Straßenverkehrs gefertigt werden, um potentielle Beweismittel für etwaige Zivil- oder Strafverfahren erheben zu können. Unstreitig sind Kennzeichen dreier anderer Fahrzeuge erhoben und gespeichert worden. Hierbei handelt es sich auch um Daten, die einer bestimmten natürlichen Person zugeordnet werden können. Ausreichend ist dabei, ob die Person “bestimmbar” ist. Eine Bestimmbarkeit gem. § 3 Abs. 1 BDSG ist dann gegeben, wenn eine Person, auch mit weiteren Hilfsmitteln (z. B. Register) bestimmt werden können. Durch die Nachschau entsprechenden Register kann ein Autokennzeichen an einem bestimmten Fahrzeug und somit einer bestimmten Person als Halter zugeordnet werden. Dies ist hier letztendlich auch durch die Polizei erfolgt. Die Halterin bzw. Fahrerin konnte ermittelt werden; der Schaden ist reguliert worden.

Die Erhebung und Speicherung der Daten erfolgte unzulässig. Die Betroffene kann sich nicht gem. § 6 b Abs. 1 Ziffer 3 BDSG auf berechtigte Interessen berufen. Dies gilt nach dem Wortlaut von § 6 b Abs. 1 Ziffer 3 dann, wenn “keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen”. Nach Auffassung des Gerichtes überwiegt hier im vorliegenden Fall, das Recht der gefilmten Personen auf informationelle Selbstbestimmung. Das Interesse der Betroffenen an der Aufdeckung von einer potentiellen Straftat muss hierbei zurückstehen. Durch das permanente anlasslose Filmen des Bereichs vor und hinter des geparkten Fahrzeugs befindlichen Straßenraums verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und stellt einen schwierigen Eingriff in dieses Recht dar. Es geht nicht an, dass “80 Mio. Bundesbürger” mit Kameras herumlaufen um irgendwelche Situationen aufnehmen zu können, die eine Straftat aufdecken könnten. Eine permanente Überwachung jeglichen öffentlich Raumes durch Privatbürger ist nicht zulässig, da es in das Recht unbeteiligter Personen in schwerwiegender Weise eingreift, selbst bestimmen zu können wo und wann man sich aufhält, ohne dass unbeteiligte Personen dies dokumentieren und bei Behörden verwenden würden. Im Übrigen sei die Betroffene darauf hingewiesen, dass an staatlich überwachten Stellen ein entsprechender Hinweis angebracht ist, dass beispielsweise “dieser Platz” videoüberwacht sei. Der so betroffene Bürger kann sich darauf einstellen und selbst entscheiden, ob er sich weiterhin auf dem Platz aufhält oder nicht. Bei unangekündigten Überwachungen privater Personen ist dies aber nicht der Fall. Bei einer entsprechenden Interessenabwägung muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Überhand behalten. Das anlasslose Filmen anderer Verkehrsteilnehmer ist nicht nur ein geringfügiger Eingriff in Persönlichkeitsrechte der Betroffenen Verkehrsteilnehmer (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 12.08.2014, Az. 4 K 13.01634; Amtsgericht München, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 345 C 5551/14).

Im vorliegenden Falle braucht auch nicht entschieden werden, ob die Betroffene berechtigt ist, derartige Aufnahmen in Zivilprozessen zur Beweissicherung zu verwenden. Hier geht es um einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz und um die Erhebung und Speicherung von Daten. Auch wurden nochmals ausgeführte Daten nicht erhoben, weil bereits ein Unfall passiert ist, sondern zuvor ohne konkreten Anlass die Kameras eingerichtet zur dauernden Aufnahme und Speicherung. Auch sticht das Argument nicht, dass es sich um Daten handele, die der Durchführung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses dienen würden. Ein solches Entstehen Schuldverhältnis ergibt sich aber erst ab dem Zeitpunkt des Unfalls, nicht schon zuvor.

Dabei hat die Betroffene vorsätzlich gehandelt. Sie hat die Videokameras wissentlich und willentlich in ihrem Fahrzeug eingebaut bzw. einbauen lassen und diese in Betrieb gesetzt, so dass die Kameras über einen nicht unerheblichen Zeitraum hinweg Aufnahmen fertigten und gespeichert haben. Dies wusste die Betroffene.

Die Betroffene hat sich auch nicht in einem rechtfertigenden Notstand nach § 16 OWiG befunden. Bei der Abwägung der insoweit erforderlichen widerstreitigen Interessen darf auf die obigen Ausführungen verwiesen werden und auf den schwerwiegenden Eingriff in schutzwürdige Interessen unbeteiligter Personen. Dies gilt auch für § 16 OWiG. Die Betroffene hat sich auch nicht in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum i. S. v. § 11 OWiG befunden. Die Betroffene hat nicht vorgetragen, dass sie vor Installierung der Kameras anwaltlichen Rat eingeholt habe. Darüber hinaus liegt ein unvermeidbarer Verbotsirrtum nicht automatisch dann vor, wenn bei einer schwierigen Rechtslage es unterschiedliche Meinungen gibt. Hier muss man allein auf die Verletzung des § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG abstellen und auf die Frage, ob personenbezogene Daten unbefugt erhoben und verarbeitet werden. Auch bei dieser Fragestellung bezogen befand sich die Betroffene nach Auffassung des Gerichtes in einem vermeidbaren Verbotsirrtum. Sie hat nicht dargelegt, nähere rechtliche Auskünfte von irgendeiner Seite erhoben zu haben und dann eine Entscheidung für sich selbst getroffen zu haben. Offenbar wurden die Kameras mehr oder minder ohne große rechtlichen Überlegungen über die Zulässigkeit in das Fahrzeug eingebaut und verwendet. Nach Auffassung des Gerichtes liegt tateinheitliches Handeln im Sinne der genannten Vorschrift bezogen auf das Erheben und Verarbeiten gem. § 19 OWiG vor.

§ 43 Abs. 3 S. 1 sieht eine Geldbuße bis zu 300.000,00 EUR vor.

Bei der Bemessung der Geldbuße war zunächst zu berücksichtigen, dass die Betroffene offenbar sich noch nichts hat zu Schulden kommen lassen. Sie lebt in geordneten Verhältnissen und verdient monatlich 1.500,00 EUR netto. Zu ihren Gunsten konnte gewertet werden, dass offenbar in der Vergangenheit das Fahrzeug schon mal beschädigt worden ist und die Betroffene subjektiv einen Anlass hatte, die Kameras einzusetzen.

Unter Abwägung aller Umstände hält das Gericht eine Geldbuße von 150,00 EUR tat- und schuldangemessen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 OWiG, §§ 464, 465 StPO.