Das AG Meißen hat am 29.05.2015 in einer umfangreichen Entscheidung auf zahlreiche Probleme beim ES 3.0-Messverfahren hingewiesen und daraus geschlossen, dass es sich nicht um eine standardisiertes Messverfahren handeln könne. Die PTB hat mit einem Dokument darauf reagiert und mehrere Gutachten, auf die sich das AG Meißen gestützt hat, kritisiert. Mit beidem hat sich kürzlich das OLG Oldenburg auseinandergesetzt und sich auf die Seite der PTB gestellt. Daher bleibe es, was kaum verwundert, bei der ständigen Rechtsprechung zur Geeignetheit dieses Messverfahrens (OLG Oldenburg, Beschluss vom 18.04.2016, Az. 2 Ss (OWi) 57/16).
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Denn das Amtsgericht war nicht gehalten, im Wege der Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens zu überprüfen, ob der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hat. Vielmehr durfte es – nachdem es sich von der ordnungsgemäßen Aufstellung und Bedienung des Geräts überzeugt hatte – mangels konkreter Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen.
1. Bei einer Geschwindigkeitsmessung mit dem hier eingesetzten Einseitensensor ………. handelt es sich um ein sog. standardisiertes Messverfahren. Standardisiert ist ein durch Regelungen vereinheitlichtes technisches Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (grundlegend BGH, Beschl. v. 19.08.1992, 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291ff.).
Diese Voraussetzungen erfüllt grundsätzlich auch die Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät ……….., wenn sie von geschultem Messpersonal unter Beachtung der Betriebsanleitung des Geräteherstellers und der Zulassungsbedingungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) durchgeführt wird (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2009, 1 SsRs 71/09, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 02.08.2012, III-3 RBs 178/12, juris).
Der Bauartzulassung des Geschwindigkeitsmessgerätes durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) kommt dabei die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu. Die Zulassungsprüfung stellt ein von Gesetzes wegen angeordnetes Behördengutachten dar (§§ 13, 25 EichG i.V.m. §§ 16, 36 ff EO-AV). Mit der amtlichen Zulassung des Messgerätes bestätigt die PTB nach umfangreichen messtechnischen, technischen und administrativen Prüfungen sowie Festlegung der Eichprozeduren, dass sie die Ermittlung des Messwertes auf Grundlage der in der Gebrauchsanweisung festgelegten Vorgehensweise einer Sachverständigenprüfung unterzogen und die Messergebnisse als innerhalb einer zulässigen Toleranz liegend eingestuft hat (OLG Bamberg, Beschl. v. 22.10.2015, 2 Ss OWi 641/15, juris).
Die Anerkennung von standardisierten Messverfahren dient dabei insbesondere dem Zweck, das Bußgeldverfahren im Hinblick auf seine vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens zu vereinfachen und Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und Erörterung des Regelfalls freizustellen (BGH, a.a.O., OLG Bamberg, a.a.O.). Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Obergerichte durch eine Fülle von massenhaft vorkommenden Bagatellsachen blockiert und sie so für ihre eigentliche Aufgabe funktionsuntüchtig gemacht würden (BGH, a.a.O.)
2. Die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens ergibt sich auch nicht aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Meißen vom 29.05.2015 (13 OWi 703 Js 21114/14, juris). In dieser Entscheidung war das Amtsgericht Meißen nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis gelangt, dass das Geschwindigkeitsmessgerät ………. bauartbedingte Fehlerquellen bei der Messwertbildung aufweise, die nicht innerhalb der zulässigen Verkehrsfehlergrenze lägen und auch nicht durch einen größeren Toleranzwert ausgeglichen werden könnten (AG Meißen, a.a.O, Rdn. 23.). Aufgrund dessen ist das dortige Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die innerstaatliche Bauartzulassung durch die PTB nicht mehr geeignet sei, Gewähr dafür zu bieten, dass bei Beachtung ihrer Vorgaben mit dem …………..Fahrzeuge zuverlässig im Straßenverkehr gemessen werden können (AG Meißen, a.a.O., Rdn. 582 ff.)
a) Zwar geht das Amtsgericht Meißen im Ansatz zutreffend davon aus, dass die von der PTB erteilten Bauartzulassungen nicht der richterlichen Kontrolle entzogen sind. Bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für strukturell angelegte Fehler des Geschwindigkeitsmessgerätes kann das Tatgericht vielmehr durch Bestellung eines Sachverständigen überprüfen, ob trotz einer Messung innerhalb der PTB Zulassung eine Fehlmessung vorliegt, die ihre Ursache in einem strukturell angelegten Fehler in der Messtechnik, der Messsoftware oder der Auswertungssoftware findet (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.12.2014, 2 Ss OWi 1041/14, Rdn. 21, juris).
b) Solche strukturell angelegten Fehler des Geschwindigkeitsmessgerätes vermochte das Amtsgericht Meißen in seiner Entscheidung indessen nicht aufzuzeigen.
(1) Das Amtsgericht Meißen stellt in seiner Entscheidung fest, dass das beim ………..verwendete Messverfahren eine zu geringe Anzahl an Messwerten generiere, um ein charakteristisches Helligkeitsprofil zu erstellen. Für die Korrelationsprüfung müssten genügend geeignete Messwerte im Helligkeitsprofil vorhanden sein, um zu einem belastbaren Wert zu gelangen. Das beim …. eingesetzte Verfahren zur Korrelationsprüfung sei ein zeitkritischer Prozess, dessen Rahmenbedingungen durch den Aufbau der Messanlage bestimmt würden. Zur Verfügung stehe der Zeitabschnitt, den das Objekt benötige, um eine Strecke von 3 m zwischen den Sensoren und der Fotolinie zurückzulegen. Da der …………mit einer konstanten Rate von 10 Tausendstelsekunden messe, hänge es von der Geschwindigkeit des zu messenden Objekts ab, wie viele Messwerte genommen werden könnten. Ein Objekt, das sich mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h bewege, lege die zur Verfügung stehende Strecke von 3,00 m in 0,108 Sekunden zurück. Somit stünden in diesem Fall lediglich 10 Messwerte zur Verfügung. Dies sei zur Erstellung eines charakteristischen Helligkeitsprofils zu wenig, zumal im Fall eines Fahrzeugs davon ausgegangen werden müsse, dass einige dieser 10 Messwerte wegen eines sich drehenden Rads verworfen werden müssten (AG Meißen, a.a.O., Rdn. 579 f.).
(2) Mit diesen Einwänden des Amtsgerichts Meißen hat sich die PTB in der dienstlichen Erklärung vom 12.01.2016 auseinandergesetzt. Bei Vorliegen eines strukturellen Fehlers eines Geschwindigkeitsmessgerätes kann die PTB die Zulassung entsprechend der neuen Erkenntnis aufheben oder abändern. Zu einem Tätigwerden in einem solchen Fall ist die PTB sogar gesetzlich verpflichtet (§ 25 a EO-AV). Zu einer Aufhebung oder Abänderung der Bauartzulassung sah sich die PTB allerdings aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts Meißen nicht veranlasst. Vielmehr hat sie mit nachvollziehbarer und überzeugender Begründung die dargestellten Einwände zurückgewiesen. Dieser Wertung schließt sich der Senat an.
(3) Die dienstliche Erklärung war zwar nicht Gegenstand der hier angefochtenen Entscheidung; gleichwohl ist sie berücksichtigungsfähig. Denn sie stellt eine Ergänzung des antizipierten Sachverständigengutachtens der Bauartzulassung des Geschwindigkeitsmessgerätes ……… dar. Ein solch ergänzendes Gutachten kann vom Rechtsbeschwerdegericht im Freibeweisverfahren in das Verfahren eingeführt und überprüft werden (für die Revisionsinstanz BGH, Urt. v. 01.02.1985, 2 StR 685,84, BGHSt 33, 133, 136; Meyer-Goßner/Schmidt, Strafprozessordnung, 58. Aufl., § 337 Rdn. 31).
(4) Wie sich der dienstlichen Erklärung der PTB entnehmen lässt, beruht das Urteil des Amtsgerichts Meißen auf gravierenden Missverständnissen bezüglich der Funktionsweise und Messwertbildung der ………….. Nach der Stellungnahme der PTB geht das Amtsgericht Meißen fehlerhaft von der Annahme aus, die Sensoren tasteten ihren Erfassungsbereich nur etwa alle 10 Millisekunden ab. Tatsächlich bestehe – wie aufgrund der detaillierten Analysen der Funktionsweise der Messwertbildung im Rahmen des Zulassungsverfahrens festgestellt worden sei – ein zeitlicher Abstand zwischen den Abtastwerten von 10 Mikrosekunden. Daraus resultiere eine um den Faktor 1000 höhere Anzahl an Abtastwerten, die der Geschwindigkeitsmessung zugrunde liege, als in der Urteilsbegründung ausgeführt. Bezogen auf eine Strecke von 3,00 m ergäben sich damit nicht- wie vom Amtsgericht Meißen angenommen – 10 Abtastwerte, sondern vielmehr eine Anzahl von 10.800 Abtastwerten.
Die Feststellung des Amtsgerichts Meißen, dass für die Ermittlung eines charakteristischen Helligkeitsprofils durch das streitgegenständliche Gerät zu wenige Abtastwerte ermittelt würden, ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Damit ist dem tragenden Argument der Entscheidung des Amtsgerichts Meißen die Grundlage entzogen.
(5) Hieran vermag auch die vorgelegte Stellungnahme der VUT Verkehr vom 26.01.2016 nichts zu ändern. In dem zentralen Punkt der Anzahl der Abtastwerte pflichtet die VUT Verkehr der PTB bei und führt aus, dass die PTB den Zahlenwert richtig ermittelt hat (Stellungnahme VUT, S. 4, 2. Absatz), so dass selbst bei Zugrundelegung dieser Stellungnahme das Amtsgericht Meißen von einer falschen Grundannahme ausgeht.
Die übrigen Einwände der VUT Verkehr führen zu keinem anderen Ergebnis.
Die VUT Verkehr bemängelt, die PTB habe unbeantwortet gelassen, ob die durch das Gerät generierte Datenmenge ausreichend sei, um die tatsächliche Geschwindigkeit zu bestimmen. Zwar setzt sich die PTB mit dieser Fragestellung in ihrer Stellungnahme nicht ausdrücklich auseinander. Aus dem Umstand, dass die PTB unter Berücksichtigung der Entscheidung des Amtsgerichts Meißen keinerlei Veranlassung zu einer Aufhebung oder Abänderung der Bauartzulassung gesehen hat, kann jedoch geschlossen werden, dass die PTB die durch das Gerät …… generierte Datenmenge für ausreichend erachtet.
Gleiches gilt im Hinblick auf die fehlende Auswertung der Rohmessdaten seitens der PTB. Die PTB führt nachvollziehbar aus, dass sie von einer Überprüfung der Rohmessdaten durch die Herstellerfirma abgesehen hat, weil der Hersteller dieselbe Software-Bibliothek (SpeedandDistance.dll) und damit denselben Auswertealgorithmus verwende, der auch im Messgerät implementiert sei. Im Rahmen des Bauartzulassungsverfahrens sei in detaillierten Untersuchungen verifiziert worden, dass die Software des Geschwindigkeitsüberwachungsgerätes ………. die Helligkeitssignale einer jeden Fahrzeugvorbeifahrt korrekt bewerte und die vom Messgerät ausgegebenen Geschwindigkeitsmesswerte die Verkehrsfehlergrenzen einhielten. Die von der VUT Verkehr geforderte Untersuchung der Wechselwirkung zwischen dem Online-Dienst der Herstellerfirma und der Software-Bibliothek dll war aus diesem Grund nicht erforderlich.
c) Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Amtsgerichts Meißen bestand damit kein Anlass, ein technisches Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hat. Weil die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich war, erübrigte sich auch die im Rahmen eines solchen Gutachtens vorzunehmende Untersuchung des Datensatzes der Messung beim Betroffenen.
d) Konkrete Einwände gegen die Messung und das Messergebnis sind nicht erhoben, so dass auch insoweit kein Anlass für das Amtsgericht bestand, den konkret durchgeführten Messvorgang gutachterlich überprüfen zu lassen.
[…] und nochmals: OLG Oldenburg zu ES 3.0: Beanstandungen des AG Meißen sind durch PTB-Stellungnahme widerlegt! , […]
Weil natürlich nicht sein kann, was nicht sein darf.
Sie sind nicht widerlegt.
Das Gericht Meißen und die Gutachter stützen sich schliesslich auf die Aussage des leitenden Entwicklers der Firma Eso. Von ihm kommt ja die Aussage, dass das Abtastintervall 10ms beträgt.
Vom diesem Entwickler, dem Zeugen R. kommt in der Verhandlung auch die Aussage, dass nur ein Spannungswert für die Geschwindkeitsmessung hergenommen wird (“Ein Peak reicht”). Natürlich ist das widersinnig und spricht gegen die technische Logik, aber der Entwickler muss es schliesslich wissen.
Eigentlich ist die Stellungnahme der PTB zum Urteil des Gerichts reichlich absurd, denn die PTB hat die Software inhaltlich ja gar nicht geprüft. Der Entwicklungsleiter bestätigt in seiner Zeugenaussage, dass gar keine Kreuzkorrelation stattfindet sondern dass nur ein Spannungswert als Kriterium herangezogen wird. Das Kuriose ist, dass die PTB anscheinend besser als der Entwickler des Gerätes weiss, wie bei der Firma Eco entwickelt wurde.
Zu der Analyse der Rohmessdaten: die Rohmessdaten liegen erst im Nachhinein vor, also wenn der Ganze Vorgang der Messung abgeschlossen ist. *Während* der Messung wird keine mathematische Kreuzkorrelation vorgenommen, wie der Entwickler bestätigt. Die *nachträglich* statistische Auswertung der Rohdaten zeigt nicht an, wie das Gerät in Wahrheit gemessen hat sondern nur, inwiefern das Messgerät Es3.0 während der Messung geraten hat. Und diese Messung kann, mehr oder weniger, mit der Analyse der Rohdaten übereinstimmt. Mehr aber auch nicht. Das “Mehr oder weniger” bezieht sich dabei auf den Grad der Übereinstimmung (irgendwo auch “Güte” genannt und ist tatsächlich so eine Art Wahrscheinlichkeit, dass die Geschwindigkeit z.B. zu 70 oder 80% der wahren Geschwindigkeit entspricht.
In Wirklichkeit hat die PTB eigentlich nur ihre eigenen Bauartzulassung unglaubwürdig gemacht indem sie vorgibt, mehr zu wissen als der Entwickler aber gleichzeitig nur simple Tests des Gerätes vorgenommen hat.