Ralf Schnell / YouTube

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Über die zahlreichen zum sog. Abgasskandal ergangenen Urteile zur Rückabwicklung von Kaufverträgen betroffener Fahrzeuge wurde in vielen Blogs bereits berichtet. Aktuell hält auch das LG Trier die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Fahrzeugkaufvertrag in einem Fall gegeben, in dem der Kläger einen VW Touran mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 bei der Beklagten zu 1) erworben und über die Beklagte zu 2) finanziert hatte. Dieser Motor ist mit einer vom Kraftfahrtbundesamt als unzulässig angesehenen Einrichtung ausgestattet, die dafür sorgt, dass die ausgestoßenen Schadstoffe auf einem Prüfstand verringert werden, im normalen Verkehr hingegen nicht. Ein konkretes Angebot zum Aufspielen eines Software-Updates, dass diese Funktion beseitigt, wurde dem Kläger nicht unterbreitet. Eine einmonatige Frist zur Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs, die der Kläger gesetzt hatte, wurde verstreichen gelassen. Das LG sieht einen Mangel in dem Bestehen der Abschaltvorrichtung, welche gegen Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 verstoße. Ein Mangel sei außerdem darin zu sehen, dass dem Kläger die Entziehung der Betriebserlaubnis drohen könnte. Einer (weiteren) Fristsetzung habe es nicht bedurft, auch sei die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) nicht als unerheblich anzusehen. Insbesondere wird kritisiert, dass sich der Fahrzeughersteller im Verhältnis zu den rat- und hilflosen Endkäufern widersprüchlich und unredlich verhalte: Während öffentlich erklärt worden sei, “Unregelmäßigkeiten” bei der verwendeten Motorsoftware nachzugehen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückgewinnen zu wollen, halte der Hersteller seine Händler in (vermutlich allen) Gerichtsverfahren dazu an, das Vorliegen eines Sachmangels systematisch zu bestreiten. Aus den Mängelrechten gegenüber der Beklagten zu 1) folge auch, dass die Beklagte zu 2) gemäß § 359 BGB weitere Darlehensraten gegen den Kläger nicht durchsetzen kann (LG Trier, Urteil vom 07.06.2017 – 5 O 298/16).

1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 9.872,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.10.2016 zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw VW Touran mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …,

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des in Antrag zu 1) genannten Pkws in Verzug befindet,

3. Es wird festgestellt, dass die Ansprüche der Beklagten zu 2) aus dem Darlehensvertrag mit der Vertragsnummer … gegenüber dem Kläger nicht durchsetzbar sind,

4. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.307,51 € freizustellen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen.

7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gewährleistung aus dem Kauf eines Pkw. Die Beklagte zu 1) ist Vertragshändlerin für Fahrzeuge der Marke Volkswagen. Die Beklagte zu 2) finanziert Fahrzeugkäufe.

Der Kläger schloss im Frühjahr 2013 mit der Beklagten einen Vertrag über einen neuen Pkw VW Touran, der mit einem 2.0 Liter Turbo-Dieselmotor ausgerüstet ist. Der Motor gehört zur Baureihe EA 189, dessen Schadstoffausstoß die Euro 5 -Norm einhalten soll. Die damit ausgerüsteten Fahrzeuge sind Gegenstand einer Rückrufaktion des VW-Konzerns.

Das Fahrzeug wurde am 13.05.2013 an den Kläger ausgeliefert. Die Beklagte zu 2) gewährte dem Kläger mit Vertrag vom 19.04.2013 ein Darlehen über 20.539,25 €, wobei dort ein Kaufpreis von 28.068,00 € sowie ein Betrag von 989,25 € für eine Restschuldversicherung (“Kreditschutzbrief – KSB“) ausgewiesen wird. Darauf und auf Zinsen in Höhe von insgesamt 1.291,15 € sollte der Kläger vom 15.09.2013 bis zum 15.07.2017 monatliche Raten in Höhe von 173,55 € zahlen. Die am 15.08.2017 fällige Schlussrate beträgt 13.500,00 €.

Für die Einhaltung der Bestimmungen der Euro 5-Norm ist maßgeblich, welcher Schadstoffausstoß unter den Bedingungen des so genannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf einem Prüfstand gemessen wird. Die Motoren der Baureihe EA 189 sind mit einer Software ausgerüstet, die erkennt, ob das Fahrzeug unter den speziellen Bedingungen des NEFZ betrieben wird. Ist das der Fall, schaltet es das Abgasrückführungssystem in einem besonderen Modus („1“), der dafür sorgt, dass die ausgestoßenen Schadstoffe, insbesondere Stickoxyde (NOx) verringert werden. Bei einem Betrieb unter anderen Bedingungen und damit auch im öffentlichen Straßenverkehr schaltet das Abgasrückführungssystem dagegen in einen Modus „0“.

Das Kraftfahrtbundesamt wertet diese Steuerung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Es erließ am mit Bescheid vom 14.10.2015 Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung auf der Grundlage von § 25 Abs. 2 der EG-FahrzeuggenehmigungsV, um die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu gewährleisten. In der Folge davon ruft VW die Fahrzeuge mit Motoren der Baureihe EA 189 in die Werkstätten zurück, um sie technisch zu überarbeiten. Dabei soll u. a. die Steuerungssoftware so abgeändert werden, dass die Fahrzeuge nur noch in dem Modus „1“ betrieben werden.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 27.06.2016 forderte der Kläger die Beklagte zu 1) zur Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs gleichen Typs und gleicher Ausstattung auf und setzte dazu eine Frist bis zum 27.07.2016. Er begründete im Anschluss, warum eine Nachbesserung der Kaufsache aus tatsächlichen wie rechtlichen Gründen für ihn ausscheide. Sie stelle keine taugliche Nacherfüllung dar. Gleichwohl forderte er die Beklagte zu 1) zur Nachbesserung in gleicher Frist auf.

Mit Schreiben vom 28.06.2016 stellte die Beklagte zu 1) die vorgesehenen Maßnahmen zur Nachbesserung allgemein dar, verwies jedoch wegen des Zeitplans und der konkret für das Fahrzeug des Klägers vorgesehenen Maßnahmen auf einen unbestimmten späteren Zeitpunkt. Einen Austausch des Fahrzeugs lehnte sie ab.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 21.09.2016 erklärte der Kläger den Rücktritt von dem Kaufvertrag. Mit Schriftsatz vom 24.03.2017 wiederholt er den Rücktritt.

Der Kläger trägt vor, der von der Beklagten zu 1) gekaufte Pkw sei mangelhaft, weil sein Schadstoffausstoß die Vorgaben der Euro 5-Norm um ein Vielfaches überschreite. Der Mangel sei auch im Rechtssinne erheblich, u. a. auch deshalb, weil die sehr hohen Entwicklungskosten einer Nachbesserung in die Kalkulation einbezogen werden müssten und ohnehin die weitere Zulassung des Kfz zum Straßenverkehr gefährdet sei.

Er stützt seine Klage auf den von ihm erklärten Rücktritt von dem Kaufvertrag. Dazu behauptet er, der Mangel sei durch die von der Beklagten zu 1) in Aussicht gestellten Maßnahmen nicht behebbar. Der Schadstoffausstoß könne nicht auf ein rechtskonformes Maß reduziert werden. Zudem sei die Nachrüstung mit einer neuen Steuerungssoftware mit Nachteilen wie erhöhtem Kraftstoffverbrauch, erhöhtem Verschleiß, verringerter Lebensdauer des Motors verbunden. In jedem Fall erziele das Fahrzeug bei einem Verkauf auf dem Gebrauchtwagenmarkt geringere Preise, weil potenzielle Käufer sich von der öffentlichen Diskussion über die Fehlerhaftigkeit der Motoren abschrecken ließen.

Es sei ihm auch nicht zuzumuten, eine Mangelbeseitigung durch die Beklagte zu 1) in Anspruch zu nehmen, die eine solche nur in enger Zusammenarbeit und nach den Vorgaben der Herstellerin durchführen könne. Bei der Volkswagen AG handele es sich aber gerade um das Unternehmen, das ihn durch den Einbau der streitgegenständlichen Steuerungssoftware getäuscht, geschädigt und betrogen habe. Zudem habe zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch gar nicht festgestanden, wann die Beklagte zu 1) den Mangel an dem gekauften Pkw beseitigen werde. Es sei ihm nicht zumutbar gewesen, eine unbestimmte Zeit zuzuwarten.

Jedenfalls sei die von ihm erfolglos gesetzte bzw. die bis zu seiner Rücktrittserklärung verstrichene Frist ausreichend lang gewesen.

Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 1) die Rückzahlung einer geleisteten Anzahlung in Höhe von 8.536,00 € sowie der Raten, die er auf das zur Finanzierung aufgenommene Darlehen geleistet hat. Er will sich eine Nutzungsentschädigung von maximal 5.400,00 € für 67.304 gefahrene Kilometer anrechnen lassen.

Der Kläger stützt seine Klage auch auf einen Schadensersatz statt der Leistung in Form des so genannten „großen Schadensersatzes“. Er hält darüber hinaus einen Schadensersatzanspruch aus einer vorvertraglichen Pflichtverletzung unter den Gesichtspunkten der Prospekthaftung für begründet.

Gegen die Beklagte zu 2) begründet der Kläger seinen Antrag damit, dass es sich bei Kauf und Darlehen um ein einheitliches Geschäft handele und er deshalb infolge des Rücktritts von seiner Pflicht zur Zahlung weiterer Raten befreit sei.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 16.172,20 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.10.2016 zu zahlen, abzüglich eines Nutzungswertersatzes, jedoch nicht mehr als 5.400,00 €, Zug um Zug gegen Herausgabe des VW Touran mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des in Antrag zu 1) genannten Pkws in Verzug befindet,

3. festzustellen, dass die Ansprüche der Beklagten zu 2) aus dem Darlehensvertrag mit der Vertragsnummer … gegenüber dem Kläger nicht durchsetzbar sind,

4. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihn von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.307,51 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) trägt vor, das gekaufte Fahrzeug sei nicht mangelhaft. Es sei uneingeschränkt gebrauchstauglich, erfülle alle Voraussetzungen der Euro 5-Norm und sei und bleibe für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen. Insbesondere sei die von dem Kläger beanstandete Steuerung keine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Gesetzes.

Jedenfalls sei es möglich und dem Kläger zumutbar, die von der Herstellerin entwickelte technische Überarbeitung durch ein Software-Update in Anspruch zu nehmen. Für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp sei die Freigabe durch das Kraftfahrtbundesamt am 20.06.2016 erklärt worden womit auch zum Ausdruck komme, dass damit den in Betracht kommenden Vorschriften entsprochen werde. Die Kosten betrügen für jedes Fahrzeug weniger als 100 Euro. Es entstünden keine negativen Auswirkungen auf den Betrieb oder die Haltbarkeit des Fahrzeugs. Auch ein merkantiler Minderwert bestehe nicht.

Hilfsweise bringen sie vor, der Kläger habe nicht vom Vertrag zurücktreten dürfen. Auch stehe ihm kein Schadensersatzanspruch statt der Leistung zu. Die von ihm gesetzte Frist sei zu kurz bemessen gewesen, da die von der Herstellerin entwickelte technische Überarbeitung für jeden einzelnen Fahrzeugtyp von dem Kraftfahrtbundesamt habe freigegeben werden müssen. Das sei mit einem entsprechenden Zeitaufwand verbunden gewesen.

Eine etwa doch der Beklagten zuzurechnende Pflichtverletzung sei unerheblich gewesen, sodass auch aus diesem Grund ein Rücktritt ausscheide.

Die Beklagte zu 2) hält die gegen sie gerichtete Klage für unzulässig. Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil sie eine rechtskräftige Entscheidung zu Lasten der Beklagten zu 1) akzeptieren würde, auch was deren Folgen für sie betreffe. Sie bezieht sich auf eine von ihr abgegebene Ankündigung, wonach der Rateneinzug vorerst gestoppt werden sollte.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Gegen die Beklagte zu 1) hat der Kläger zunächst eine unbestimmte Leistungsklage erhoben. Sie entspricht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. In der mündlichen Verhandlung hat er die Klage auf Zahlung eines festen Betrags umgestellt. Da die Bemessung der Nutzungsentschädigung von einer Schätzung bzw. Wertung des Gerichts abhängt, darf er insoweit einen unbestimmten Antrag stellen.

Auch gegen die Beklage zu 2) ist die Klage zulässig. Der Kläger hat im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse an der Feststellung, zumal die Beklagte zu 2) sich nicht an ihre Ankündigung gehalten hat, den Rateneinzug vorläufig auszusetzen.

Die Klage ist auch begründet.

I.

Die gegen die Beklagte zu 1) gestellten Anträge sind zum weitaus größten Teil begründet.

Der Kläger ist von dem mit der Beklagten zu 1) geschlossenen Kaufvertrag wirksam zurückgetreten.

1.

Der von der Beklagten zu 1) an den Kläger verkaufte Pkw weist einen Sachmangel auf. Gegenstimmen in der bisher bekannten Rechtsprechung der Landgerichte zu Fahrzeugen mit EA 189-Dieselmotoren sind vereinzelt geblieben. Die Kammer schließt sich der weitaus überwiegenden Mehrheit der Rechtsprechung (statt vieler: OLG München, Beschluss vom 23.03.2017 – 3 U 4316/16 -, juris) an.

a.

Zu den Eigenschaften, die der Pkw aufweisen muss, gehört gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr.2, S. 3 BGB die Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 – FahrzeugemissionenVO – und der dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen. Auf deren Grundlage ist die Typgenehmigung erteilt worden; sie gehören damit gem. § 19 Abs. 7 StVZO zu den Voraussetzungen der Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr. Der streitgegenständliche Pkw erfüllt die Voraussetzungen dieser Verordnung nicht.

Die Beklagten zu 1) bezieht sich in ihrer rechtlichen Argumentation auf die Legaldefinition der Abschalteinrichtung gem. Art. 3 Abs. 10 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007.

Sie behauptet unter Beweisantritt, dass die von der Herstellerin eingebaute Umschaltlogik nicht Bestandteil des Emissionskontrollsystems sei, weil sie nicht darauf, sondern auf das Abgasrückführungssystem einwirke. Die Abgasrückführung – eben nicht Ableitung der Abgase in die Umwelt sondern deren Zurückleitung in den Motor – kontrolliere keine vorhandenen Emissionen, sondern verhindere sie auf einer technisch vorgelagerten Stufe.

Es bestehe auch keine Einwirkung im normalen Fahrzeugbetrieb, sondern im Gegenteil werde der Abgasrückführungsmodus nur aktiv, wenn das Fahrzeug das Verfahren zur Ermittlung der Fahrzeugemissionen am Rollenprüfstand nach dem NEFZ durchlaufe.

Dieser Argumentation kann die Kammer nicht folgen. Deshalb bedarf es der Aufklärung der unter Beweis gestellten Tatsachen nicht. Die Beklagte zu 1) legt die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu eng aus. Kapitel II dieser Verordnung normiert Pflichten des Herstellers für die Typgenehmigung. Dazu gehören gem. Art. 5:

„(1) Der Hersteller rüstet das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht.

(2) Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig.

Dies ist nicht der Fall, wenn: (…)“

Der Begriff der „normalen Betriebsbedingungen“ ist auslegungsbedürftig.

Unter den „normalen Betriebsbedingungen“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sind nicht die Bedingungen zu verstehen, unter denen die Prüfung der Abgasemissionen im NEFZ auf dem Rollenprüfstand nach den näheren Bestimmungen der Durchführungsverordnung Verordnung (EG) Nr. 692/2008 vorgenommen wird. Denn dass die Fahrzeuge die vorgeschriebenen Grenzwerte im NEFZ einhalten müssen, ergibt sich bereits aus anderen Vorschriften.

Dabei kann es aber nicht bleiben. Dem Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor schädlichen Fahrzeugemissionen wäre in keiner Weise gedient, wenn die aufwändigen technischen Maßnahmen zu deren Reduzierung nur unter Laborbedingungen wirken würden.

Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 1 ist es, dass die Schadstoffreduzierung auch und gerade dort wirkt, wo die Fahrzeuge bestimmungsgemäß eingesetzt werden, d. h. im öffentlichen Straßenverkehr in den Staaten der Europäischen Union.

Andererseits lässt Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 keine Rückschlüsse auf konkrete Werte zu, die bei dem Ausstoß der unterschiedlichen Schadstoffe im realen Betrieb der Kraftfahrzeuge im europäischen Straßennetz nicht überschritten werden dürfen. Die in diesem Sinne in Betracht kommenden „normalen Betriebsbedingungen“ sind so unterschiedlich, dass der Verordnungsgeber davon abgesehen hat, derartige Grenzwerte festzulegen. Es ist offenkundig, dass Kraftfahrzeuge bei dem bestimmungsgemäßen Gebrauch auf öffentlichen Straßen anderen Bedingungen ausgesetzt sind als auf dem Prüfstand, und zwar im Einzelfall sehr unterschiedlichen und häufig wechselnden.

Als bindende Verpflichtung des Herstellers gem. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 kann demgegenüber festgestellt werden, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, im realen Betrieb auf den Straßen ebenso schadstoffreduzierend zu wirken haben wie auf dem Prüfstand.

Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, wonach die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig ist, konkretisiert die im vorausgehenden Absatz getroffenen Anforderungen und ist in ihrem Sinne auszulegen.

Abschalteinrichtung ist nach der Definition in § 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ein Konstruktionsteil, das (…) Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems (…) zu verändern (,..), wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.

Auch diese Definition ist entsprechend dem Sinn und Zweck der Verordnung im Allgemeinen und speziell des Art. 5 Abs. 1 auszulegen. Die Begriffe „normaler Fahrzeugbetrieb“ und „normale Betriebsbedingungen“ entsprechen sich und meinen dasselbe. Eine Bewertung des Konstruktionsteils als Abschalteinrichtung hängt nicht davon ab, in welcher Weise es auf das Emissionskontrollsystem einwirkt, sondern dass es das überhaupt tut.

Um ein Konstruktionsteil als Abschalteinrichtung anzusehen, ist es nicht erforderlich, ein bestimmtes Teil des Emissionskontrollsystems zu ermitteln, dessen Funktion verändert wird. Der Begriff des „beliebigen Teils“ erfasst auch das Emissionskontrollsystem insgesamt. Wie sich aus dem Wort „beliebig“ ergibt, will der Verordnungsgeber jegliche Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems erfassen, egal wie sie technisch umgesetzt wird.

Es genügt, dass eine solche Einwirkung in irgendeiner Art und Weise geschieht, dass mithin ein Zusammenhang zwischen der Funktion dieses Konstruktionsteils und der Höhe der Schadstoffemissionen vorgesehen ist und auch tatsächlich besteht. Das ist hier der Fall.

Auch wenn die Einwirkung auf einer technisch vorgelagerten Stufe geschieht, indem dem Emissionskontrollsystem im normalen Fahrbetrieb schadstoffreichere Abgase zugeführt werden als unter den Bedingungen des NEFZ, handelt es sich deshalb um eine Abschalteinrichtung. Denn auch damit wird die Funktion des Emissionskontrollsystems verändert, was dazu führt, dass dessen Wirksamkeit verringert wird. Die erhöhten Schadstoffemissionen werden von den Beklagten zu 1) nicht bestritten und sind in dem Bericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“ (Broschüre des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, April 2016) eingehend dokumentiert.

b.

Das streitgegenständliche Kraftfahrzeug ist aber auch deshalb mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, weil seinem Halter nachteilige Maßnahmen der Verwaltungsbehörden drohen, wenn die von der VW AG entwickelte und von dem Kraftfahrtbundesamt genehmigte technische Nachrüstung (Software-Update) nicht vorgenommen wird.

Das Kraftfahrtbundesamt hat mit Bescheid vom 14.10.2015 einen Bescheid auf Grundlage von § 25 Abs. 2 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung erlassen, worauf basierend auch für bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung angeordnet werden können, um deren Vorschriftsmäßigkeit zu gewährleisten (Bericht der „Untersuchungskommission Volkswagen“ a.a.O. S. 12). Dieser Bescheid ist jedenfalls nach Lesart des Kraftfahrtbundesamts und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur Anlass und Grundlage der von VW durchgeführten Rückrufaktion, in deren Zug die unzulässige Abschalteinrichtung entfernt und die Vorschriftsmäßigkeit der Kraftfahrzeuge hergestellt werden soll.

Das bedeutet im Umkehrschluss zwingend, dass die Behörden den gegenwärtigen Zustand der mit einem EA 189-Motor ausgerüsteten Kraftfahrzeuge nicht für konform mit der EG-Typgenehmigung halten. Die Kammer schließt sich dieser Wertung aus den oben ausgeführten Gründen an.

Folgerichtig verweigern die Zulassungsstellen auf Anweisung des BMVI Neufahrzeugen die Zulassung, die an diesem Tag nicht bereits erstmals zugelassen waren. Solche Fahrzeuge können nur dann zugelassen werden, wenn im Rahmen der Rückrufaktion von VW die unzulässige Abschalteinrichtung entfernt worden ist (Bericht der „Untersuchungskommission Volkswagen“ a.a.O. S. 13).

Die Volkswagen AG ist gegen den Bescheid vom 14.10.2015 nicht vorgegangen, weshalb er bestandskräftig geworden ist und damit sie als Inhaberin der EG-Typgenehmigung und auch die Verwaltungsbehörden bindet.

Das Kraftfahrtbundesamt lässt sich die erfolgten Maßnahmen für jedes Fahrzeug zurückmelden und beabsichtigt, ausstehende Fahrzeuge behördlich nachverfolgen zu lassen (Bericht der „Untersuchungskommission Volkswagen“ a.a.O. S. 13). Hier steht die Entziehung der Betriebserlaubnis im Raum (OLG München, Beschluss vom 23.03.2017 – 3 U 4316/16 -, juris).

Ein Kraftfahrzeug, das entsprechend dieser Ankündigung Gegenstand einer „behördlichen Nachverfolgung“ zu werden droht, weist eine Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art keineswegs üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache auch nicht zu erwarten braucht (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB).

2.

Der Kläger war auch zum Rücktritt berechtigt. a.

Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedurfte es nicht, weil die Beklagte zu 1) die Nachlieferung eines mangelfreien Pkw abgelehnt hatte und die Beseitigung des Mangels zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts im Sinne des § 440 S. 1 BGB unzumutbar war.

Unzumutbar ist die Nacherfüllung, wenn sich der Verkäufer aus Sicht des Käufers als unzuverlässig erwiesen hat und das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist (BGH NJW 2015, 1669). Das ist hier der Fall.

Das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 28.06.2016 (Anlage K11, Bl. 46 Anlagenheft) dokumentiert, dass sie nicht in der Lage war, den Mangel zu beseitigen. Zunächst werden in diesem Schreiben vordergründig „technische Maßnahmen“ zur Behebung von „Unregelmäßigkeiten“ angekündigt. Die Beklagte zu 1) hat es dabei sorgfältig vermieden, diese Maßnahmen als Beseitigung eines Mangels zu bezeichnen. Sie hat darüber hinaus nur sehr allgemein zu den von Volkswagen entwickelten technischen Lösungen ausgeführt. Auf den streitgegenständlichen Kaufvertrag bezogen hat sie aber weder die Art der vorgesehenen Maßnahmen, noch einen Zeitplan für deren Umsetzung genannt. Der Kläger befand sich deshalb nach Erhalt dieses Schreibens weiterhin vollständig im Unklaren darüber, ob, wann und wie die Beklagte zu 1) eine Nacherfüllung vornehmen würde. Dem Kläger ist die Behebung des Mangels bis zu dem von ihm erklärten Rücktritt nicht konkret angeboten worden.

Nachdem die Beklagte zu 1) die Mangelbeseitigung vollständig in die Hände der Volkswagen AG als Herstellerin gelegt hat, muss sie alle Umstände gegen sich gelten lassen, die es aus Sicht des Klägers als unzumutbar erscheinen lassen, sich darauf einzulassen. Auf die rechtliche Beurteilung, ob die Volkswagen AG im Sinne des § 278 BGB Erfüllungsgehilfin der Beklagten zu 1) bei der Nacherfüllung ist, kommt es nicht an.

Zur fehlenden Zumutbarkeit der Mangelbeseitigung kann dahingestellt bleiben, ob das Vertrauen des Klägers in eine ordnungsgemäße Nacherfüllung nicht bereits dadurch nachhaltig gestört ist, dass die Beklagte zu 1) dafür auf die Zusammenarbeit mit der Volkswagen AG als Herstellerin angewiesen ist und diese wiederum eine Abgas-Manipulationssoftware eingebaut und dadurch die Öffentlichkeit und die Käufer systematisch über die Abgaswerte der von ihm hergestellten Fahrzeuge getäuscht hatte. Nach einem Teil der Rechtsprechung kann es dem Käufer schon deshalb nicht zugemutet werden, das betreffende Fahrzeug zu behalten und sich auf eine – wenn auch vom Verkäufer durchgeführte, so doch vom Hersteller gesteuerte – Nachbesserung einzulassen (LG Krefeld Urt. vom 14.09.2016, 2 O 72/16 und 2 O 83/16MDR 2016, 1201).

Hinzu treten nämlich weitere Umstände, die jedenfalls die Unzumutbarkeit der Mangelbeseitigung begründen. Maßgeblich für die Zumutbarkeit ist auch das Verhalten des Verkäufers im Umgang mit den Gewährleistungsrechten des Käufers, nachdem ein Mangel gerügt wurde. Das Verhalten speziell der Volkswagen AG bei dem Management des so genannten Abgasskandals hat ein etwa noch verbliebenes Vertrauen des Klägers in die Redlichkeit des Fahrzeugherstellers zerstört.

Die Volkswagen AG verhält sich im Verhältnis zu den Endkäufern ihrer mit Motoren der Baureiche EA 189 ausgerüsteten Produkte widersprüchlich und unredlich.

Sie hatte unmittelbar nach dem öffentlichen Bekanntwerden der gegen sie erhobenen Vorwürfe in einer Pressemitteilung am 22.09.2015 (Anlage K1 zur Klageschrift) angekündigt, von ihr so genannte „Unregelmäßigkeiten“ einer verwendeten Software bei Dieselmotoren aufzuklären. Es gebe auffällige Abweichungen zwischen den Prüfstandswerten und dem realen Fahrbetrieb. Volkswagen dulde keine Gesetzesverstöße. Oberstes Ziel des Vorstands bleibe es, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und Schaden von ihren Kunden abzuwenden. Der Konzern werde die Öffentlichkeit über den weiteren Fortgang der Ermittlungen fortlaufend und transparent informieren.

Der Umgang mit dem Kläger wird dieser Ankündigung nicht einmal im Ansatz gerecht.

Den Verwaltungsbehörden wie etwa dem Kraftfahrtbundesamt gegenüber hat Volkswagen die Wertung der so genannten Umschaltlogik als Verstoß gegen die europäischen Normen zur Verringerungen von Abgasemissionen zumindest hingenommen und sich bei der Entwicklung der technischen Maßnahmen zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtungen als kooperativ gezeigt. Der bestandskräftige Bescheid des Kraftfahrtbundesamts gem. § 25 Abs. 2 der EG-FahrzeuggenehmigungsVO bezieht sich folgerichtig auf die Beseitigung von Mängeln der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge. Wegen dieser Mängel werden Fahrzeuge mit nicht nachgerüsteten EA 189-Motoren seither nicht mehr zugelassen, ohne dass sich ein Unternehmen des VW-Konzerns dagegen gewehrt hätte.

Es gehört dagegen zur Verteidigungsstrategie des VW-Konzerns, dass er die mit ihm durch Verträge verbundenen Kraftfahrzeughändler dazu anhält, sich im Umgang mit den Käufern um das Eingeständnis eines Sachmangels herumzuwinden. Kommt es dann zum Streit, wird das Vorhandensein eines Mangels explizit bestritten. Das geschieht nicht nur in diesem Rechtsstreit, sondern spätestens seit Mitte 2016 in allen Rechtsstreitigkeiten, die Gewährleistungsansprüche gegen Vertragshändler der zu dem VW-Konzern gehörenden Marken zum Gegenstand haben. Das ist jedenfalls in den bei dem Landgericht Trier anhängigen Verfahren der Fall und in allen veröffentlichten Entscheidungen anderer Gerichte, die die Kammer ausgewertet hat.

Es ist aber schlechthin unmöglich, dass der streitgegenständliche Dieselmotor einerseits nicht im Einklang mit der erteilten EG-Typgenehmigung steht (was Volkswagen im Verwaltungsverfahren akzeptiert hat), deshalb eine „technische Überarbeitung“ zur Optimierung des Emissionsverhaltens erforderlich sein soll, er aber andererseits im kaufrechtlichen Sinn keinen Sachmangel aufweisen soll (was Volkswagen seinen Vertragshändlern als Verteidigungsstrategie diktiert).

Das Oberlandesgericht München hat zu dieser merkwürdigen Verteidigungsstrategie angemerkt:

Um Abhilfe ist, auch dies ist allgemein bekannt und zwischen den Parteien unstreitig, VW ersichtlich bemüht und hat deshalb auch angekündigt, kostenlos die entsprechenden Maßnahmen an den mit der „Schummelsoftware“ ausgestatteten Fahrzeugen vorzunehmen. Die Darstellung der Beklagten, VW betreibe diesen mit beträchtlichen Kosten verbundenen Aufwand nur aus „Kulanz“, ist als perplexer Parteivortrag insoweit unbeachtlich, da dies, träfe es denn zu, den Vorwurf der Untreue im Sinne von § 266 StGB gegen das Management des VW-Konzerns begründen würde. (OLG München, Beschluss vom 23. März 2017 – 3 U 4316/16 -, Rn. 13, juris)

Ein Fahrzeugkäufer wie der Kläger steht diesen den Gesetzen der Logik widersprechenden Äußerungen aus dem Volkswagen-Konzern rat- und hilflos gegenüber.

Er sieht sich damit in seiner Erwartung getäuscht, die Volkswagen AG stehe zu ihren Fehlern und Versäumnissen und bemühe sich nach Kräften, mehr als nur den Imageschaden für das eigene Unternehmen wieder gut zu machen.

Für den Kläger muss sich der Eindruck aufdrängen, dass die Volkswagen AG ihn nicht ernst nimmt, über Wesentliches falsch, unvollständig oder gar nicht informiert, und überhaupt bei der Bewältigung der Folgen des so genannten Abgas-Skandals rücksichtslos darauf bedacht ist, den Schaden für die eigene Unternehmensgruppe möglichst gering zu halten. Transparenz und Offenheit gegenüber den Interessen geschädigter Kunden wurden in aufwändigen Inseraten angekündigt. Fordert ein Fahrzeugkäufer das aber ein, geht Volkswagen in der Sache in keinem substantiellen Punkt darauf ein.

Spätestens damit braucht sich der Kläger auf eine „technische Überarbeitung“ seines Pkw nicht mehr einzulassen, die nur auf den Planungen und Vorgaben der Volkswagen AG beruht und auf die die Beklagte zu 1) ersichtlich so gut wie keinen Einfluss ausübt, weil sie nicht über das Wissen und die technischen Möglichkeiten verfügt, um den Mangel selbst zu beheben.

b.

Dem Rücktritt steht § 323 Abs. 5 S. 2 BGB nicht entgegen. Die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) ist nicht im Sinne dieser Vorschrift unerheblich.

Es geht in dieser Vorschrift nicht um die Erheblichkeit des Mangels an sich, sondern um die der Pflichtverletzung. Deshalb ist der Aufwand in Geld zur Behebung des Mangels nur ein Kriterium bei der Anwendung dieser Vorschrift. In der Rechtsprechung als erheblich anerkannt ist die Erheblichkeit von Pflichtverletzungen bei Kaufverträgen insbesondere auch dann, wenn Mängel arglistig verschwiegen worden sind (BGH NJW 2006, 1960) oder wenn gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung verstoßen wurde (BGH NJW 2013, 1365).

Die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) als Verkäuferin ist allein deshalb erheblich, weil das streitgegenständliche Kraftfahrzeug nicht der erteilten EG-Typgenehmigung entspricht, sondern der ordnungsgemäße Zustand erst durch die von dem Kraftfahrtbundesamt nunmehr freigegebene technische Überarbeitung – Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung – hergestellt werden muss. Auf die vorstehenden Ausführungen (oben zu I.) wird Bezug genommen.

Die Pflichtverletzung ist aber auch deshalb erheblich, weil sich die Beklagte zu 1) länger als drei Jahre nach Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger und länger als ein Jahr nach dem allgemeinen Bekanntwerden des Mangels nicht in der Lage gesehen hat, diesen zu beseitigen.

3.

Als Folge des Rücktritts sind gem. § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Leistungen des Klägers bestehen in den Raten, die er an die Beklagte zu 2) geleistet hat. Die Beklagte zu 2) hatte wiederum den Darlehensbetrag an die Beklagte zu 1) ausgezahlt.

Der Kläger muss seinerseits den Pkw an die Beklagte zu 1) zurückgeben. Darüber hinaus hat er den Wert der von ihm gezogenen Nutzungen zu ersetzen, § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Der Wertersatz beträgt 9,36 Eurocent für jeden Kilometer Laufleistung bei Rückgabe des Fahrzeugs. Die Kammer setzt den Kaufpreis von 28.086,00 € in Bezug auf eine gem. § 287 Abs. 1 ZPO geschätzte Lebensdauer des Fahrzeugs von 300.000 km. Bei einer Laufleistung von 67.304 gefahrenen Kilometern ergibt sich daraus ein Nutzungswert von 6.300,00 €.

4.

Die Beklagte zu 1) hat den sich daraus ergebenden Betrag gem. §§ 286, 288 BGB zu verzinsen. Die Pflicht zur Verzinsung der nach dem 07.10.2016 von der Beklagten zu 2) eingezogenen Darlehensraten würde zwar erst zu den Zeitpunkten eintreten, an denen sie eingezogen wurden. Der nach Abzug des Nutzungswertersatzes verbleibende Betrag liegt jedoch niedriger als die Raten, die der Kläger am 07.10.2016 schon gezahlt hatte.

5.

Die Beklagte zu 1) befindet sich mit der Rücknahme des Pkw in Annahmeverzug, da sie sich ausdrücklich geweigert hat, ihn entgegenzunehmen.

6.

Die Beklagte zu 1) hat dem Kläger auch den zu der Verfolgung seiner Rechte erforderlichen Aufwand zu ersetzen, ihn also von den Vergütungsansprüchen für die außergerichtliche Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten freizustellen. Das folgt aus §§ 440, 280 Abs. 1 BGB. Die 2,0 – Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG ist in Anbetracht von Umfang und Bedeutung des Sache angemessen. Einen Anteil von 0,75 lassen sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG auf die in diesem Rechtsstreit entstandene Verfahrensgebühr (Nr. 3100) anrechnen.

II.

Die Klage ist auch gegen die Beklagte zu 2) begründet. Das folgt nach dem von ihm erklärten Rücktritt aus §§ 359 Abs. 1 S. 1, 320 BGB. Es handelt sich bei den Verträgen um ein verbundenes Geschäft.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 ZPO. Die Aufteilung der Kosten auf die Beklagten beruht darauf, dass der Kläger von der Beklagten zu 1) die Rückzahlung der bereits gezahlten Beträge verlangen kann, von der Beklagten zu 2) dagegen die Feststellung der Befreiung von den künftigen Raten. Das sind etwas mehr als 14.000 €, wobei insbesondere die für den 15.08.2017 vorgesehene Schlussrate von 13.500,00 € ins Gewicht fällt.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 28.086,00 € festgesetzt.