Quelle: Jepessen, Wikimedia Commons

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Dass über die genaue Funk­tion eines Mess­ge­räts wenig bekannt ist, hat das OLG Naumburg bei PoliScan Speed nicht gestört. Das scheint auch bei ES 3.0 der Fall zu sein, jedenfalls grundsätzlich. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde bzw. den Zulassungsantrag zweier Betroffener ohne Begründung verworfen, die vom AG Zeitz verurteilt worden waren. Als Messgerät wurde dort jeweils der ES 3.0 verwendet (2 Ws 107/15; 2 Ws 138/15). Allerdings wird akzeptiert, dass auch bei standardisierten Messverfahren Fehler im Einzelfall möglich sind, was die Staatsanwaltschaft in einem (weiteren) Fall offenbar anders gesehen hat: Das AG Bitterfeld hatte den Betroffenen vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Zuvor hatte der Sachverständige ausgeführt, dass 6 Messungen der Messserie technisch nicht nachvollziehbar seien und beim Fahrzeug des Betroffenen nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein äußerer optischer Effekt die Messung ausgelöst hat. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wurde als unbegründet verworfen. Auch wenn es bei der Verwendung eines standardisierten Verfahrens grundsätzlich keiner Beauftragung eines Sachverständigen bedürfe, führten die Ergebnisse des Sachverständigen dazu, dass die Vermutung korrekter Messungen hinsichtlich der gesamten Messreihe dieses Tages jedenfalls erschüttert sei (OLG Naumburg, Beschluss vom 16.12.2014, Az. 2 Ws 96/14).

Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen vom 28. Februar 2014 wird als unbegründet verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat mit schlüssiger, rechtsfehlerfreier Begründung ausgeführt, weshalb es Zweifel daran hat, dass der Betroffene zu schnell gefahren ist.

Das Gericht hat sich der Hilfe des dem Senat als qualifiziert und kompetent bekannten Sachverständigen Dipl.-Ing. M. bedient. Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, dass 6 Messungen der Messserie technisch nicht nachvollziehbar sind. Hinsichtlich des Fahrzeugs des Betroffenen könne er nicht ausschließen, dass ein äußerer optischer Effekt die Messung ausgelöst habe und deswegen der Messwert nicht die vom Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit wiedergebe.

Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Gericht auf dieser Grundlage Zweifel daran hat, dass der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hat. Auch der Hinweis der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft darauf, dass es sich bei Messungen mit der hier verwendeten Geschwindigkeitsmessanlage ESO 3.0 um ein standardisiertes Messverfahren handelt, führt nicht dazu, dass das Gericht gehindert war, die vom Sachverständigen geäußerten Zweifel zu teilen. Unter einem standardisierten Messverfahren ist ein durch Normen vereinheitliches technisches Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Folge hiervon ist, dass das Gericht grundsätzlich ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen davon ausgehen kann, dass die Messungen korrekt erfolgt sind, wenn keine konkreten Einwendungen erhoben werden. In solchen Fällen bedarf es auch nicht der Hinzuziehung eines Sachverständigen. Hier ist indes der Sachverständige M. hinzugezogen geworden. Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, dass 6 Messungen der Messreihe nicht nachvollzogen werden können. Damit ist die Vermutung korrekter und nachvollziehbarer Messungen hinsichtlich der gesamten Messreihe dieses Tages zumindest erschüttert worden. Wenn der Sachverständige dann weiter ausgeführt hat, im Falle des Fahrzeugs des Betroffenen sei nicht auszuschließen, dass ein äußerer optischer Effekt die Messung ausgelöst habe mit der Folge, dass die angezeigte Geschwindigkeit nicht die vom Betroffenen gefahrene war, ist es nicht nur vertretbar, dass das Gericht Zweifel hatte, vielmehr lag dies sogar außerordentlich nahe.

Soweit die Generalstaatsanwaltschaft meint, aufgrund der Sachlage sei eine Entscheidung im Beschlusswege bedenklich, es hätte nahe gelegen, den Sachverständigen im Rahmen einer Hauptverhandlung zu hören und Nachfragen zu stellen, könnte diese Beanstandung allenfalls im Rahmen einer Aufklärungsrüge berücksichtigt werden, die auch hätte ausführen müssen, welchen Erkenntnisgewinn das Gericht in der Hauptverhandlung hätte erzielen können. Eine Verfahrensrüge ist indes nicht erhoben.