Der stark alkoholisierte Kläger wurde als Fußgänger durch den Pkw der Beklagten zu 1) verletzt und verlangt u. a. die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger unaufmerksam, schlecht erkennbar und alkoholisiert auf die Straße begeben und damit den Unfall selbst verursacht habe. Von einer Parteianhörung hat es abgesehen, obwohl der Ablauf des Unfalls streitig war. Das hat das OLG München beanstandet und u. a. deshalb das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen (Urteil vom 12.06.2015, Az. 10 U 3981/14)

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht vollständig festgestellt. Deswegen sind konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellung ersichtlich, sodass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583 [1585]), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Nachdem – wenn auch sehr allgemein – die erstinstanzlichen Feststellungen angegriffen sind (BB 3 = Bl. 87 d. A.), kommt es auf die umstrittene Frage, ob insoweit eine Prüfung von Amts wegen ohne Bindung an das Berufungsvorbringen vorzunehmen ist (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung), nicht entscheidend an.

a) Die Beweiserhebung des Erstgerichts ist zu beanstanden, weil gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (BGH NJW-RR 2011, 428; NJW-RR 2004, 425; NJW 2004, 1871; NZV 2000, 504; NJW 2008, 2846; NJW 2009, 2604 [2605 <Tz. 79>]; Senat, Urt. v. 14.03.2014 – 10 U 2996/13 [juris]; v. 27.01.2012 – 10 U 3065/11 [juris]; v. 10.02.2012 – 10 U 4147/11 [juris]).

aa) Das Erstgericht hat keine mündliche Verhandlung durchgeführt (Beschl. v. 19.08.2014 = Bl. 60 d. A.) und folglich die Anhörung der unfallbeteiligten Parteien (§ 141 I 1 ZPO) unterlassen. Abgesehen von der grundsätzlichen Bedeutung der Parteianhörung in Fällen, in denen der Ablauf eines Verkehrsunfalls streitig ist (BGH NJW 2013, 2601 [2602 unter Tz. 10, 11]), wäre eine solche Anhörung aus folgenden Gründen hier zwingend geboten gewesen:

– Zum ersten bestand keinerlei Anlass, auf derartigen, schriftsätzliches Vorbringen ergänzenden „qualifizierten“ Parteivortrag zu verzichten zumal sich beide Parteien im Strafverfahren nicht geäußert haben (Akten 340 Js 10280/12 d. StA Traunstein, Bl. 8, 9).

– Zum zweiten wurde dem Gutachter und dem Gericht die Möglichkeit genommen, eine unmittelbare Unfalldarstellung zu erhalten, die Parteien ergänzend zu befragen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen.

– Zum dritten wurde die Verpflichtung eingeschränkt, das Gutachten von Amts wegen auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, und mit den Schilderungen der Parteien abzugleichen.

Bei dieser Sachlage stellt eine schriftliche Entscheidung ohne Anhörung der Parteien einen schweren Verfahrensfehler dar (OLG Schleswig NJW-RR 2008, 1525; Senat, Urt. v. 09.10.2009 – 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]), zumal nichts dafür ersichtlich ist, dass die Parteien äußerungsunfähig sein könnten.