Im Ausgangsverfahren verlangte die dortige Klägerin Schmerzensgeld und Schadensersatz von der beklagten Stadt. Die Klägerin, die auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen ist, hat am 06.11.2009 ihren Pkw auf einem Behindertenparkplatz vor dem Rathaus der Beklagten geparkt. Die dortigen Parkplätze sind mit unregelmäßigen Kopfsteinen gepflastert. Als sie vom Fahrersitz auf den durch Bremsen gesicherten Rollstuhl neben ihrem Fahrzeug steigen wollte, stürzte sie und verletzte sich, da der Rollstuhl nach ihrer Behauptung auf Grund des unebenen Bodenbelages wegrutschte. Ihre Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil wurde vom OLG Schleswig zurückgewiesen, da sie ein überwiegendes Mitverschulden an dem Unfall gegen sich gelten lassen müsse. Sie habe sich durch die Nutzung des Parkplatzes einer ihr bekannten und vermeidbaren Gefahr ausgesetzt. Das ergebe sich daraus, dass sie sich in der Vergangenheit öffentlich kritisch u. a. über die mangelnde Rollstuhltauglichkeit des Kopfsteinpflasters in der Stadt geäußert habe. Ihr sei es zuzumuten gewesen, einen entfernten Parkplatz zu benutzen und dadurch Umwege nehmen zu müssen. Das BVerfG hob die Entscheidung nun wegen einer Verletzung von Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG auf (Beschluss vom 24.03.2016, Az. 1 BvR 2012/13)
1. a) Entscheidungen der allgemein zuständigen Gerichte sind nicht schlechthin einer verfassungsgerichtlichen Prüfung zugänglich. Feststellung und Würdigung des Sachverhalts sowie Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind Sache der Fachgerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen. Dieses kontrolliert vielmehr nur, ob dabei der Einfluss der Grundrechte grundlegend verkannt worden ist (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 89, 276 <285>). Im bürgerlichen Recht haben die Grundrechte als objektive Grundsatznormen Ausstrahlungswirkung, die vor allem bei der Interpretation von Generalklauseln und anderen auslegungsfähigen und wertungsbedürftigen Normen zur Geltung zu bringen ist (vgl. BVerfGE 7, 198 <204 ff.>; 42, 143 <148>; 81, 40 <52>).
Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden; eine Schlechterstellung Behinderter ist nur zulässig, wenn dafür zwingende Gründe vorliegen (vgl. BVerfGE 99, 341 <357>). Untersagt sind auf die Behinderung bezogene Ungleichbehandlungen, die für den behinderten Menschen zu einem Nachteil führen. Eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verbotene Benachteiligung liegt nicht nur bei Maßnahmen vor, die die Situation von Behinderten wegen der Behinderung verschlechtern. Eine Benachteiligung kann auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten gegeben sein, wenn dieser Ausschluss nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird (vgl. BVerfGE 96, 288 <303>). Das Verbot der Benachteiligung Behinderter gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ist Grundrecht und zugleich objektive Wertentscheidung. Aus ihm folgt – über das sich aus dem Wortlaut unmittelbar ergebende Verbot der Benachteiligung hinaus – im Zusammenwirken mit speziellen Freiheitsrechten, dass der Staat eine besondere Verantwortung für behinderte Menschen trägt (vgl. BVerfGE 96, 288 <304>). Nach dem Willen des Verfassungsgebers fließt das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen als Teil der objektiven Wertordnung auch in die Auslegung des Zivilrechts ein (vgl. BVerfGE 99, 341 <356>; BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 28. März 2000 – 1 BvR 1460/09 -, NJW 2000, S. 2658 <2659>). Die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten für den von ihr eingerichteten und als solchen gekennzeichneten Behindertenparkplatz ist daher im Lichte der grundgesetzlichen Bestimmung des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu sehen; ihr Inhalt wird durch diese Grundentscheidung mitgeprägt. Ebenso ist bei der Würdigung der Frage eines Mitverschuldens der Beschwerdeführerin an ihrem Unfall (§ 254 BGB) die Ausstrahlungswirkung zu berücksichtigen.
b) Nach diesen Grundsätzen ist die zu einem vollständigen Anspruchsausschluss führende Anwendung von § 254 Abs. 1 BGB zu Lasten der Beschwerdeführerin durch die angegriffene Entscheidung mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG unvereinbar, weil sie die Ausstrahlungswirkung von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ins Zivilrecht außer Acht lässt. Dabei kommt es auf die – nach den von der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts gegebene – Kenntnis der Beschwerdeführerin vom Zustand des in Rede stehenden Behindertenparkplatzes nicht entscheidend an. Denn auch wenn die Beschwerdeführerin die Beschaffenheit des konkreten Parkplatzes kannte, so nutzte sie doch einen Parkplatz, der gerade für Menschen mit Behinderung vorgesehen und somit dazu bestimmt war, in Befolgung des Förderungsauftrags des Staates die gleichberechtigte Teilhabe am Alltagsleben zu ermöglichen, und so den Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten zu kompensieren. Eine etwaige – im Ausgangsverfahren bislang offengebliebene – nicht rollstuhlgerechte Ausgestaltung des Behindertenparkplatzes stellt eine Benachteiligung in diesem Sinne dar, weil die Kompensation des Nachteils in diesem Fall an der Gefährdung der Nutzer scheitert. Daraus ist eine entsprechende Verkehrssicherungspflicht der Beklagten abzuleiten, auf deren Erfüllung sich die Beschwerdeführerin verlassen durfte. Wenn die im Ausgangsverfahren beklagte Stadt einen Behindertenparkplatz ausweist, ihn jedoch nicht entsprechend sachgerecht ausgebaut haben sollte, wofür es bislang an Feststellungen im fachgerichtlichen Verfahren fehlt, kann ein etwaiges Mitverschulden der Beschwerdeführerin zumindest kein solches Gewicht erreichen, dass ein vollständiger Ausschluss eines Schadensersatzanspruchs in Betracht kommt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine etwaige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht tatsächlich für den Unfall ursächlich gewesen sein sollte. Auch dazu bedarf es gegebenenfalls der erforderlichen fachgerichtlichen Feststellungen.
2. Danach kann offenbleiben, ob auch bezüglich der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 UN-BRK (Allgemeine Handlungsfreiheit und Grundrecht auf Mobilität) die Annahmevoraussetzungen vorliegen.
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